Salafistische Strukturen in Ostwestfalen-Lippe

Seite 3: Salafisten-Hotspots Detmold und Herford

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Laut Birgit Ebel ist für den Raum Ostwestfalen-Lippe (OWL), speziell Detmold und Herford, bekannt, dass sich dort bundesweit aktive Islamisten und Hassprediger wie Pierre Vogel und Ibrahim Abou-Nagie schon ab dem Jahr 2008 Unterstützung sicherten. Im Oktober 2014 berichtete demzufolge die Lokalpresse, dass in Herford in der Nähe eines Supermarktes und des Kreishauses ein Koranlager von Ibrahim Abou-Nagie existierte.

Er hatte dort in einem türkischstämmigen Geschäftsmann aus der Autobranche einen Unterstützer gefunden, der fortan selber an Koranständen aktiv auftrat. Augenzeugen berichteten, dass Ibrahim Abou-Nagie persönlich mit einer schweren Limousine häufig durch Herford kurvte. Die Sicherheitsbehörden stuften Said O., einen mit seiner Familie in Herford lebenden Tschetschenen, als Gefährder ein.

Er steht in Verdacht, die Ausreisen junger Islamisten aus Herford und Umgebung zu organisieren. Alleine über aus Herford sollen acht junge Männer in das IS-Terrorgebiet ausgereist sein, darunter Dela T. (in Syrien Ende 2013 umgekommen), der türkischstämmige Murat D. (erschossen in Raqqa im Jahr 2016), Sebastian B., ein 28jähriger deutscher Konvertit und IS-Rückkehrer, der 2016 zu 4,5 Jahren Haft verurteilt wurde sowie Tarik S., ein Deutsch-Ägypter aus Bielefeld, der 2013 ausreiste und 2,5 Jahre im Dschihad war.

Der Bielefelder besuchte dort das "Islamische Zentrum" und driftete immer mehr ab. Einige Monate vor seiner Ausreise zog er nach Herford um, trat dort als Prediger auf. Am 16. März 2016 wurde er bei seiner Rückkehr am Frankfurter Flughafen vom SEK verhaftet. Er bekam 5 Jahre Haft. Laut RTL existieren Fotos, auf denen Said O. gemeinsam mit Sebastian D. und Murat B. zu sehen ist.

Die Assalam-Moschee

In Herford beobachten die Sicherheitsbehörden Lokalmedienberichten zufolge vor allem das dortige "Islamische Zentrum" mit der Assalam-Moschee. Sie bezeichnen die Moschee in der Ahmser Straße als "Salafistenzentrum". Vor allem arabisch-stämmige Muslime und viele der in OWL lebenden Tschetschenen besuchen diese Moschee. Anwohner berichten von Männern mit langen Bärten und Kaftans, von Frauen in Niqabs, die regelmäßig zum Freitagsgebet eintreffen.

Der Vorstand der arabischen Moschee gibt indes an, mit der salafistischen Szene nichts zu tun haben.

Im vergangenen Jahr geriet die Herforder Assalam-Moschee erneut in die Schlagzeilen: Einer der Moscheebesucher, der als Teil der salafistischen Szene Herfords gilt, forderte in der Schule einen Gebetsraum für seinen Sohn, "damit dieser pünktlich und ungestört das Freitagsgebet verrichten kann", wie die LZ schrieb.

Außerdem verbot der Mann seinem Sohn, an der Gitarren-AG teilzunehmen. Er weigert sich, den Lehrerinnen seines Sohnes die Hand zu geben, die Mutter wiederum verweigert den Lehrern den Handschlag. Ein Schüler einer anderen Schule löste das Problem eines fehlenden Gebetraumes auf seine Weise: Er verließ die Schule regelmäßig freitags, um am Gebet in der Assalam-Moschee teilzunehmen. Allerdings ohne Erlaubnis.

Da scheint er nicht der einzige zu sein: Constantin Schreiber erwähnt in seinem Buch "Inside Islam", dass ihm aufgefallen sei bei seinen Moschee-Besuchern, dass viele der Betenden minderjährig und somit schulpflichtig seien.

Der Terrormiliz "Hisbollah" angeschlossen

Bereits Mitte der 1990er Jahre geriet ein Detmolder ins Visier der Staatsschützer: Steven Smyrek hatte vorübergehend in Braunschweig gelebt, wo er offenbar Kontakt zu der Gruppe um den selbst ernannten "Kalifen von Köln", Metin Kaplan, bekam. Später zog er nach Herford, wo in einem türkischen Lokal die Kontakt zu fundamental-islamischen Gruppierungen verfestigte und sich schließlich der Terrormiliz "Hisbollah" anschloss.

