Sachbücher des Monats: Juni 2012

Die Top Ten unter den Sachbüchern nebst einer persönlichen Empfehlung

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Jeden Monat neu präsentiert von der Süddeutschen Zeitung, dem Norddeutschen Rundfunk, Buchjournal, Börsenblatt und Telepolis. (Die Jury )

Eine Autobiographie in Gesprächen

Spaemann ist der bedeutendste konservative Philosoph im In- und Ausland und bekennender Gegner der Nutzung der Atomkraft und der Genmanipulation.Die Mutter war Tänzerin bei Mary Wigman, sein Vater Kunsthistoriker. Seine Eltern waren links, atheistisch und lebten in der Berliner Bohème der Zwanziger Jahre. 1942, nach dem Tod seiner Mutter, wird der Vater zum katholischen Priester geweiht. 1944 ist Spaemann bei einem Bauer untergetaucht, er ist Deserteur im eigenen Land. Entdeckt man ihn jetzt, wird er sofort erschossen. Heute ist Robert Spaemann der bedeutendste konservative Philosoph im In und Ausland. In einem langen Gespräch mit Stephan Sattler resümiert er sein Leben, ganz unter der Maxime der Suche nach dem, "was in Wahrheit ist"

Klett-Cotta Verlag, 350 Seiten, € 24,95

Marx und das machiavellische Moment

Von Stuttgart und Madrid bis Kairo und Tel Aviv befinden sich die Menschen auf den Straßen, um ihre Rechte einzuklagen und für ihre Anliegen bei den Herrschenden Gehör zu finden. Nicht nur arabische Despoten, sondern auch repräsentative Demokratien scheinen sich mit dieser Demokratie von der Straße schwer zu tun. Vielleicht ist es daher an der Zeit, die Demokratie neu zu denken? Miguel Abensour unternimmt in seinem Buch einen solch anspruchsvollen Versuch. Überraschenderweise nimmt er für diesen Versuch seinen Ausgang bei Marx, der bislang nicht als bedeutender Demokratietheoretiker bekannt war. Abensour gelingt es jedoch, in den Texten des frühen Marx eine Theorie der "wahren Demokratie" freizulegen. In dieser fällt die Demokratie nicht mit dem Staat zusammen. Vielmehr entsteht sie aus dem Volk heraus, das eine öffentliche Sphäre für Konflikte schafft, die sich dann den staatlichen Apparaten und den in ihnen repräsentierten Machtverhältnissen entgegenstellt. Es ist eine solche "Demokratie gegen den Staat", die sich heute an vielen Orten der Welt Bahn bricht.

Suhrkamp Verlag, 269 Seiten, € 24,95

Geschichte und Gegenwart

Die Demokratie ist ins Gerede gekommen - die Wahlbeteiligung schwindet, die Skepsis der Bürger gegenüber den Politikern nimmt zu. Die Regierungen wirken machtlos im Kampf um die Regulierung der globalen Finanzmärkte. Zugleich ist in Nordafrika ein demokratischer Frühling erwacht, in den Millionen Menschen ihre Hoffnungen setzen, und in China rufen mutige Dissidenten wie Liu Xiaobo nach mehr Freiheit und Menschenrechten. Was aber meinen wir eigentlich, wenn wir von Demokratie sprechen? Warum gibt es ein Parlament, wie sind die Parteien entstanden? Brauchen wir mehr direkte Beteiligung des Volkes? Kommt die Demokratie in einer globalen und multikulturellen Welt an die Grenzen ihrer Möglichkeiten? Paul Nolte beantwortet diese und viele andere Fragen und zieht dabei immer wieder Entwicklungslinien von der Antike bis in das 21. Jahrhundert.

C. H. Beck Verlag, 512 Seiten, € 17,95

Die meisten unterschätzen, wie tief die Ökonomie in der Kultur verwurzelt ist. Nicht so Tomas Sedlacek. Er behauptet: "In der Ökonomie geht es um Gut und Böse. Es geht um Menschen, die Menschen Geschichten über andere Menschen erzählen. Selbst das ausgefeilteste mathematische Modell ist eine Parabel, eine Geschichte, mit der wir die Welt um uns herum zu begreifen versuchen." Sedlacek erschüttert unseren Begriff von Wirtschaft wie wenige vor ihm. Sein Buch ist ein Gang durch die Welt der Ökonomie - vom Gilgamesch-Epos über das Alte Testament und Adam Smith bis zur Wall Street und zur Wirtschaftskrise. Und ganz nebenbei erfahren wir, warum die Sprache der Wirtschaft, die Mathematik, nicht wertfrei und kühl ist, sondern schön und sogar verführerisch ...

