Sachbücher des Monats: Mai 2019

Die Top Ten unter den Sachbüchern nebst einer persönlichen Empfehlung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Jeden Monat neu präsentiert von der Neuen Zürcher Zeitung, der Literarischen Welt, dem ORF-Radio Österreich 1 und Telepolis.

Harald Jähner
Wolfszeit
Deutschland und die Deutschen 1945 - 1955

Harald Jähners Mentalitätsgeschichte der Nachkriegszeit zeigt die Deutschen in ihrer ganzen Vielfalt: etwa den "Umerzieher" Alfred Döblin, der das Vertrauen seiner Landsleute zu gewinnen suchte, oder Beate Uhse, die mit ihrem "Versandgeschäft für Ehehygiene" alle Vorstellungen von Sittlichkeit infrage stellte; aber auch die namenlosen Schwarzmarkthändler, in den Taschen die mythisch aufgeladenen Lucky Strikes, oder die stilsicheren Hausfrauen am nicht weniger symbolhaften Nierentisch der anbrechenden Fünfziger. Das gesellschaftliche Panorama eines Jahrzehnts, das entscheidend war für die Deutschen und in vielem ganz anders, als wir oft glauben.
Rowohlt Berlin Verlag, 480 Seiten, € 26,00
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Ian Kershaw
Achterbahn
Europa 15950 bis heute

In "Achterbahn" nimmt Ian Kershaw die Jahre von 1950 bis heute in den Blick und spannt einen großen Bogen von der existentiellen Unsicherheit, die die Staaten Europas im Kalten Krieg durchlebten, bis zu den Herausforderungen, vor denen sie heute, in Zeiten ökonomischer und politischer Krisen, stehen. Trotz einer bis heute andauernden Phase des Friedens, so Kershaw, sind die Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs für Europa eine Achterbahnfahrt - voller Aufs und Abs, voller Nervenkitzel und Ängste. Und mit ungewissem Ausgang.
Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt.
Deutsche Verlags-Anstalt, 828 Seiten, € 38,00
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Wolfgang Huber
Dietrich Bonhoeffer
Auf dem Weg zur Freiheit

Dietrich Bonhoeffer gehört zu den wirkmächtigsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Sein Widerstand gegen Hitler hat weltweit Protestbewegungen gegen Unterdrückung und Ungleichheit inspiriert. Seine Briefe aus der Haft wurden als Neubeginn der Theologie verstanden. Wolfgang Huber stellt Bonhoeffers Denken in den Mittelpunkt seines Porträts und macht deutlich, warum die mutigen Entscheidungen des Ausnahme-Theologen auch heute Ansporn sein können.
C. H. Beck Verlag, 336 Seiten, € 26,95
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Svenja Flaßpöhler/Florian Werner
Zur Welt kommen
Elternschaft als philosophisches Abenteuer

Bereichert ein Kind die Liebe oder ersetzt es sie? Wie verändert das Elternsein die Wahrnehmung der Zeit? Und warum fühlt man sich als Vater beim Babyschwimmen geschlechtslos? Mit "Zur Welt kommen" legen Flaßpöhler und Werner keinen Ratgeber vor, der das Stillen, Wickeln und Füttern optimieren will, sondern eine Philosophie für Mütter und Väter, die jene existenzielle Dimension ausleuchtet, die in dem einfachen Satz steckt: Ein Mensch kommt zur Welt.
Blessing Verlag, 224 Seiten, € 18,00
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Siri Hustvedt
Eine Frau schaut auf Männer, die auf Frauen schauen
Essays über Kunst, Geschlecht und Geist

