SPD - charakterlich würdige Nachfolger der alten Garde

Grafik: TP

Der von den Medien herbeigeschriebene "Schulz-Effekt" ist verpufft, die SPD sieht sich weiter auf Talfahrt und zeigt dabei, dass sie nichts dazugelernt hat

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Die SPD gilt als älteste noch bestehende deutsche Partei. Ihre Vorläufer sind der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein sowie die Sozialdemokratische Arbeiterpartei. Seit 1959 beansprucht die SPD für sich, eine linke Volkspartei zu sein.

Diese Aspekte sind wichtig, um Kritik - auch scharfe Kritik - an der SPD nicht als einen Zuspruch für andere Parteien zu verstehen, oder aber sie gleich reflexhaft mit einem "die anderen sind auch nicht besser" zu beantworten. Wer die SPD auch angesichts ihrer Abkehr von den hehren linken Zielen zugunsten von Arbeitern kritisiert, stellt damit nicht fest, dass andere Parteien sich besser verhalten - er äußert eine konkrete Kritik an einer Partei, die sich (im Vergleich zu anderen) den Anstrich des Sozialen gibt, dem aber nicht gerecht wird.

Lapidar ausgedrückt: Bei einer Partei wie der CDU/CSU finden sich wenige Politiker, die sich vor die Kamera stellen, von (sozialer) Gerechtigkeit reden oder aber den Anschein einer gemäßigten Sicherheitspolitik zu erwecken versuchen, während sie zeitgleich die Hardliner in Bezug auf beide Ressorts geben. Dies ist es, was die SPD schon seit längerem für viele so unsympathisch bis unwählbar erscheinen lässt: Sie gibt zwar vor, sich von der CDU/CSU abzugrenzen, doch bei genauer Betrachtung wirken die Unterscheide eher gering.

Hinzu kommt, dass die SPD seit der Agenda 2010 ihre Reputation als "linke Volkspartei" nicht wiederherstellen konnte. Und wer sich die derzeitigen "Granden" der SPD ansieht, der wundert sich wenig über diese Entwicklung, denn sie wirken letztendlich wie Klone der früheren höherrangigen SPD-Politiker.

Martin Schulz: Narzisstische Gemengelage aus Gerhard Schröder und Kurt Beck

Es mag ein Späßchen gewesen sein, als Martin Schulz nicht wusste, was die Menge um ihn herum rufen sollte und es dann auf den bekannten "Martin! Martin!"-Chor hinauslief, aber es zeigt doch auch, dass Martin Schulz, seit einiger Zeit Parteivorsitzender und von den Medien hochgelobter Hoffnungsträger der SPD, sich gerne feiern lässt.

Eine Aufnahme des Bayrischen Rundfunks zeigt, wie er in Würzburg mit dem Jubel der Jungsozialisten nicht zufrieden war und diese aufforderte, doch "mal rufen zu können" und schließlich vorschlägt "Martin rufen" - eine bestellte Begeisterung, bei der es nicht ausreicht, sie für die Partei oder die Vorschläge aufzubringen, sondern vielmehr für einen Menschen, für Martin Schulz.

Die mediale Darstellung des Schulz-Effektes muss ihm daher wohl getan haben, dem Mann, der von sich selbst sagt, dass ihm der Machtanspruch aus jeder Pore tropfe. In diesem Zusammenhang kann auch seine erfolgreiche Abkehr vom Alkohol gesehen werden: Trockener Alkoholiker zu werden und zu bleiben, ist eine anstrengende Arbeit, die Respekt erfordert - doch gerade auch trockene Alkoholiker benötigen eine entsprechend große Gruppe um sie herum, die sie erdet, damit der Sieg über den Feind Alkohol nicht zur Selbstüberschätzung bzw. -beweihräucherung führt. Es wirkt daher, als brauche Martin Schulz diesen Zuspruch, dieses Gefeiertwerden.

Vom Äußerlichen her ist Martin Schulz eine Gemengelage aus dem eher jovial wirkenden Kurt Beck und dem nur anfangs saloppen, später umso eleganter auftretenden Gerhard Schröder, dem er auch vom vorgenannten Machtanspruch her ähnelt. Auch Gerhard Schröder ließ und lässt sich gerne feiern, sah die Geschicke der SPD gerne untrennbar mit den seinen verknüpft und ließ es sich nicht nehmen, von (sozialer) Gerechtigkeit zu reden, während er die Agenda 2010 verabschiedete, die die Sozialpolitik Deutschlands nachhaltig veränderte.

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk wusste Rudolf Dressler, damals Vizevorsitzender der SPD und Präsidiumsmitglied, dies so zu formulieren:

Man wird, selbst wenn man mit dem spitzen Bleistift arbeitet, der Regierung und auch den Mehrheitsfraktionen nicht nachweisen können, dass sie sozial ungerechte Beschlüsse gefasst hätten. Der entscheidende Punkt ist, dass viele in der Partei - das gilt jetzt nur für die SPD - rhetorisch den Eindruck erweckt haben, man würde es tun können oder man beabsichtige es. Bei der SPD ist der Versuch schon strafbar. Diese Vermischung von dem, was wir angeblich tun wollten oder was einige für die Partei tun wollten, und dem, was nun tatsächlich getan worden ist, diese Lücke haben wir nicht schließen können in der Rhetorik, in der öffentlichen Darstellung. Ich glaube nicht, dass man uns nachweisen kann, dass wir eine Politik betrieben haben, die sozial ungerecht wäre. Das haben wir nun kritisiert bei der Vorgängerregierung, und zwar nachweisbar. Bei uns ist das nun eben ein ganz sensibles Thema. Da dürfen wir auch nicht den Eindruck erwecken, es könnte bei uns passieren.

(Rudolf Dressler)