Schwierige Heimkehr

"Heimkehr"

Wohin soll er führen, der ewige Germanenzug? (Das Dritte Reich im Selbstversuch, Teil 12/II)

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1945 wurde Paula Wessely wegen ihrer Mitwirkung in Heimkehr von den Amerikanern mit einem Auftrittsverbot belegt. Hilfe fand sie beim Tenor Otto von Pasetti-Friedenburg, der 1937 in die USA emigriert und 1944 als Geheimdienstoffizier der US-Armee zurückgekehrt war. De Pasetti, wie er sich jetzt nannte, wurde Leiter der Theater- und Musikabteilung des amerikanischen Nachrichtenkontrolldienstes in Österreich. In dieser Funktion sorgte er für eine Aufhebung des Verbots. In den Salzburger Nachrichten (17.11.1945) gab er diese Erklärung ab: "Wir wollen ferner zugeben, dass ein Mitwirken von prominenten Künstlern, ich denke dabei besonders an Dirigenten und Leiter von Musikschulen, mehr Unheil verhüten konnte, als ein Zurücktreten von diesen Posten." Das galt offenbar für eine Schauspielerin wie Paula Wessely genauso. Gründe für seine Meinung gibt de Pasetti nicht an. Das wäre ihm auch schwergefallen. Heimkehr ist das beste Beispiel dafür, dass das Gegenteil der Fall war.

Teil 1: Engel der Volksdeutschen

Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit

Nach dem Tod von Dr. Mutius protestiert der deutsche Botschafter beim polnischen Außenminister. Jósef Beck betont, dass in seinem Land die Minderheitenrechte gewahrt bleiben, solange sie nicht mit den Interessen des polnischen Volkes kollidieren und dass die Schuldigen bestraft werden. Das wirkt zynisch, weil der Film Becks Worte mit der "Wirklichkeit" konfrontiert: Karl Michalek wird als Sündenbock ins Gefängnis geworfen. Inzwischen ist der Beistandspakt mit Großbritannien unterzeichnet. Im Rahmen des von der NS-Propaganda verbreiteten Erklärungsmodells (die britische Garantie ermuntert die Polen zu weiteren Übergriffen) kann das nur schlimme Folgen haben. Prompt werden viele Deutsche entschädigungslos enteignet. Ludwig Launhardt muss das "Deutsche Haus" räumen, das seit hundertzwanzig Jahren im Besitz seiner Familie ist. Die Gastwirtschaft gehört nun einem Polen.

Drei jüdische Jungen schießen aus dem Hinterhalt auf Dr. Thomas, der bei dem Anschlag erblindet. Ein Pole stürzt sich auf Launhardts Frau und raubt ihr eine Halskette mit einem Hakenkreuz-Anhänger. Dann wird sie durch das Dorf gejagt und stirbt unter einem Hagel von Steinen, "mit denen rohe und vertierte Menschen unter dem höhnischen Gelächter von widerlichen Juden nach ihr werfen", wie die Filmwelt (14.2.1941) in einem Drehbericht schrieb. Wenigstens wissen die Gepeinigten, wer am Ende die Erlösung bringen wird, und Das Programm von Heute weiß es auch: "’Der Führer wird uns rächen und heimholen’ - das ist die einzige Hoffnung, die aus leidgeprüften Augen leuchtet." In ihrer Not scharen sich die in Emilienthal lebenden Deutschen in einer Scheune um ein Radio. Es ist der 1. September 1939. Gemeinsam hören sie die Rede vor dem Reichstag, in der Hitler den Einmarsch in Polen auch mit der fortgesetzten Unterdrückung der "Volkstumsdeutschen" rechtfertigte, "die man in der tierischesten, sadistischesten Weise teils misshandelt, teils getötet hat".

Durch das Einarbeiten von historischen Ereignissen wie Becks Londonreise oder Hitlers "Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!"-Rede unterstreichen Menzel und Ucicky die behauptete Authentizität und suggerieren dem Publikum, dass ihr Film "mit unerbittlicher Realistik die Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagt", wie es im Zeitschriftendienst (29.8.1941) hieß. Die regelmäßig erscheinenden, vom Propagandaministerium verantworteten Ausgaben des ZD enthielten "für jede deutsche Zeitschrift das obligatorische Informations- und Anweisungsmaterial" (ZD 12.2.1943), wiesen die Redaktionen also an, was sie sinngemäß zu schreiben hatten. Es musste nur noch umformuliert werden, damit nicht überall dasselbe stand. Heimkehr, teilte etwa die Filmillustrierte (2.11.1941) ihren Lesern mit, sei "von strenger deutscher historischer Ehrlichkeit und Sauberkeit erfüllt". So etwas geht nur mit gleichgeschalteten Medien. Der beste Schutz ist eine freie Presse, kein Filmverbot.