Carl Hanser Verlag, 448 Seiten, € 24,90

Sprach- und kulturtheoretische Reflexionen im deutsch-jüdischen Kontext

In diesem Buch geht es um die Freilegung einer fast vergessenen Tradition der Sprach- und Kulturtheorie, die sich von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts erstreckt. Ihr Grundgedanke ist die Suche nach dem Sinn von Humanität, die Einsicht in die radikale Individualität menschlicher Lebensformen und die Forderung nach Anerkennung ihrer prinzipiellen Verschiedenheit. Der Leitfaden des Buches ist die Darstellung einer sprachphilosophischen Denkrichtung, die das alte Rätsel vom Ursprung der Sprache in die "Natur des Menschen" verlegt. Deutlich wird dabei, was immer schon implizit war: Jede Sprachtheorie enthält eine anthropologische These. In den sprachphilosophischen Reflexionen deutsch-jüdischer Denker von Heymann Steinthal und Moritz Lazarus bis zu Ernst Cassirer und Ludwig Wittgenstein wird über die Konsequenzen einer Theorie der Sprache nachgedacht, die ihre anthropologischen und kulturtheoretischen Implikationen mitbedenkt.

Velbrück Verlag, 232 Seiten, € 25,90

Systeme der reinen Vernunft und ihre Kritik 1785-1845

Das Buch zeichnet erstmals ein integrales Bild der Klassischen Deutschen Philosophie nach Kant, das auch weniger prominente Positionen einbezieht und nicht einem teleologischen Deutungsmuster folgt, also nach einer Vollendungsgestalt dieser Philosophie fragt. Kants Forderung, die Philosophie als "System der reinen Vernunft" auszuarbeiten, ist für die auf ihn folgende Generation von Philosophen - Reinhold, Fichte, Schelling, Hegel und die Frühromantiker Novalis, Schlegel und Schleiermacher - bestimmend gewesen. Ihre Verwirklichung hat jedoch unter den Bedingungen von Jacobis Charakterisierung und Kritik der Philosophie Spinozas als eines Vernunftsystems gestanden. Diese Spannung gibt der Klassischen Deutschen Philosophie nach Kant ihre alle internen Unterschiede übergreifende Einheit.

C.H. Beck Verlag, 749 Seiten, € 78,00

Band IV: Der hellenische Mensch in seiner zeitlichen Entwicklung

Jacob Burckhardts Griechische Culturgeschichte gehört zu den bedeutenden, bis heute nachwirkenden historischen Gesamtdarstellungen des 19. Jahrhunderts. Burckhardts skeptische Haltung gegenüber den Griechen - bei aller Anerkennung ihrer geistigen und künstlerischen Leistungen - bildet einen Kontrast zu den noch bis weit ins 20. Jahrhundert verbreiteten Idealisierungen des Griechentums. Jacob Oeri hat die Griechische Culturgeschichte - teils aufgrund einer ausgearbeiteten Fassung, teils aufgrund von Vorlesungsmanuskripten - von 1898 bis 1902 in vier Bänden ediert und dabei den Textbestand stark verändert. Die neue kritische Edition folgt erstmals ausschließlich Burckhardts Manuskript. Sie erschließt den Text durch einen Sachkommentar sowie ein Namen-, Orts- und Sachregister und erlaubt zum ersten Mal eine angemessene Würdigung dieses Meilensteins der Geschichtsschreibung.

C.H. Beck Verlag, 1414 Seiten, € 248,00

Geschichte Europas in unserer Zeit

Als 1989 die Mauer fiel und der Ostblock auseinanderbrach, verschoben sich die Koordinaten der Weltpolitik. Am spürbarsten waren die Folgen jedoch für Europa. In den letzten 20 Jahren erlebte Europa einen gewaltigen Zuwachs an Freiheit, politisch, gesellschaftlich und im Bereich der Wirtschaft. In gewisser Weise wird in der gegenwärtigen Krise die Rechnung für diese Entwicklung präsentiert. Die demokratische Transformation der Ostblockstaaten hat ebenso ihren Preis wie die Einführung des Euro, die eine nicht gekannte Freiheit im Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital möglich machte. Die Deregulierung der Finanzmärkte verursacht Folgekosten, die den Kontinent teuer zu stehen kommen. Und will die "Weltmacht Europa" es sich leisten, auch außerhalb des eigenen Kontinents offensiv für Freiheit und Menschenrechte einzutreten? In seiner Synthese schildert Andreas Wisching die politische, gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung des Kontinents seit 1989 und legt so die erste Geschichte des geeinten Europa vor.

