Saudi-Arabiens Puppentheater mit Hariri: "Sie wissen genau, was sie tun"?

Seite 2: Hariri: "Rücktritt noch mal überlegen"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am gestrigen Sonntagabend gab Saad Hariri dem ihm engstens verbundenen libanesischen Sender Futur (al-Mustaqbal)-TV, der den gleichen Namen trägt wie seine Partei, ein Interview. Er sollte nun selbst die offenstehenden Fragen klären. Nach Aussage von Beobachtern war es ein sehr seltsames Interview.

Hariri erklärte u.a., dass er in Saudi-Arabien frei sei, dass er sofort reisen könne, wenn er wolle, dass er aber noch in einem Reflexionsprozess sei. In zwei oder drei Tagen würde er in den Libanon zurückkehren. An seiner Rücktrittserklärung halte er nicht unbedingt fest. Er warnte erneut vor der Einmischung Irans - in "allen arabischen Ländern", wiederholte den Zusammenhang mit der Hizbollah, deutete jedoch auch an, dass man ein "Gespräch mit der Hizbollah" über die Bewaffnung führen müsse.

Vier volle Gläser Wasser soll Hariri während des Interviews getrunken haben, eine glasklare Antwort, warum er nicht umgehend in den Libanon zurückkehre, was dort alle politischen Parteien forderten, blieb er schuldig. Videoausschnitte des Gesprächs zeigen einen Moment, wo er mit einer Geste einen Mann wegschickt, der einen Zettel in der Hand hält. In den sozialen Netzwerken wird dem Bedeutung beigemessen, weil viele der Ansicht sind, dass seine Rücktrittsrede in Saudi-Arabien vorformuliert war und er sie nur ablas.

Im gestrigen Interview, das zum Teil ungewöhnlich emotional war - Hariri brach laut Ha'aretz zwischendrin in Tränen aus -, widersprach Hariri dieser Ansicht und betonte, dass MBS für ihn wie ein Bruder sei.

Es gab, bis auf Mitglieder von US-Think Tanks, die eng mit Saudi-Arabien verbunden sind, wie Ali Shibabi von der Arab Foundation, kaum Beobachter, die vom Interview davon überzeugt wurden, dass von Saudi-Arabien kein Druck auf Hariri ausgeübt wurde, dass er ein freier Mann ist, dass er nicht für politische Zwecke instrumentalisiert wurde. Den meisten ist klar, dass Hariri von Saudi-Arabien als Marionette behandelt wird.

Die russisch-amerikanischen Abmachungen zu Syrien sind wichtiger

Die Frage ist, worin die politischen Ziele der pfuschigen Inszenierung bestehen. Einen Krieg im Libanon wollen weder die Libanesen, denen der jahrelange Bürgerkrieg im Land noch sehr gut in Erinnerung ist, noch die USA, wie Tillersons Äußerungen zur Affäre Hariri deutlich machen, weder die EU, die neue Kriegsflüchtlinge zu befürchteten hätte, noch Israel, dessen Regierung das Risiko für die eigene Bevölkerung bei einem Krieg mit der Hizbollah sehr gut einzuschätzen weiß.

Dazu kommt, dass die israelische Regierung im Augenblick wohl mehr an der russisch-amerikanischen Vereinbarung interessiert ist, die nach dem Treffen zwischen Trump und Putin veröffentlicht wurde. Daraus geht die Möglichkeit hervor, dass, wie von Israel gewünscht, eine Pufferzone an den syrischen Grenzen geschaffen wird, die frei von schiitischen Milizen, also auch der Hizbollah sein soll.

Die Vereinbarung deutet auch an, dass es bei den Abmachungen im Nahen Osten nach dem IS nicht in der Hauptsache um Konfrontationen gehen kann. Trump hat noch immer den Ehrgeiz, einen Friedensplan zwischen den Palästinensern und Israel zu entwickeln. Dazu braucht es Absprachen.

Militärische Konfrontationen oder das Signal der Bereitwilligkeit dazu gehören als Druckmittel zur politischen Verhandlungsmasse, aber wer würde in einer solchen Konstellation tatsächlich einen Krieg im Libanon riskieren?

Libanon: Saudi-Arabien macht sich unbeliebt

Iran war mit den Drohgebärden aus Saudi-Arabien nicht übermäßig zu beeindrucken. Was also bleibt Prinz MBS als (vorläufiges) Ergebnis der Hariri-Affäre? Hauptsächlich der Versuch, erneut Iran als Sündenbock für den Krieg im Jemen hinzustellen. Allerdings wurde vergangene Woche auch für jeden auch halbwegs Informierten erneut klar, dass Saudi-Arabien im Jemen brutal vorgeht.

Im Libanon erfolgte auf die Drohgebärden aus Saudi-Arabien eine Reaktion, die Solidarität über mehrere Fronten hinweg gegen den Versuch der Einmischung von außen herstellte. Der Einfluss Saudi-Arabiens ist, um es milde zu formulieren, nicht gerade gestiegen. Auf Abstand gebracht werden Libanesen, besonders Geschäftsleute, auch mit der Drohung aus Riad, dass man gegebenenfalls sämtliche libanesische Unternehmer aus Saudi-Arabien ausweisen würde.

So demonstriert man Macht und riskiert, sie zu verlieren.

Dass Hariri in seinem Interview andeutete, dass man mit der Hizbollah reden solle, ist ein Indiz dafür, dass der Führung in Riad eine Ahnung gekommen ist, dass der harte Konfrontationskurs wahrscheinlich der falsche Ansatz war. Man rudert in kleinen Schritten zurück. Da hat sich jemand überschätzt und wurde sachte zurückgepfiffen. Man darf gespannt sein, was diesem Fiasko folgt.