Schwere Waffen sind ein unkalkulierbares Risiko

Seite 2: Es müssen nicht unbedingt gezielte Angriffe auf Nuklearanlagen sein

Eine Pressekonferenz des damaligen Nato-Generalsekretärs Rasmussen im Mai 2014 macht deutlich, dass die Nato um die Bedrohung für Europa weiß:1

Die Sensation kam eher beiläufig ans Licht und blieb von der Öffentlichkeit bislang weitgehend unbeachtet: Die ukrainische Regierung hat die Nato um Beistand gebeten, und die Nato hat diesem Wunsch entsprochen - dem Wunsch um Hilfe bei der Sicherung der 15 noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke des Landes.

Gegen Ende der Frage-und-Antwort-Runde seiner Pressekonferenz am 19. Mai sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen auf Nachfrage eines Journalisten: "Ja, wir haben auf Bitten der Ukraine eine kleine Gruppe ziviler Experten in die Ukraine entsandt, um den Behörden zu helfen, die Sicherheit ihrer zivilen Nuklearanlagen zu verstärken."

Tagesschau, 28.5.2014

Die Warnungen und Hilferufe der ukrainischen Regierung sind keine Panikmache. Und die schnelle Reaktion etwa der Nato zeigt, dass dies auch im Ausland so gesehen wird. Denn wenn schon im "Normalfall" die Atomreaktoren der Ukraine ein Sicherheitsrisiko darstellen, dann erst recht und in noch viel größerem Maße in Zeiten von Unruhen, innerer und äußerer Destabilisierung bis hin zu Krieg und Bürgerkrieg.

Es müssen nicht unbedingt gezielte Angriffe auf Nuklearanlagen sein, die übrigens niemandem zugetraut und deshalb auch nicht als wahrscheinlich angenommen werden. Doch Atomkraftwerke sind in vielerlei Hinsicht äußerst sensibel.

Wie das Beispiel Fukushima gezeigt hat, kann z.B. schon eine (unbeabsichtigte) länger andauernde Unterbrechung der Stromversorgung (der so genannte "Station Blackout") zu einem Super-GAU führen.

Auch kann es in Krisenzeiten wie diesen dazu kommen, dass nicht jederzeit genügend und ausreichend qualifiziertes Personal in den Kraftwerken ist. … Und schließlich gilt es auch, radioaktives Material während des Transports bzw. in den vorhandenen Lagern vor unbefugtem Zugriff zu sichern - von frischen und abgebrannten Brennelementen bis hin zum Erbe aus der Zeit, als die Ukraine mit 1900 nuklearen Sprengköpfen über das weltweit drittgrößte Atomwaffen-Arsenal verfügte.

Die IAEA jedenfalls hat derzeit insgesamt 31 Nuklearanlagen, die sie in der Ukraine überwacht und das sind 31 unkalkulierbare Risiken (siehe: Wie sicher sind die AKW in der Ukraine?).

In anderen Worten: Diejenigen, die die militärische Vorgehensweise der gegenüber der diplomatischen favorisieren, spielen Schicksal mit der Existenz der Zivilisation nicht nur der Bevölkerung vor Ort, sondern ebenfalls in Europa und angesichts der unkalkulierbaren Risiken weltweit.