Der erste Teil untersucht die Fragen, die mitbeeinflussen, wie wir Kunst und die Welt im Allgemeinen sehen und beurteilen: Fragen der Wahrnehmung, Fragen des Geschlechts. Grundlagen dieser Diskussion sind etwa Werke von Picasso, de Kooning, Jeff Koons, Louise Bourgeois, Anselm Kiefer, Robert Mapplethorpe, Susan Sontag und Karl Ove Knausgard. Der zweite Teil befasst sich mit neurologischen Störungen und, unter anderem, mit den Rätseln von Hysterie und Synästhesie sowie mit der Selbsttötung.
Übersetzt von Uli Aumüller und Grete Osterwald.
Rowohlt Verlag, 528 Seiten, € 26,00
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Charles Darwin
Die Fahrt der Beagle
Darwins illustrierte Reise um die Welt

Im Dezember 1831 brach der damals 22-jährige Charles Darwin zu seiner fünfjahrigen Reise an Bord der HMS Beagle auf. Seine Beschreibung dieser Fahrt, die er nach seiner Rückkehr veröffentlichte, gehört zu den wichtigsten und berühmtesten Reisebeschreibungen überhaupt. Sie festigte seinen Ruf als Wissenschaftler und war die Quelle für seine berühmteste und umstrittenste Arbeit "Die Entstehung der Arten", die unser gesamtes Weltbild revolutionierte und Darwin zu einem der wichtigsten Gelehrten aller Zeiten machte.
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Theiss Verlag, 480 Seiten, € 28,00
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Frank Biess
Republik der Angst
Eine andere Geschichte der Bundesrepublik

Frank Biess erzählt die Geschichte der Bundesrepublik als eine Geschichte kollektiver Ängste. Die Furcht vor Vergeltung in der unmittelbaren Nachkriegszeit, die Angst vor einem Atomkrieg und kommunistischer Infiltration in den fünfziger Jahren und dann vor Arbeitslosigkeit durch Automatisierung und vor autoritären politischen Tendenzen, schließlich die apokalyptischen Ängste der achtziger Jahre: Immer waren die politischen Debatten und die deutsche Politik von Angst geprägt, nicht zuletzt von der Angst vor der vermeintlichen Allgegenwart des Faschismus.
Rowohlt Verlag, 624 Seiten, € 22,00
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Werner Plumpe
Das kalte Herz
Kapitalismus: Die Geschichte einer andauernden Revolution

Der Kapitalismus ist folgenreich wie wenige andere Ideen, und wir entkommen ihm nicht, nicht mal in der Verweigerung. Ihm liegt weder ein böser Wesenskern zugrunde, noch ist er die Summe missliebiger Begleiterscheinungen unseres Gesellschaftssystems. Plumpe zeigt den Kapitalismus als immerwährende Revolution - als eine Bewegung ständiger Innovation und Neuerung, die so gut oder schlecht ist, wie wir sie gestalten. Der Kapitalismus ist und war schon immer das, was wir aus ihm machen.
Rowohlt Berlin Verlag, 800 Seiten, € 34,00
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Elizabeth Anderson
Private Regierung
Wie Arbeitgeber über unser Leben herrschen (und warum wir nicht darüber reden)

Als Adam Smith und andere die Theorie freier Märkte entwickelten, war das ein progressives Projekt: Die Freiheit der Märkte sollte auch zur Befreiung der Lohnabhängigen führen - von den Zwängen obrigkeitsstaatlicher Strukturen, vor allem aber von der Gängelung durch die Arbeitgeber. In ihrem Buch zeigt Elizabeth Anderson, was aus dieser schönen Idee geworden ist: reine Ideologie in den Händen mächtiger ökonomischer Akteure, die sich in Wahrheit wenig um die Freiheit und die Rechte von Arbeitnehmern scheren.
Übersetzt von Karin Wördemann.
Suhrkamp Verlag, 259 Seiten, € 28,00
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Andreas Rödder
Konservativ 21.0.
Eine Agenda für Deutschland

