Schottland: Verunsicherung vor dem Referendum

Unabhängigkeitsgegner warnen vor dem Euro

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Drei Tage vor der Volksabstimmung über eine Unabhängigkeit des Landes liegen in aktuellen Umfragen wieder die Gegner einer Unabhängigkeit vorn - allerdings sehr knapp. Dass sie aufholten, könnte unter anderem an Ankündigungen der Finanzkonzerne Royal Bank of Scotland (RBS) und Lloyds liegen, ihre Hauptsitze im Fall einer Unabhängigkeit nach London zu verlagern.

Dass durch diese Verlegung viele Arbeitsplätze betroffen sein werden, ist allerdings unwahrscheinlich: Lloyds hat sein Zentralbüro bereits jetzt in der britischen Hauptstadt - die Verlegung wäre hier eine rein rechtliche Maßnahme, mit der sichergestellt werden soll, dass die britische Zentralbank, die Bank of England, den Finanzkonzern im Bedarfsfall weiterhin "retten" würde. Zentralbankgouverneur Mark Carney hatte vorher angekündigt, dass solch eine Rettungsgarantie nach einem Yes-Votum der Schotten während der der Abspaltungsverhandlungen (die voraussichtlich bis März 2016 laufen) weitergelten würde - danach könne es sein, dass man schottischen Banken nicht mehr helfe, wenn sie sich in die Pleite wirtschaften.

Nicht alle Schotten schreckt solch ein Szenario: Wenn die Banken nicht damit rechnen können, jederzeit von einer Zentralbank auf Kosten der Steuerzahler gerettet zu werden, dann agieren sie wahrscheinlich etwas umsichtiger. Dass in solch einem Fall Hypotheken weniger locker vergeben und teurer werden (wie viele britische Zeitungen prophezeien), sehen bei weitem nicht alle schottischen Steuerzahler als Nachteil.

Sollten die Abspaltungsverhandlungen ergeben, dass die Garantie der Bank of England nicht mehr für schottische Banken gilt, dann könnte Schottland das Pfund trotzdem weiter als Währung verwenden. Beispiele dafür, dass in einem Staat die Banknoten und Münzen eines anderen Hauptzahlungsmittel waren oder sind, gibt es zuhauf: Im Kosovo und in Montenegro wird beispielsweise mit Euro gezahlt, obwohl die Länder nicht in der EU sind, und in Ecuador, El Salvador, Panama und zahlreichen afrikanischen, pazifischen und karibischen Staaten ist der US-Dollar gesetzliches Zahlungsmittel.

Solch ein Szenario hätte für Schottland den Vorteil, dass das Land keinen Anteil an den beträchtlichen britischen Staatsschulden übernehmen würde, wie der schottische Regionalregierungschef Alex Salmond bereits angekündigt hat. Dass eine von der Scottish National Party (SNP) gestellte Regierung eine eigene neue Währung einführt, ist möglich, aber eher unwahrscheinlich: In diesem Fall müsste die Partei nämlich Steuergelder für den Aufbau einer Reserve verwenden und hätte weniger Geld für die Erfüllung ihrer zahlreichen Wahlversprechen zur Verfügung.

Schottischer Penny aus dem 14. Jahrhundert. Foto: CNG (Classical Numismatic Group, Inc.). Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Eine dritte Möglichkeit - die Einführung des Euro - wurde von Politikern der SNP in den Nuller Jahren propagiert, aber aufgegeben, nachdem diese Währung in die Krise geriet. Würde man den Euro einführen, dann müssten die Schotten für die Abenteuer der Regierungen in Athen, Rom, Madrid, Lissabon, Paris und anderen Ländern mithaften, weshalb das Szenario zum wichtigsten Werbemittel der Unabhängigkeitsgegner wurde.

Stellt ein unabhängiges Schottland - wie geplant - einen Antrag auf Aufnahme in die EU, dann könnte diese jedoch darauf bestehen, dass das Land den Euro einführt und nicht - wie England oder Dänemark - dauerhaft eine andere Währung nutzen darf. In diesem Fall könnte Schottland - wie beispielsweise Norwegen - dem Europäischen Wirtschaftsraum EWR beitreten (beziehungsweise darin verbleiben). Dann würde sich für die Schotten wenig ändern, außer dass sie formell nicht mehr am Erlass neuer EU-Regeln beteiligt sind. Eine Alternative dazu wäre das Aushandeln neuer bilaterale Verträge mit der EU, mit denen die Schweiz recht gut lebt.

Die aktuelle Erweiterungsdynamik der EU macht jedoch das Szenario wahrscheinlicher, dass Schottland aufgenommen wird und das Pfund behalten darf. Viele EU-skeptische Schotten, die Brüssel für einen noch schlimmeren Moloch halten als London, werden deshalb nur aus einem Grund gegen eine Unabhängigkeit stimmen: Weil sie die Chance erhalten wollen, sich 2017 zusammen mit den anderen Briten nach einer von David Cameron versprochenen Volksabstimmung aus der EU zu verabschieden.

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