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Seite 2: Die edlen Griechen stimmen ab

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Der griechische Geheimdienst hörte unter anderem den Generalstab ab (mit technischer Unterstützung durch die CIA), soll jedoch vom unmittelbar bevorstehenden Putsch der Obristen nichts mitbekommen haben. Auch die CIA soll völlig überrascht gewesen sein. Die verfügbaren Dokumente legen den Schluss nahe, dass es tatsächlich so gewesen ist. In Griechenland will das bis heute kaum jemand glauben. Das ist verständlich. Ein von der CIA gesteuerter Militärputsch würde sich perfekt in die lange Geschichte ausländischer Interventionen einfügen, die darauf abzielten, eine den fremden Mächten genehme Regierung zu installieren, beginnend mit der Gründung des griechischen Staates als von Großbritannien, Russland und Frankreich verordnetes Königreich nach der Befreiung von den Osmanen. Wahrscheinlich war es so, dass die US-Regierung von Putschplänen für den Fall wusste, dass Papandreous Rückkehr an die Macht mit - mehr oder weniger - demokratischen Mitteln nicht zu verhindern war, aber nicht damit rechnete, dass eine kleine Gruppe von Obristen diese Pläne noch vor der Parlamentswahl in die Tat umsetzen würde. Unabhängig davon, wer wann was wusste oder nicht: Die USA unterstützten seit 20 Jahren die reaktionären Kräfte im Land, zu Lasten der Moderaten und einer demokratisch organisierten Zivilgesellschaft. Mit der Gründung des "Heiligen Bundes hellenischer Offiziere" (siehe Teil 1) begann ein Militärputsch auf Raten, der im April 1967 seinen logischen Abschluss fand.

Die USA als die Verteidiger der freien Welt gerieten in eine schwierige Lage, weil sie plötzlich als Bündnispartner von Putschisten dastanden. Nach einigem Herumlavieren wurde die vorübergehend eingestellte Militärhilfe wieder aufgenommen. Angesichts mehrerer Krisenherde in der Mittelmeerregion (der Zypernkonflikt, der Sechs-Tage-Krieg zwischen Arabern und Israelis) galt Griechenland, mit Militärdiktatur oder ohne, als strategischer Partner, auf den man nicht verzichten konnte (oder wollte). Als Enttäuschung für die Amerikaner erwies sich der junge König. Von ihm erhofften sie sich, dass er mäßigend auf das Regime einwirken und den baldigen Übergang zu einer stramm antikommunistischen, sich demokratisch gebenden Regierung moderieren würde. Demokratie ist eben wichtig, und wenn es nur ein Wort ist. Das hat sogar der General in Z verstanden. Weil wir Demokraten sind, sagt er, dürfen die Pazifisten demonstrieren. Aber dann dürfen auch die Gegendemonstranten von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen - und die Pazifisten zusammenschlagen.

Auch der König fand Demokratie nur gut, wenn dabei etwas herauskam, das ihm passte. Konstantin II. arrangierte sich nach anfänglichem Zögern mit den Putschisten, weil sie ihm, verglichen mit dem prognostizierten Wahlsieg für Papandreou, als das kleinere Übel erschienen. Dann überlegte er es sich anders und distanzierte sich von ihnen. Nachdem ein von ihm initiierter Gegenputsch gescheitert war, wurde er von den Amerikanern ins Exil eskortiert. Offiziell blieb er König von Griechenland, bis die Monarchie 1974 bei einem Referendum abgeschafft wurde. Eine Versöhnung der Lager führte dieses Referendum nicht herbei. Konstantin II. hätte die Situation durch einen Thronverzicht befrieden können, hält sich jedoch bis heute für den legitimen König. Wenn es ganz dumm läuft kommt er irgendwann zurück, um dem Land der Hellenen den Weg aus dem Schuldenloch zu weisen. Das würde zumindest die Regenbogenpresse freuen und einen Teil der konservativen, nach dem Ende der Militärdiktatur von Konstantinos Karamanlis gegründeten Nea Dimokratia. Diese Partei vermeidet bis heute ein eindeutiges Bekenntnis zur Republik, weil den Antimonarchisten in ihren Reihen eine starke Fraktion der Königstreuen gegenübersteht.