C.H. Beck Verlag, 487 Seiten, € 26,95

Wie Gemeinschaften ohne Geld Werte schaffen

Irgendwann war es soweit: Die einzige Dorfwirtschaft in Bollschweil wurde geschlossen und somit der Treffpunkt für die Bevölkerung. Doch die Gemeinde im Badischen fand eine Lösung: 2010 eröffnete das genossenschaftliche Dorfgasthaus, ermöglicht durch Freiwilligenarbeit. Heute ist das Gasthaus sehr erfolgreich und beeinflusst die Entwicklung von Gemeindeleben und Gewerbe positiv. Für Alexander Dill ist diese Geschichte ein Musterbeispiel für die gelungene Aktivierung von Sozialkapital. Jenseits wirtschaftlicher Zwänge entstehen Formen von Wohlstand, die sich nicht direkt in Geld messen lassen. Werte wie Vertrauen, Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft geben Gemeinschaften die Chance, ihre Probleme mit nicht-materiellen Ressourcen zu lösen. Dill beschreibt derartige Erfolgsmodelle und präsentiert Methoden, das Sozialkapital im eigenen Umfeld zu erkennen und zu verbessern.

Oekom-Verlag, 208 Seiten, € 14,95

Eine Geschichte von Unterdrückung und Aufbruch

Die arabische Revolution wird, wenn sie Erfolg hat, ein ähnlich epochales Ereignis sein wie die friedliche Revolution von 1989 in Osteuropa. Mehr als 200 Millionen Araber zwischen Persischem Golf und Atlantik sind dabei, das Joch jahrzehntelanger despotischer Regime abzuschütteln und Anschluss zu finden an die freiheitliche, moderne Welt des Westens. Eugene Rogans Darstellung beginnt mit der Eroberung der arabischen Welt durch das Osmanische Reich zu Beginn des 16. Jahrhunderts und führt bis zum revolutionären Aufbruch unserer Tage. Es ist eine lange Geschichte der Unterdrückung und Ausbeutung, die Rogan eindringlich zu erzählen weiß. Aber auch die reiche Kultur dieser Länder und die vielen kaum bekannten Versuche der arabischen Völker in der Vergangenheit, sich gegen ihre Unterdrücker aufzulehnen und Freiheit und Wohlstand zu erlangen, werden anhand zahlreicher Originalquellen anschaulich dargestellt.

Propyläen Verlag, 736 Seiten, € 26,99

Besondere Empfehlung des Monats Juni von Daniel Haufler:

Wie der Westen seine Zukunft verspielt

Es scheint alles so klar und einfach zu sein: Auf keinen Fall dürfen die fanatischen Mullahs in Teheran in den Besitz der Atombombe gelangen. Lenken sie nicht ein, müssen sie eben die Konsequenzen tragen. Bis hin zum Krieg. Welche Beweise aber gibt es, dass der Iran tatsächlich nach Atomwaffen strebt? Und geht es in diesem Konflikt allein um die Bombe? 2003 führten die USA ihre "Koalition der Willigen" in einen Krieg mit dem Irak. Doch von den Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins fehlt bis heute jede Spur. 2012 droht ein Angriff auf den Iran - aus ähnlichen Gründen. Läuft der Westen Gefahr, innerhalb weniger Jahre zum zweiten Mal den falschen Krieg zu führen? Michael Lüders erklärt, warum Teheran im Fadenkreuz liegt und stellt scheinbare Gewissheiten infrage. Dabei erzählt er die Geschichte Irans seit dem Sturz von Premier Mossadegh durch einen britisch-amerikanischen Putsch 1953. Er zeichnet ein Bild der Islamischen Republik und beschreibt die machtpolitischen Verhältnisse zwischen Mittelmeer und Indien. Das Buch zeigt, wie gefährlich ein Angriff auf den Iran wäre. Er würde nicht allein die Hardliner um Präsident Ahmadinedschad stärken und die Opposition schwächen. Sondern auch, so die These, die gesamte Region in Brand setzen und wie ein Bumerang auf den Westen zurückschlagen.

C.H. Beck Verlag, 175 Seiten, € 14,95

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