Schlechte Aussichten für 2010
Die EU-Finanzminister glauben nicht einmal mehr an eine Erholung 2010, in Rumänien droht die Staatspleite
Die EU-Finanzminister nehmen intern Abschied von ihren Positivprognosen. Statt einer wirtschaftlichen Erholung, die sie bisher für das zweite Halbjahr 2009 angekündigt hatten, zweifeln sie nun sogar daran, dass es 2010 zu einer Erholung kommen werde. Auch über die Senkung der Mehrwertsteuer wird debattiert, welche die EU-Kommission schon im November vorgeschlagen hatte. Sie war auch auf den Widerstand der Bundesregierung gestoßen. Beraten wird in Brüssel zudem über die drohende Staatspleite Rumäniens. Das Land soll nach Ungarn und Lettland nun auch mit einem Notkredit gerettet werden.
Die Berufsoptimisten beginnen Klartext zu reden, wenigstens wenn sie sich intern austauschen. Hatten die Finanzminister bisher ihren Bevölkerungen vorgebetet, es sei schon im zweiten Halbjahr 2009 mit einer wirtschaftlichen Erholung in der EU zu rechnen, schlagen sie nun andere Töne an. Es sei „höchst unsicher“, ob das Wachstum 2010 wieder anspringe, heißt es in einem Papier der Minister für den EU-Gipfel am 19. März. Das Dokument liegt der Financial Times Deutschland vor, die daraus zitiert hat.
Damit wird deutlich, dass auch die offiziellen Konjunkturprognosen der EU als Makulatur angesehen werden dürfen. Noch im Januar hatte Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia öffentlich verkündet, es werde bereits im laufenden Jahr zu einer Verbesserung der Lage kommen. Allerdings wurde auch der spanische Sozialist immer vorsichtiger und Link auf /blogs/8/122363 schon Ende Januar davor, dass die die Bankenrettung scheitern könnte.
Da sich die Prognosen stets als zu optimistisch erweisen, selbst wenn man sich wie in der USA mit einem Worst-Case-Szenario versuchte, gehen nun intern auch die EU-Finanzminister davon aus, dass die Weltwirtschaftskrise deutlich tiefer gehen und länger anhalten wird. Wasser auf die Mühlen hatte am Montag auch die Weltbank gegossen, die ihre negative Prognose vom Dezember weiter nach unten revidierte und vor einer Link auf /blogs/8/134234.
Die EU-Finanzminister sprechen davon, dass die EU-Volkswirtschaften vom Schrumpfen der Wirtschaftsleistung, historisch niedrigem Verbraucher- und Geschäftsvertrauen sowie ausgetrockneten Kreditflüssen geprägt seien, zitiert die FTD aus dem internen Papier, das heute verabschiedet werden soll: „Negativspiralen zwischen der Realwirtschaft und den Finanzmärkten verschlimmern die Situation.“
Doch so ganz scheinen die Minister nicht begriffen zu haben, was diese Diagnose bedeutet, wenn gleichzeitig in dem Papier steht: „Die meisten Mitgliedsstaaten werden ihre Konsolidierungsanstrengungen 2010 beginnen.“ Nur so könne vermieden werden, dass die Märkte hoch verschuldete Regierungen Link auf /blogs/8/122117. Wie die Konsolidierung bei fallenden Einnahmen durchgeführt werden soll, ist ein Geheimnis der Minister. Ein Widerspruch dazu ist auch, dass den Mitgliedsländern „längere Fristen bei der Korrektur“ eingeräumt werden soll. Denn das Haushaltsdefizit nimmt in einigen Ländern dramatische Ausmaße an. Erlaubt die EU nur 3 %, wird in Irland 2009 ein Defizit von fast 10 % erwartet, schon 2008 waren es fast 7 %. Ähnlich wird es 2009 auch in Großbritannien und Spanien aussehen.
Dazu zeichnet sich ab, dass nach der Link auf /blogs/8/119299 diese Konsumsteuer auch in anderen Ländern herabgesetzt werden wird, um über die erhöhte Kaufkraft die Konjunktur zu stützen, womit aber weitere Einnahmen wegbrechen. Als EU-Kommissionpräsident José Manuel Barroso die Senkung anregte, stieß er auch auf heftigen Widerstand in Berlin. Doch auch hier nähert sich die Bundesregierung offenbar der Realität an, weil ihr klar wird, dass die Mittelstandsförderung über ihr Konjunkturpaket kaum etwas bewirken wird. Dass die deutschen Exporte im Januar im Vergleich zum Vorjahr sogar um 20,7 % zurückgegangen sind, deutet an, welche Probleme dem Exportweltmeister noch blühen.
Vor dem Treffen in Brüssel lenkte Peer Steinbrück ein: „Ich werde mich in begrenztem Maße kompromissfähig zeigen, in ausgesuchten Feldern", sagte er. Allerdings sei er nicht bereit, für einen Kompromiss „jeden Preis zu bezahlen“. Deutschland, Dänemark und Österreich hatten zuvor die notwendige Einstimmigkeit blockiert. Vorgeschlagen wurde, ein Wahlrecht einzuführen, die Mehrwertsteuer auf diverse Dienstleistungen unter den EU-Mindestsatz von 15 % zu senken. Neben Fahrradreparaturen, Haareschneiden oder Putzen will Frankreich zum Beispiel das Essen in Restaurants verbilligen, Großbritannien und die Niederlanden energiesparende Produkte, die Griechen Agrarmaschinen, die Schweden Hörbücher…
Beraten wird in Brüssel auch über einen Notkredit für Rumänien, dem nach Ungarn und Lettland die Staatspleite droht. Die Verhandlungen werden alsbald beginnen, teilte Almunia mit. Nach Angaben der rumänischen Regierung benötigt das Land kurzfristig etwa 10 Milliarden Euro. Wegen der hohen Auslandsverschuldung und des großen Außenhandelsdefizits gilt Rumänien als eines der anfälligsten Länder in Osteuropa. Das erst im Dezember verdoppelte Budget verfügt nach den bisher gewährten Notkrediten über eine Summe von 15 Milliarden Euro. Angesichts der Probleme in Osteuropa kann eine Aufstockung schon jetzt vorhergesagt werden.
Da Österreich schwer von der Lage in Osteuropa gebeutelt wird, verwundert nicht, wenn der österreichische Finanzminister Josef Pröll fordert, den Finanzrahmen von derzeit 25 Milliarden Euro auszudehnen, der Ländern außerhalb des Euro-Raums gewährt werden darf. Der Bundesfinanzminister hält eine Aufstockung der Finanzmittel derzeit für unnötig.