Viele Griechen erfüllte der Ausgang des Referendums mit tiefer Genugtuung, weil damit aus ihrer Sicht nachgeholt wurde, was nach dem Krieg durch das Wirken fremder Mächte verhindert worden war. Bei Volksabstimmungen und Einmischung von außen sind die Griechen verständlicherweise sehr sensibel - nicht ihres Nationalcharakters und der Gene wegen, sondern aufgrund ihrer Geschichte. Ein Referendum gab es erst wieder in diesem Jahr. Das war die Abstimmung, in deren Vorfeld Jean-Claude Juncker die "edlen Griechen" aufforderte, beim "Ja" ihr Kreuz zu machen, was den Rücktritt der Regierung Tsipras bedeutet hätte. Wen er mit den "edlen Griechen" wohl gemeint hat? Da weder Odysseus noch die 300 Spartaner zur Abstimmung aufgerufen waren, und auch nicht die Sieben von Theben, sondern ganz normale Leute, war dank Junckers Intervention ein "Ochi" gewiss. Das zur Schau getragene Griechenlandverstehertum des Kommissionspräsidenten ist offenbar darauf beschränkt, dass er im Umgang mit Schulden und Defiziten kulanter ist als sein Gegenspieler Dr. Schäuble. Oder sollte Griechenland nur das Pfand sein, mit dessen Hilfe sich der Meister der Luxemburger Steuersparmodelle beim Ringen um Macht und Kompetenzen in Position bringt? Ein Schuft, wer solches denkt. Wie dem auch sei: Mit einer gewissen Erleichterung kehre ich zum Film Z zurück, wo die Bösen daran zu erkennen sind, dass sie Uniform tragen oder einen unter der Jacke versteckten Knüppel (ganz so einfach ist es dann aber doch nicht - dazu gleich mehr).

Hollywood winkt ab

Costa-Gavras haben wir verlassen, als er seine Familie in Athen besuchte und ihm sein Bruder Z empfahl, den Tatsachenroman von Vassilis Vassilikos über das Lambrakis-Attentat. Er war zurück in Paris und hatte das Buch noch nicht ganz durch, als die Obristen putschten. Eine Verfilmung des Romans war für ihn die Gelegenheit, Stellung zu beziehen. Vassilikos hatte Glück gehabt und war beim Putsch im Ausland gewesen. Sonst hätte man ihn bestimmt verhaftet. Seine Werke waren im Griechenland der Obristen verboten. Er lebte in Rom, als ihn Costa-Gavras ausfindig machte. Vassilikos mochte Compartiment tueurs und war mit einer Verfilmung von Z einverstanden, wollte aber nicht selbst das Drehbuch schreiben. Costa-Gavras wandte sich deshalb an Jorge Semprún, den Autor des Skripts zu Alain Resnais’ La guerre est finie (1966).

Yves Montand spielt in Der Krieg ist vorbei einen spanischen, im Pariser Exil lebenden Kommunisten und Franco-Gegner. Durch seine darstellerische Leistung und seine Leinwandpräsenz trug er viel dazu bei, dass ein Film über den Revolutionär als alternden Mann entstand, der so wirkungsvoll war, dass er auf Druck der spanischen Regierung in Cannes wieder ausgeladen wurde und sich die in der Angelegenheit ebenfalls nicht eben ruhmreiche FSK erst im dritten Anlauf dazu durchringen konnte, das mit vielen Preisen bedachte Meisterwerk für deutsche Kinos freizugeben. (Während Kulturstaatsministerin Monika Grütters auf die von ihr angemahnten politischen Filme deutscher Regisseure wartet könnte sie ein paar Anstrengungen unternehmen, damit Werke wie La guerre est finie auch mal auf dem tristen deutschen DVD-Markt angeboten werden und ein kulturelles Umfeld entsteht, in dem solche Filme erst möglich werden.)

