Schwarzes Gold - der Abbau der Braunkohle hinterlässt große Schäden

Seite 2: Einsturzgefahr durch Überflutung

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Ist die Kohle restlos ausgebaggert, werden die zurückbleibenden Restlöcher geflutet. Die Seen sollen den Anwohnern Erholung bieten. Gut gemeint - doch bringt das neue Probleme mit sich. Die Einwohner von Neustadt in der Lausitz zum Beispiel erlebten eine böse Überraschung, als der steigende Grundwasserspiegel Risse und Schieflagen im Mauerwerk der Häuser verursachte. Wände und Decken schimmeln, der Boden senkt sich ab - trotz ständigen Abpumpens. Die Gebäude verlieren nicht nur an Wert, sie sind mitunter auch vom Einsturz bedroht. Rund 90 Häuser in der Region sind von derartigen Wasserschäden betroffen.

Die zuständige Lausitzer Mitteldeutsche Bergbau- und Verwaltungsgesellschaft (LMBV) weist die Verantwortung weit von sich. Für die Schäden, die für ein Haus bei 90.000 € liegen können, sollen die Besitzer gefälligst selber aufkommen).

Nur für einen geringen Teil der durch den Bergbau verursachten Schäden übernehmen die Tagebaubetreiber überhaupt die Verantwortung. Noch dazu erfolgt die Schadensbewertung willkürlich und durch die Unternehmen selber. Die Geschädigten fühlen sich von der Regierung alleingelassen. Anwohner aus Jänschwalde, Cottbus und Welzow gründeten daher eine eigene politische Vertretung, um gemeinsam für ihre Rechte zu kämpfen. Beschädigt werden auch Kanalisationsnetze, Straßen, Bürgersteige und Versorgungsleitungen.

Kein Recht auf Heimat?

Derzeit gibt es zwölf aktive Tagebaue in Deutschland: in Nordrhein-Westfalen, in der Lausitz, in Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie im niedersächsischen Helmstedt. Ginge es nach der Kohle-Lobby, würden immer mehr Dörfer platt gemacht werden.

So plant Vattenfall, südlich von Cottbus 1900 Hektar auszubaggern. Noch sind die Orte Proschim, Lindenfeld und Welzow mit 810 Einwohnern dem Tagebau Welzow-Süd II im Weg. Ginge der Plan auf, stünde Welzow bald auf einer Halbinsel und der Ort Lieske auf einem schmalen Streifen zwischen altem und neuem Tagebau.

Anwohner und Naturschützer wehren sich zwar, doch bislang ohne Erfolg: Ab 2027 will der Konzern 200 Millionen Tonnen Kohle fördern - und die Restlöcher fluten.

Um den Tagebau Nochten zu erweitern, würden die Gemeinden Rohne, Mulkwitz und Mühlrose im Kreis Görlitz eingeebnet und Trebendorf einen weiteren Ortsteil verlieren. Das Kirchspiel Schleife würde - nachdem es schon früher zahlreiche Ortsteile an den Bergbau verloren hat - weitere Häuser opfern müssen. Die Reste der Gemeinde sowie Neustadt an der Spree wären von den Auswirkungen unmittelbar betroffen. 1700 Menschen müssten ihre Häuser verlassen.

Dabei hat bereits Nochten I wertvolle Naturschutzgebiete mit seltenen Pflanzen unwiederbringlich zerstört. Bedroht ist auch der Urwald Weißwasser. Die Absenkung des Grundwassers tut ein Übriges. Wenn die Bagger weg sind, soll bis zum Jahr 2080 eine rund 3000 Hektar große Fläche geflutet werden.

Das Bündnis "Strukturwandel jetzt - Kein Nochten II" will die Erweiterung des Tagebaus verhindern und betreibt dazu Aufklärungsarbeit in der Region.

13 Jahre hat ein Anwohner aus dem nordrhein-westfälischen Erkelenz-Immerath um sein Haus gekämpft, das dem Braunkohletagebau Garzweiler II weichen sollte. Schließlich entschied das Bundesverfassungsgericht, es gäbe kein Recht auf Heimat. Zwar schütze ein Grundrecht auf Freizügigkeit grundsätzlich vor erzwungenen Umsiedlungen. Das allerdings gelte nicht für Garzweiler II.

Noch mindestens bis 2030 soll in Garzweiler II, das eine Fläche von rund 4800 Hektar umfasst, Braunkohle gefördert werden. Im März 2014 erhielten die Bewohner der Orte Holzweiler, Duckweiler und ein Bauernhof zwar die gute Nachricht, dass sie bleiben dürfen. Fünf andere Orte aber müssen weichen.

Widerstand lohnt sich

Zu allen Zeiten gab es Menschen, die sich gegen ihre Vertreibung zugunsten des Kohleabbaus zur Wehr setzten - manchmal sogar mit Erfolg. So schrieben die Einwohner der Gemeinde Klitten, die 1984 geräumt werden sollte, fünf Jahre lang Petitionen und trafen sich zu Protestaktionen. Dann kam die politische Wende in der DDR - mit ihr wendete sich das Blatt für die 1500 Menschen, die geblieben waren: Der Ort durfte bleiben - die Proteste hatten sich gelohnt.

Allein im sächsischen Teil der Lausitz lagern noch fünf Milliarden Tonnen Braunkohle. Ein Teil davon unter Pödelwitz, ein 130-Seelen-Dorf südlich von Leipzig. Damit hier ab 2028 Kohle abgebaut werden kann, sollen bis 2018 alle Einwohner umgesiedelt werden. Ein Drittel geht "freiwillig" in ein benachbartes Neubaugebiet. Doch sieben Familien lassen sich von der Kohleindustrie nicht einschüchtern. Stattdessen gründen sie eine Bürgerinitiative für den Erhalt ihres Dorfes. Endet ihr Widerstand irgendwann mit Zwangsenteignung?

Wie kann es sein, dass im 21. Jahrhundert immer noch Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden für einen fossilen Energieträger, der dem Klima kräftig einheizt? Sollen Mensch und Natur auf unbestimmte Zeit unter irreparablen Schäden leiden, damit sich ein paar Konzerne satte Gewinne einstreichen? Mehr als je zuvor braucht es eine starke Protestbewegung, die diese Missstände endlich beendet und der Energiewende zum Erfolg verhilft (Energiekonzerne abwickeln?).