Die Volksparteien sind in der Defensive. In den Jahren der großen Koalitionen hat sich der politische Meinungsstreit an die Ränder des politischen Spektrums verlagert. Sie werden immer stärker, während die politische Mitte weithin sprachlos bleibt. Die SPD befindet sich im freien Fall, doch auch die CDU verliert immer weiter an Wählerzuspruch - eine hochbrisante Entwicklung für das Parteiensystem und die parlamentarische Demokratie, wie wir sie kennen. Wie aber könnte ein neuer und zeitgemäßer Konservatismus aussehen, der diesen Trend umkehrt? Andreas Rödder analysiert zunächst die aktuelle Lage der deutschen Demokratie und definiert dann den Kern konservativen Denkens, um einen Konservatismus der Zukunft in zehn Thesen auf die konkreten Politikfelder anzuwenden: von der Europapolitik und den großen Themen Migration, Umwelt und Bildung bis hin zum Lieblingsthema der rechten Populisten: Heimat und Patriotismus.
C. H. Beck Verlag, 144 Seiten, € 14,95
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Besondere Empfehlung des Monats Mai von Markus Krajewski:

Hannah Fry
Hello World
Was Algorithmen können und wie sie unser Leben verändern

Keine Dimension unserer Welt, in der sie nicht längst Einzug gehalten haben: Algorithmen, diese unscheinbaren Folgen von Anweisungen, die im Internet sowieso, aber auch in jedem Computerprogramm tätig sind, prägen in wachsendem, beängstigendem Ausmaß den Alltag von Konsum, Finanzen, Medizin, Polizei, Justiz, Demokratie und sogar Kunst. Sie sortieren die Welt für uns, eröffnen neue Optionen und nehmen uns Entscheidungen ab - schnell, effektiv, gründlich. Aber sie tun das häufig, ohne uns zu fragen, und sie stellen uns vor neue, keineswegs einfach zu lösende Dilemmata. Vor allem aber: Wir neigen dazu, Algorithmen als eine Art Autorität zu betrachten, statt ihre Macht in Frage zu stellen. Das öffnet Menschen, die uns ausbeuten wollen, Tür und Tor. Es verhindert aber auch, dass wir bessere Algorithmen bekommen. Solche, die uns bei Entscheidungen unterstützen, anstatt über uns zu verfügen. Die offenlegen, wie sie zu einer bestimmten Entscheidung gelangen. Demokratische, menschliche Algorithmen

Ein Antidot gegen die vielbeschworene Macht der Algorithmen. Die Mathematikerin Fry geht umsichtig den Gefahren wie auch den Möglichkeiten nach, die im undurchschaubaren Kalkül der Maschinen einer Offenlegung harren. Ein Vademecum für alle Nicht-Informatiker auf ihrem Weg von Benutzten zu Benutzern.
Markus Krajewski

Übersetzt von Sigrid Schmid.
C.H. Beck Verlag, € 19,95
Buchkomplizen

Die Jury: Tobias Becker, Der Spiegel; Kirstin Breitenfellner, Falter (Wien); Dr. Eike Gebhardt; Daniel Haufler, Berlin; Prof. Jochen Hörisch, Universität Mannheim; Günter Kaindlstorfer, Wien; Dr. Otto Kallscheuer; Petra Kammann, FeuilletonFrankfurt; Elisabeth Kiderlen; Jörg-Dieter Kogel; Prof. Dr. Ludger Lütkehaus; Prof. Dr. Herfried Münkler, Humboldt Universität zu Berlin; Marc Reichwein, DIE WELT; Thomas Ribi, Neue Zürcher Zeitung; Prof. Dr. Sandra Richter, Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar; Wolfgang Ritschl, ORF Wien; Florian Rötzer, TELEPOLIS; Dr. Frank Schubert, Spektrum der Wissenschaft; Norbert Seitz; Prof. Dr. Joachim Treusch, Jacobs-University, Bremen; Dr. Andreas Wang; Michael Wiederstein, Schweizer Monat; Prof. Dr. Harro Zimmermann; Stefan Zweifel, Schweiz

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