Semprún sagt in einem Interview, ihm und Costa-Gavras sei es bei Z darum gegangen, eine Geschichte zu erzählen, die sich an einem spezifischen Ort abspielt, im Grunde jedoch überall hätte passieren können. Der spezifische Ort ist Griechenland, weshalb der "Doktor" (Lambrakis) mit einer Maschine der Olympic Airways in der Stadt eintrifft. Und weil in den 1960ern nicht nur in Thessaloniki tödliche Attentate auf Politiker begangen wurden, fühlte sich Yves Montand wie am Flughafen von Dallas, als er auf der Gangway stand. In der französischen Kulturszene herrschte große Empörung über die Ereignisse in Griechenland. Auch Montand und seine Kollegen wollten Stellung beziehen (und verzichteten auf einen Teil ihrer Gage, weil das Geld knapp war). Für sie war es Ehrensache, an dem Film mitzuwirken. Das trug zur Atmosphäre bei. Man spürt, dass da Leute etwas aus politischer Überzeugung tun, ohne Rücksicht auf ihre individuelle Karriereplanung. Für Z gab Montand sogar Hitchcock einen Korb, der ihn gern als den französischen Spion in Topaz besetzt hätte (und anschließend aus verletztem Stolz behauptete, andere hätten Montand vorgeschlagen, was er, Hitchcock, nie ernsthaft in Betracht gezogen habe). Montand kannte Costa-Gavras, seit er in Mord im Fahrpreis inbegriffen den Inspektor gespielt hatte - an der Seite von Charles Denner, Jean-Louis Trintignant und Jacques Perrin, die in Z ebenfalls wieder mit dabei sind.

Das Geld für die Entwicklung des Drehbuchs kam von der United Artists, die mit Costa-Gavras einen Vertrag über drei Filme abschließen und ihn als Regisseur nach Hollywood holen wollte, sich dann aber zurückzog, als sie erfuhr, um was für ein Projekt es sich da handelte. Die Warner Bros., die Columbia und die Twentieth Century-Fox lehnten ebenso dankend ab wie die Gaumont in Frankreich und Produktionsfirmen in Italien und anderen europäischen Ländern. Die kommerziellen Möglichkeiten eines solchen Stoffs galten als begrenzt, seit Fred Zinnemann mit Behold a Pale Horse (1964), einem unterschätzten Drama über die Nachwehen des spanischen Bürgerkriegs (nach einem Roman von Emeric Pressburger, dem kongenialen Partner von Michael Powell), trotz Starbesetzung (Gregory Peck, Anthony Quinn, Omar Sharif) einen Kassenflop gelandet hatte.

Die Studios hatten außerdem Angst vor Vergeltungsmaßnahmen der Obristen, etwa einem generellen Verbot aller von ihnen produzierten Filme in Griechenland. Dann waren da noch die Verstrickungen von US-Behörden in die Innenpolitik eines von einer Militärdiktatur regierten Landes. Die Sache war aus mehreren Gründen heikel. Es fällt auf, wie oft die Darsteller in zeitgenössischen Berichten gefragt werden, ob sie durch ihre Mitwirkung in Z keine negativen Konsequenzen für ihre Karriere fürchteten. Am meisten zu verlieren hatte Ives Montand. Seine Antwort: Das könne kein Argument sein, wenn es sich um einen politisch wichtigen Film handele. Amerikanische Produzenten und Verleiher sahen das etwas anders. Selbsternannte Patrioten, die vor dem Kino standen und gegen einen vermeintlichen Antiamerikanismus protestierten, wollten sie sich gern ersparen. Bei ihnen machte sich Montand, früher Partner von Marilyn Monroe (in George Cukors Let’s Make Love), noch unbeliebter, als er 1972 - in Etat de siège (Der unsichtbare Aufstand) - für Costa-Gavras einen als Entwicklungshelfer getarnten US-Agenten und Folterspezialisten spielte. (Dazwischen drehten die beiden mit L’Aveu/Das Geständnis eine Abrechnung mit dem Stalinismus, was ihnen Ärger mit einem Teil der Linken einbrachte.)

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