Schock für Unternehmen: Öko-Werbung könnte bald richtig teuer werden

Wo Klimaschutz draufsteht, soll er auch drin sein. Weil das nach Ansicht der EU-Kommission nur selten der Fall ist, drohen schmerzhafte Bußgelder. Das kommt auf Unternehmen zu.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit liegen voll im Trend. Viele Menschen suchen nach Produkten, die einen geringen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Unternehmen haben diesen Trend längst erkannt und werben mit Begriffen wie "klimaneutral" oder "CO₂-neutral".

Es soll ozeanfreundliche T-Shirts geben, CO₂-neutrale Bananen und bienenfreundliche Säfte. Selbst manche der billigsten Tiefkühlpizzen tragen Siegel, die bescheinigen sollen, dass ein Teil des gezahlten Geldes in den Klimaschutz fließt.

Solche Marketingstrategien könnten sich allerdings bald rächen. Die EU-Kommission arbeitet an einer neuen Richtlinie gegen Greenwashing, also gegen irreführende Umweltaussagen. Die Auswirkungen dürften enorm sein.

Schmerzhafte Bußgelder für irreführende Werbung

Der Entwurf sieht Bußgelder von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes vor. Für Unternehmen könnte sie zu einem unkalkulierbaren Millionenrisiko werden, berichtet das Handelsblatt. Dort werden bei den Folgen sogar Parallelen zum Dieselskandal gesehen.

Besonders problematisch ist, dass die EU-Richtlinie laut Experten in vielen Bereichen mittelbar rückwirkend gelten könnte. Das bedeutet, dass Unternehmen für bereits getätigte Aussagen abgemahnt werden können, sobald die Richtlinie in nationale Gesetze umgesetzt ist.

In dem Bericht heißt es, dass viele Firmen bereits jetzt verunsichert sind. Die Schweizer Unternehmensberatung hat South Pole hat sich demnach mit 1.200 Unternehmen aus zwölf Ländern beschäftigt. Ein Viertel der Firmen schweige zu ihren Klimazielen – aus Angst vor Konsequenzen.

Warum die EU-Kommission die neue Richtlinie erarbeitet

Bereits im März hatte die EU-Kommission darauf verwiesen, dass viele Werbeaussagen etwa zur Klimaneutralität von Produkten nicht oder kaum durch Nachweise oder sonstige Informationen untermauert würden. Und dies könne zu Greenwashing führen.

Bei dieser Grünfärberei werden Produkte oder Verfahren umweltfreundlicher dargestellt, als sie es wirklich sind. Dies ist sowohl irreführend für die Kundinnen und Kunden als auch unfair gegenüber anderen Unternehmen, die sich tatsächlich um die Verbesserung ihrer Umweltleistung bemühen.

Die EU-Kommission beruft sich in ihrer Argumentation auf eine Studie aus dem Jahr 2020. Diese kam zu dem Ergebnis, "dass 53,3 Prozent der überprüften Umweltaussagen vage, irreführend oder unfundiert und 40 Prozent gar nicht belegt waren".

Sie verwies auch auf die Vielfalt der Umweltsiegel, von denen etwa 230 ermittelt wurden. Durch sie werde das Vertrauen der Verbraucher untergraben, da es zwischen den Siegeln große Unterschiede im Hinblick auf Fundiertheit und Zuverlässigkeit gebe.

DUH geht das Problem mit Klagen an

In Deutschland ist es etwa die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die bereits gegen irreführende Werbung mit Klagen vorgeht. Erst kürzlich teilte sie mit, mehrere Erfolge erzielt zu haben. Sie rief auch alle Unternehmen auf, sofort auf irreführenden Werbeaussagen auszusteigen.

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch erklärte dazu:

Unsere bisher durchweg erfolgreich verlaufenden Gerichtsverfahren wie auch die außergerichtlichen Einigungen zu irreführenden und verbrauchertäuschenden Klimaneutralitätsversprechen senden ein deutliches Signal an alle Unternehmen: Statt sich über zum Teil dubiose Kompensationsprojekte ein grünes Image zu verpassen, sollten Unternehmen ehrlich die Umweltauswirkungen ihrer Produkte selbst reduzieren und vermeiden und darüber in einen Wettbewerb um das beste Produkt treten.

Die Deutsche Umwelthilfe hält nach eigenen Angaben Begriffe wie "umweltneutral", "klimaneutral", "CO₂-neutral" oder "klimapositiv" generell für irreführend. Es werde suggeriert, Verbraucher könnten ohne schädliche Klimaauswirkungen konsumieren.

Einen Erfolg verbuchte die DUH gegen den Energiekonzern TotalEnergies. In dem Verfahren wurde eine Werbung beanstandet. Mit ihr sei Verbrauchern "gegen einen Aufpreis von einem Cent je Liter ‚CO2-kompensiertes‘ Heizöl versprochen" worden. Weiter heißt es dazu:

Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 4.000 Litern Heizöl im Jahr müssten Verbraucherinnen und Verbraucher demnach nur 40 Euro Mehrkosten auf sich nehmen. Das Landgericht Düsseldorf führte aus, dass Verbraucherinnen und Verbraucher im Unklaren gelassen würden, in welchem Umfang mit dem Einsatz von Heizöl einhergehende klimaschädliche Emissionen überhaupt von der angegebenen Kompensation umfasst sein sollen.

Unabhängige Prüfer sollen zertifizieren

Gerichtsverfahren brachten zwar bisher Erfolge; aber sie haben den Nachteil, dass in jedem Einzelfall eine unlautere Werbeaussage nachgewiesen werden muss. Mit der neuen Richtlinie werde nun die Beweislast umgekehrt, heißt es im Handelsblatt. Ein Jurist wird mit den Worten zitiert:

Künftig müssen Unternehmen jede einzelne Aussage zur Umweltwirkung wissenschaftlich belegen, wenn sie keine rechtlichen Konsequenzen einschließlich potenzieller Strafzahlungen riskieren wollen.

Der Entwurf der EU-Richtlinie sieht vor, dass alle umweltbezogenen Werbeaussagen vorab von einer unabhängigen Prüfstelle zertifiziert werden müssen. In Deutschland könnte unter anderem der TÜV diese Aufgabe übernehmen. Dieser Prozess wird jedoch teuer, da die Zertifizierung pro Werbeaussage bis zu 54.000 Euro kosten kann. Weiterhin müssen Unternehmen vorab wissenschaftliche Studien in Auftrag geben, um ihre Aussagen zu untermauern.

Bisher begründen viele Firmen ihre Aussage, ein Produkt oder die gesamte Produktion sei "klimaneutral", damit, dass sie Emissionen durch den Kauf von Zertifikaten aus Klimaschutzprojekten ausgleichen. Das wird künftig so nicht mehr möglich sein.

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