1997 wollte er nach Israel einreisen, um Plätze für Terroranschläge auszukundschaften und sich selbst an einem davon in die Luft jagen. Das konnte glücklicherweise verhindert werden, Steven Smyrek wurde an der Grenze verhaftet. Er wurde zu 10 Jahren Haft verurteilt, die er in einem israelischen Gefängnis verbrachte.

Während der Haft lernte er arabisch. Nach fünf Jahren war er Teil eines Gefangenenaustauschs und durfte Anfang 2004 nach Deutschland ausreisen. Dort wollte er aber nicht bleiben, sondern in den Libanon ausreisen. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zufolge hatten die israelischen Behörden ihn allerdings nur unter der Bedingung ausreisen lassen, dass er nicht anschließend in den Libanon geht.

Usama Sadik A. und die Terror-Organisation Gamaa al-Islamija

Bereits wenig später, im Sommer 2005, erregte erneut ein islamischer Fundamentalist in Ostwestfalen die Aufmerksamkeit von Staatsschützern, wie die NW berichtete: "Usama Sadik A. (38), der Prediger des Islamischen Zentrums in Münster, ist nach Informationen dieser Zeitung von Hameln nach Porta Westfalica gezogen."

Laut NW war er "Mitglied der ägyptischen Terror-Organisation Gamaa al-Islamija. Die Organisation ist unter anderem für das Attentat von Luxor im Jahr 1997 verantwortlich, bei dem 58 Menschen ermordet wurden - darunter vier Deutsche. Wegen Mordes wurde er in Ägypten zu 20 Jahren Arbeitslager verurteilt, tauchte ab und beantragte in der Bundesrepublik Asyl".

Zurzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen A. und seinen in Minden lebenden Gesinnungsgenossen Ahmand C. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte das Ermittlungsverfahren, wollte aber zu weiteren Einzelheiten keine Stellung nehmen. Die Bielefelder Akten stammen vom Generalbundesanwalt (GBA) in Karlsruhe, der gegen den Prediger aus Porta Westfalica, den Mindener C. und einen zum Islam konvertierten Deutschen aus Münster (Marcel K., Anm. d. Verf.) 2003 wegen Terrorismus-Verdachts ermittelte.

Es sollen nach früheren Berichten Kontakte ins Umfeld des El-Kaida-Mannes Abu Mussab al-Zarqawi festgestellt worden sein, der derzeit als Kopf der Bombenleger im Irak gilt. Diese Ermittlungen - nach denen die Männer Anschläge auf US-Einrichtungen im Rhein-Main-Gebiet erwogen haben sollen - wurden auf Grund der Beweislage eingestellt, bestätigte eine GBA-Sprecherin. Nach einem Spiegel-Bericht aus dem Jahr 2001 werden A. über einen Mittelsmann Kontakte zum Todespiloten des 11. September, Mohammed Atta, nachgesagt, die aber von A. aufs Schärfste bestritten werden.

NW

Außerdem gehen die zuständigen Behörden von Kontakten zu Rabei Osman al-Sayed aus, der als Drahtzieher des Terroranschlags von Madrid im März 2004 gilt, bei dem 191 Menschen ums Leben kamen und mehr als 1.500 verletzt wurden.

Wie der Focus berichtete, stellte bei der Festnahme Rabei Osman al-Sayeds "Mitte 2004 in Mailand Italiens Anti-Terror-Polizei das Mobiltelefon des Top-Terroristen sicher. Gleich zweimal, auf der SIM-Karte und auf dem Gerätespeicher, hatte der enge Gefolgsmann von al-Qaida-Führer Osama bin Laden die Festnetznummer seines Freunds A. in der westfälischen Provinz eingetragen."

Es wird vermutet, dass die beiden Männer sich auf ihren Wegen im Jemen und in Jordanien begegnet sind. Mittels eines Kuriers, dem Algerier Benchohra K., einem Weggefährten Rabei Osman al-Sayeds, hielten er und A. Kontakt. Der Mittelsmann heiratete später eine Deutsche - eine Grundschullehrerin aus Minden. Usama Sadik A lebt mit seiner Familie ein paar Dörfer weiter.

Usama Sadik A. hat aufgrund der Verurteilung in Ägypten Asyl in Deutschland beantragt. Das ist ihm zwar nicht gewährt worden, aber Abschiebeschutz, da ihm in Ägypten die Todesstrafe drohte. Zwischenzeitig sollte er abgeschoben werden, doch das Verfahren zieht sich.

Er versucht, das Image des Geläuterten zu vermitteln, der seinen Glauben in bester Absicht lebt und bestreitet, politisch aktiv zu sein. Doch daran sind Zweifel mehr als angebracht. Die islamkritische Bloggerin Sigrid Herrmann-Marschall fand heraus, dass auch Usama Sadik A. aus dem Fundamentalismus eine Art Familientradition macht: In einem Video präsentiert er sich als "geehrter Sheikh Usama Ayub".