Sarkozy, selbsternannter Retter der französischen Medien

Der Präsident will der unter Druck geratenen Presse unter die Arme greifen. Vor allem aber wohl seinen reichen Freunden

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Am 2. Oktober wurden mit dem üblichem Pomp und Trara von Sarkozy, die Etats généraux de la presse ausgerufen. Binnen 2 Monaten sollen mit dieser Bestandsaufnahme Lösungen für die von Gratiszeitungen, Internet, Anzeigen- und Leserschwund bedrohten Presse gefunden werden. Letzten Dienstag wurde im Ministerrat dem Wunsch des Präsidenten die Werbung aus den öffentlich-rechtlichen Fernsehprogrammen zu verbannen, Folge geleistet. Über die Rolle, die Sarkozy mit seiner ambivalenten Beziehung zu den Medien einerseits und seiner freundschaftlichen Nähe zu einflussreichen Medienbossen andererseits bei diesen medialen Unternehmungen spielt, kann man sich so seine Fragen stellen. Sein Hang zu Medienmoguln scheint jedenfalls grenzüberschreitend zu sein, war er doch mal Berlusconi-Anwalt. Hat er sich da etwas im Umgang mit Medien und deren Handhabung abschauen können?

Die Presse trägt zum Gleichgewicht der Gewaltenteilung bei. Was schlecht ist für (die Presse), ist schlecht für die Demokratie. Die Presse ist ein wirtschaftliches Produkt, das den Gesetzen von Angebot und Nachfrage gehorcht. Sie muss rentabel sein. Das ist das beste Mittel für sie, um unabhängig zu bleiben. Aber die Presse wird nie ein Produkt wie jedes andere sein. Sie darf nicht bloß den Gesetzen der Marktwirtschaft überlassen bleiben.

Sarkozy in seiner Eröffnungsrede der Etats généraux

Und es sei durchaus auch eine Aufgabe des Staates zu versuchen, die Presse neu zu organisieren, da ja schließlich jedes Jahr fast eine Million Euro in die Presseförderung gesteckt würden. Die französische Presse laboriert laut Sarkozy nun schon seit 30 Jahren an zu hohen Druck- und Vertriebskosten und einer ungenügenden finanziellen Absicherung der Presseunternehmen. Zudem herrsche ein zunehmender Vertrauensverlust zwischen Journalisten und Lesern. Die Kultur der Unmittelbarkeit und Kostenlosigkeit des Internets, von Blogs und Web 2.0-Sites führten dazu, so der oberste Medientheoretiker der französischen Nation weiter, dass Journalisten und die zahlende Presse ihr Dasein nun rechtfertigen müssten. Diese Zukunftsängste der Profession gebe es natürlich nicht nur in Frankreich. Aber hier sei es besonders schlimm.

In 2 Monaten sollen nun 4 Arbeitsgruppen, geleitet von Presseprofis, die von Sarkozy ernannt wurden, eine erste Bilanz liefern, um die notwendigen Reformen auf gesetzlicher, steuerlicher und finanzieller Ebene angehen zu können. Eine dieser 4 Arbeitsgruppen, die den Industrieprozessen in der Presse gewidmet ist, wird von einem gewissen Arnaud de Puyfontaine, geleitet, seines Zeichens Präsident von Mondadori Frankreich An dieser Stelle sei daran erinnert, dass das Verlagshaus Mondadori zum Berlusconi-Imperium gehört.

Laut Le Monde hat Sarkozy schon des öfteren deutlich gemacht, dass er die Entstehung international agierender französischer Kommunikationsunternehmen wünsche. Zudem könnte die erlaubte Medienkonzentrationsschwelle gesenkt werden.

