Schleuser-Business in Libyen: Die Erpresser Europas

Seite 2: Die Konsequenzen einer Politik mit Kriminellen: Erpressbarkeit

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Der schwierigere Punkt für Salvini liegt in der Erpressbarkeit Italiens durch die Milizen in Libyen, die in der Küstenwache mitbestimmen, bei der Lageraufsicht und beim "Grenzschutz" in Libyen selbst. Sie sind die Türwächter und sie sind mit dem Schlepper- und Schleusergeschäft eng verknüpft. Sie lassen ablegen und sie lassen die Schlauchboote an der libyschen Küstenwache vorbei passieren.

Die Frage ist nun, wie sich das Geschäft verändern wird, wenn es keine NGO-Rettungsschiffe mehr außerhalb der Such- und Rettungszone (SuR) in Libyen geben wird, die über die Seenotrettungsleitstelle in Rom gerufen werden können. Werden es dann EU-oder Nato-Schiffe sein, Handelsschiffe?

Wie flexibel das Geschäft der Milizen ist, zeigt der genannte Artikel des Afrika-Korrespondenten von Le Monde. Sabratha ist längst nicht mehr der Hauptablegeort, auch der Schleuser-Betrieb in Sawija lässt nach, dafür werden jetzt in Garabulli-Khoms und Zowara (auch: Zaouïa), deutlich mehr Abfahrten verzeichnet.

Die Schlepper-Geschäftstüchtigkeit im letztgenannten Ort ist bemerkenswert, weil es dort nach einem verheerenden Unglück mit vielen Leichen am Strand vor Jahren Proteste im Ort gegen Schlepper gegeben hat und sich eine Gruppe "Maskierter" gebildet hatte, die das Schleppergeschäft schon am Festland verhinderte.

Jetzt scheint die Katastrophe vergessen und andere Vorteile größer. Die Maskierten halten den Schlepperbetrieb nicht mehr auf. Das ist relevant, wenn man sich vor Augen hält, womit der Rückgang der Migranten, die übers Meer nach Italien kommen, vor allem zu tun hatte: Dass weniger ablegt haben, weil dies von Milizen verhindert wurde, die dafür Geld bekamen, um das, was Le Monde "obskure Abmachungen" zwischen Italien und relevante Vertreter Libyens nennt, auf einen einfachen Nenner zu bringen. In Garabulli-Khoms versicht Italien nun das nächste Abkommen mit Milizen

Konsequenzen dieses Konzepts sehen dann so aus:

"Wie Sie wissen - sagte ein Sprecher der libyschen Miliz in den letzten Tagen - gibt es 52.031 potenzielle Asylbewerber in unseren Lagern aus Syrien, dem Sudan, Palästina und Eritrea. Wenn sie gehen, sollten Sie sie alle fangen. Besser also, dass sie nicht gehen": Das mehr als ein Ratschlag, es ist eine Bedrohung, und nicht einmal versteckt.

Umberto De Giovannangeli

Die Schleusenwächter

Dass das Schlepperbusiness in Sabratha, das zuvor als Hauptablegeort für Boote mit Migranten bekannt war, in der zweite Hälfte des vergangenen Jahres beinahe völlig zum Erliegen kam, hängt mit den Milizen und den Schlüsselfiguren dort zusammen. Ähnliches gilt für Sawija.

Die Hauptfiguren, Dabbashi und Mosaab Abu Grein (auch: Musaab Abu-Qarin) in Sabratha sowie Mohamed Kochlaf und Abdelrahman Milad für Sawija sind kürzlich vom UN-Sicherheitsrat mit Sanktionen bestraft und gebrandmarkt worden (siehe UN-Sanktionen gegen Drahtzieher des Schleppergeschäfts).

Der Spiegel beschrieb im September 2016 Mosaab Abu Grein nach Worten von Fahndern in Tripolis als "libyschen König des Menschenhandels". Er soll laut Anklage, die sich im UN-Sanktionsdokument wiederfindet, allein im Jahr 2015 45 000 Menschen nach Europa geschmuggelt haben.

Die Anklage beruht allerdings, wie auch im Spiegel-Bericht hervorgeht, auf Aussagen eines früheren Komplizen. Da ist es freilich gut möglich, dass Anschwärzen im Spiel ist. Es zeigt sich auch bei den UN-Dokumenten und anderen Berichten, dass die Konkurrenz zwischen den Milizen sehr ausgeprägt ist, wie auch die Verbindungen zwischen Abhalten und Durchlassen von Migranten.

Wenn sich die EU beim sogenannten "Flüchtlingspakt" mit Erdogan auf das Gutdünken eines Diktator eingelassen hat, der für viel Geld den Schleusenwärter spielt, so lässt sich die EU zusammen mit der italienischen Regierung auf das Gutdünken einer Schleppermafia ein, die für viel Geld die Schleusen in Nordafrika regelt.

Das ist schwer zu übersehen und das sollte man im Hinterkopf parat haben, wenn von "kriminellen NGOs" die Rede ist. An den wichtigen Schrauben drehen andere und die italienischen Behörden kennen sie über vielen Jahre sehr gut.