Schon wieder David gegen Goliath

Im Vorfeld der 5. WTO-Konferenz protestieren Nicht-Regierungsorganisationen gegen das geplante Investitionsabkommen

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Der Vorwurf fehlender Hartnäckigkeit gehört aller Voraussicht nach zu den wenigen, den man international agierenden Großkonzernen und ihren politischen Interessenvertretungen nicht machen kann. Seit nunmehr sieben Jahren versuchen die reichen Industrienationen auf den Ministerkonferenzen der Welthandelsorganisation (WTO) ein Investitionsabkommen durchzusetzen, das bislang auf den erbitterten Widerstand der Entwicklungsländer gestoßen ist.

Doch seit dem letzten Gipfeltreffen in Doha scheint der Widerstand wenn nicht gebrochen, dann doch soweit aufgeweicht zu sein, dass im Umfeld der nächsten Ministerkonferenz, die vom 10. bis 14. September im mexikanischen Cancún stattfindet, mit der Verabschiedung einer entsprechenden Vereinbarung gerechnet werden muss.

Nicht-Regierungsorganisationen wie das Aktionsbündnis attac, die Schweizer Erklärung von Bern wollen das Investitionsabkommen unbedingt verhindern und bemühen sich deshalb schon im Vorfeld der Konferenz um die Mobilisierung einer breiten Öffentlichkeit. Vom 5. bis 6. September wird an der Technischen Universität Berlin der Kongress "Fatal global?!" stattfinden, im Internet laufen die Protestaktionen bereits seit Monaten. Das ist insofern beruhigend als sich auch die "Gegenseite" mit außerordentlicher Akribie auf das große Ereignis vorbereitet.

Auf der Homepage des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit finden Interessierte zahllose Links zu Verhandlungspunkten, die der Europäischen Union besonders am Herzen liegen. Wer sich nicht durch den Dokumentendschungel quälen mag, wird aber auch sehr direkt über die Ziele der deutschen bzw. europäischen Verhandlungsführer informiert. So verfolgt Wolfgang Clement nach Auskunft seines Ministeriums "substantielle, offensive Interessen. Verbesserungen des Marktzugangs für die exportorientierte deutsche Wirtschaft, z.B. durch Abbau von Zöllen und die Öffnung neuer Märkte für deutsche Dienstleistungen können erhebliche Wachstums- und Beschäftigungsimpulse bringen. Transparente Regeln über Investitionen, Wettbewerb, öffentliches Auftragswesen und weniger Bürokratie in den Zollverfahren schaffen bessere Rahmenbedingungen im Ausland, gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen."

Auf die Vertreter der reichen Industrienationen wartet jetzt nur noch die Aufgabe, die "Entwicklungsländer (Wortführer Indien) von den Vorteilen eines multilateralen Investitionsabkommens zu überzeugen." Dass diese Vorteile überhaupt existieren, wird von zahlreichen Nicht-Regierungsorganisationen allerdings bezweifelt. Der BUND geht davon aus, dass ein Investitionsabkommen auf den WTO-Grundsätzen Marktzutritt, Meistbegünstigung und Inländerbehandlung basiert und das Recht einzelner Staaten, soziale und/oder ökologische Auflagen zu machen, deutlich einschränkt. Schon die bisherigen Investitionsabkommen wie das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA oder die bis dato 130 deutschen bilateralen Vereinbarungen wären fast ausschließlich den Konzernen der großen Industrieländer zugute gekommen. Konkret bedeute das u.a.:

Investitionsabkommen hemmen in ihrer jetzigen Form die individuelle Entwicklung der betroffenen Länder und gefährden lokale und regionale Wirtschaftskreisläufe. Sie schmälern die Fähigkeit der Gastländer, Investitionen, die gezielt die nationale Entwicklung fördern, sicherzustellen. (...) Bestehende Investitionsabkommen schränken die Möglichkeit von Staaten und Gemeinden ein, natürliche Rohstoffe durch Einschränkungen und Regulierungen effektiv zu schützen. (...) Nationale und lokale Regeln zum Schutz von Umwelt und Gesellschaft können mit einem "investor-to-state" Streitschlichtungsverfahren wirkungsvoll von multinationalen Konzernen angefochten werden.

Die Nicht-Regierungsorganisationen fordern anstelle eines WTO-Investitionsabkommens eine Konvention der Vereinten Nationen, die den Investoren nicht nur Rechte gewährt, sondern auch Pflichten auferlegt. Dazu gehört eine Berichtspflicht über die ökologischen und sozialen Folgen ihrer Tätigkeit, die Festschreibung von Konsultationen mit den Betroffenen nebst einer Firmenhaftpflicht, ein globales Klagerecht und ein Gemeinschaftsrecht auf Ressourcen, hohe Standards für Unternehmensverhalten und entsprechende Strafandrohungen im Falle der Zuwiderhandlung, die bis zur Suspendierung einer Firma von den globalen Aktienmärkten reichen sollen.

Dass diese Vorschläge in Cancún eine entsprechende Berücksichtigung finden, da die europäischen Begehrlichkeiten (mindestens) noch von Japan, Kanada und Südkorea unterstützt werden, ist allerdings nicht unbedingt wahrscheinlich ...