Gute Freunde helfen sich

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Starke Medien- und Industrienkonglomerate made in France gibt es bereits. So Dassault (zivile, militärische Luftfahrt und „Le Figaro“), Lagardère (Verlagswesen, u.A. Paris Match, Flugzeug- und Raumfahrtbranche), Bouygues (TV-Sender TF1, Bauwesen, Telefon) und Bernard Arnault (LVMH) Luxuswaren und das Wirtschaftsblatt Les Echos). Einige dieser Industriekapitäne stehen dem Präsidenten nahe. So Martin Bouyges, neben seiner Eigenschaft als Eigner des größten französischen Privatfernsehens TF1 auch Taufpate des jüngsten Sohnes Sarkozys. Arnaud Lagardère, und Bernard Arnault gelten ebenfalls als persönliche Freunde des Präsidenten.

Und bekanntlich wäscht eine Hand die andere: Anfang Januar dieses Jahres verkündete Sarkozy, überraschend auch für seine eigenen Minister, dass ab 5. Januar 2009 das öffentlich-rechtliche Fernsehen keine Werbung mehr senden darf. Vorerst gilt das Werbeverbot von 20 Uhr bis 6 Uhr in der Früh. Ab 2011 soll es total sein. TF1 wird nächstes Jahr laut Vorhersagen 57 % der 280 Millionen Euro Werbeeinnahmen vom öffentlichen France Télévisions einkassieren. Angesichts der Finanzkrise soll es allerdings zur Zeit nicht so toll um die TV-Werbung bestellt sein. Doch Rettung naht, da ab 1.Januar auch die erlaubte Werbezeit der Privaten erhöht wird. Was TF1 laut Schätzungen noch zusätzliche 310 Millionen Euro einbringen sollte. Damit dürfte sich wohl die Werbeflaute für den Präsidentenfreund Bouyges ein wenig besser überstehen lassen?

Ein weiterer reicher Bekannter des Präsidenten, Vincent Bolloré (Papierindustrie, Privat-TV und Gratiszeitungen), hatte ihm knapp nach seinem Wahlsieg zur Gratulation einen medial breit ausgewalzten Kurzurlaub auf seiner Luxusyacht gespendet. Motto: Seht her wie glücklich ich mit den Reichen und Mächtigen dieses Landes bin. Man wähnte sich in einer billigen Soap-Opera. Sarkozy, scheint die Veröffentlichung seines Privatlebens jedenfalls nicht zu scheuen. Allerdings nur so lange es ihm nutzt, denn immer lauter werden die Stimmen, die von Interventionen des Präsidenten in die Medien sprechen.

So soll er dafür gesorgt haben, dass der Chefredakteur des Magazins Paris Match (Lagardère) nach der Veröffentlichung von Fotos seiner Ex-Gattin Cecilia mit ihrem neuen Lover entfernt wurde. Die Kündigung des Star-Präsentators von TF1, Patrick Poivre d’ Arvor, soll politisch motiviert gewesen sein. Und ist es ein Zufall, dass einer der ehemaligen Chefs der Präsidentschaftskampagne Sarkozys, Laurent Solly, nun in der Generaldirektion von TF1 zu finden ist? Beispiele gibt es noch einige.

Jedenfalls genug, damit so manche von einer demokratischen Regression in den Medien unter Sarkozy, sprechen. So der François Malye, Generalsekretär des Forum des sociétés des journalistes, das 13 Pressetitel repräsentiert, im Juni. Zur Zeit würde von ganz Oben her der Versuch unternommen, die französischen Medien in den Griff zu bekommen. Sarkozy hat sich kürzlich selbst das Recht zuerkannt, den Generalintendanten von France Télévisions zu nominieren. Bislang war es Aufgabe der obersten Medienkontrollbehörde CSA, über die 5 öffentlich rechtlichen Sender zu wachen.

Das Verhältnis des Präsidenten zu den Medien und der Medien zum Präsidenten ist widersprüchlich, sorgt doch das Sarkozy-Universum, beispielsweise Cecilia und Carla, und sein geschickt inszenierter politischer Aktivismus auf internationalem wie nationalem Parkett für saftige Auflagensteigerungen: Letztes Jahr waren gleich 252 Titelgeschichten Sarkozy gewidmet. Der Sarkozy-Effekt soll 2007 dabei geholfen haben, 110 Millionen Zeitungsexemplare mehr als 2006 zu verkaufen.