"Aber nur eines weiß ich", sagt Hitler in seiner Reichstagsrede: "dass es keine Großmacht von Ehre gibt, die auf die Dauer solchen Zuständen zusehen würde!" Der Satz ist nicht mehr ganz zu hören, weil polnische Soldaten in die Scheune eindringen. Alle Deutschen werden auf Lastwagen ins Zuchthaus gebracht, weil sie gegen das Versammlungsverbot verstoßen haben. Über die offenen Ladeflächen der LKW sind Netze gespannt. Im Zuchthaus von Luzk sperrt man die Verhafteten in Käfige, in denen es so eng ist, dass die Gefangenen nur stehen können. "In dem engen Gewölbe", schreibt der Illustrierte Film-Kurier, "schmachten zweihundert Deutsche, zweihundert Männer, Frauen und Kinder." Vielleicht hat der Autor der Inhaltsangabe die Zahl von Feinde übernommen. Da führen Willy Birgel und Brigitte Horney zweihundert Volksdeutsche durch den Sumpf zur Grenze.

"Rundherum wird alles deutsch sein"

Zeit für eine kurze Bestandsaufnahme: Bücherverbrennungen. Militärparaden. Aufhebung der Versammlungsfreiheit. Angehörige einer Minderheit verlieren ihr Eigentum, werden terrorisiert, abtransportiert wie Vieh, getötet. Ihre Ausrottung wird gefordert. Das, was der Film den Polen zuschreibt, ist genau das, was die Nazis mit ihren politischen Gegnern und mit den Juden machten. Das ist so ähnlich wie in Jud Süß, wo die Titelfigur ihre Macht mit Hilfe einer Art Gestapo absichert und auch sonst einige Verhaltensweisen an den Tag legt, die man eigentlich von den Nazis kennt. Manche Harlan-Apologeten behaupten deshalb, man könne Jud Süß als ein Dokument der Subversion verstehen. Bestimmt hätten die Ucicky-Fans auch schon das Subversive in Heimkehr entdeckt, wenn das Volksdeutschen-Epos nicht so in Vergessenheit geraten wäre. Wenn man die Filme gesehen hat weiß man, dass sie nicht subversiv, sondern perfide sind. Den Juden und den Polen werden die eigenen Verbrechen untergeschoben, um angeblich Gleiches mit Gleichem vergelten zu können. "Wer mit Gift kämpft", sagte Hitler am 1. September 1939 vor dem Reichstag, "wird mit Giftgas bekämpft. Wer selbst sich von den Regeln einer humanen Kriegsführung entfernt, kann von uns nichts anderes erwarten, als dass wir den gleichen Schritt tun."

Die Polen quälen die eingekerkerten Deutschen mit Suchscheinwerfern. Eine Massenpanik droht. Launhardt, der mit seinen beiden kleinen Söhnen in der Menge steht, erleidet einen Nervenzusammenbruch und klagt über die Stimme seiner gesteinigten Frau, die er immerfort im Kopf hat (Attila Hörbiger, würde ich annehmen, hat zur Vorbereitung auf diese Szene Peter Lorres Schlussmonolog in M studiert). Marie Thomas fordert Launhardt auf, das Jammern sein zu lassen. Sie und die anderen hätten auch gelitten, doch nun gehe es um die Zukunft. Dann hält sie - musikalisch von den Wiener Philharmonikern mit dem Deutschlandlied dezent begleitet- eine dieser Durchhaltereden, die das NS-Kino so mag. Jetzt versteht man auch, warum man am Anfang des Films Ackerfurchen sieht, über denen sich in monumentalen Lettern der Titel auftürmt: HEIMKEHR. Die zentrale Passage nur minimal gekürzt, weil wir oft gar nicht wissen, was unseren Vorfahren in die Hirne getrichtert wurde:

Heimkommen werden wir bestimmt, ganz bestimmt. Irgendwie werden wir … heimkehren. […] Zuhause in Deutschland, da sind wir ja jetzt nicht mehr schwach. Und den Leuten dort ist es nicht egal, wie’s uns geht, im Gegenteil. Ach, das hat mir Fritz immer gesagt. Sie interessieren sich sehr für uns. Und warum sollten wir da nicht heimkehren dürfen, wenn wir nur wollen. […] Denkt doch bloß, Leute, wie das sein wird. Denkt doch bloß - wenn so um uns rum lauter Deutsche sein werden, und nicht, wenn du in einen Laden reinkommst, dass da einer jiddisch redet oder polnisch, sondern deutsch. Und nicht nur das ganze Dorf wird deutsch sein, sondern ringsum und rundherum wird alles deutsch sein. Und wir? Wir werden so mitten innen sein im Herzen von Deutschland. Denkt doch bloß, Leute, wie das sein wird. Und warum soll das nicht sein? Auf der guten alten warmen Erde Deutschlands werden wir wieder wohnen. Daheim und zu Hause. Und in der Nacht, in unseren Betten, wenn wir da aufwachen aus dem Schlaf, da wird das Herz in seinem süßen Schreck plötzlich wissen: Wir schlafen ja mitten in Deutschland, daheim und zu Hause, und ringsum ist die tröstliche Nacht, und ringsum da schlagen Millionen deutsche Herzen und pochen in einem fort leise: Daheim bist du Mensch, daheim, daheim, bei den Deinen, und wird uns ganz wunderlich sein ums Herz, dass die Krume des Ackers und das Stück Lehm und der Feldstein und das Zittergras und der schwankende Halm, der Haselnussstrauch und die Bäume, dass das alles deutsch ist, wie wir selber zugehörig zu uns, weil’s ja gewachsen ist aus den Millionen Herzen der Deutschen, die eingegangen sind in die Erde und zur deutschen Erde geworden sind. Denn wir leben nicht nur ein deutsches Leben, wir sterben auch einen deutschen Tod. Und tot bleiben wir auch deutsch und sind ein ganzes Stück von Deutschland. Eine Krume des Ackers für das Korn der Enkel. Und aus unserem Herzen wächst der Rebstock empor in die Sonne - in die Sonne, Leute, die uns nicht wehtut und nicht sengt, ohne zugleich auch Süßigkeit zu spenden.

Im Dritten Reich war das Publikum an dieses Blut-und-Boden-Pathos mehr gewöhnt als heute. Trotzdem macht man sich mit einem solchen Geschwurbel leicht lächerlich. Darum brauchte Ucicky keine der damaligen Leinwandschönheiten für die Rolle der Marie Thomas, sondern eine Schauspielerin vom Format einer Paula Wessely, die den Dialog überzeugend sprechen konnte. Und deshalb wurde dieser Film durch ihre Mitwirkung noch schlimmer, auch wenn es Otto de Pasetti, ihr Streiter gegen das von den Amerikanern verhängte Auftrittsverbot, gern anders gehabt hätte. Hier die Kommentierung zu Heimkehr bei film.at:

Der deutsche Überfall auf Polen als Rettungsaktion für die von ihren polnischen Unterdrückern zur Massenliquidation verdammten Wolhynien-Deutschen: Gerhard Menzels Drehbuch und Gustav Ucickys Regie verleihen dieser monströsen Propagandalüge eine beklemmende Suggestivität. Zu Recht gilt HEIMKEHR als der schlimmste aller Nazi-Filme, weil er nämlich, der Dramaturgie eines Western folgend, die Mechanismen des Terrors fühlbar macht und die Spannung allmählich bis ins fast Unerträgliche steigert. Paula Wessely trägt als Zentral- und Perspektivfigur das Ihre zum Funktionieren dieser Maschinerie bei und gibt schauspielerisch ihr Bestes. Gleichwohl darf man ihr abnehmen, dass sie sich schon zeitgenössisch nicht mit der abschließenden Apotheose des Führers identifiziert hat, und es ist ihr zugutezuhalten, dass sie sich schon 1946 deutlich zu ihrem ‚Sündenfall’ bekannt hat: "Heute weiß ich, daß es falsch war, aber damals war es für mich viel schwerer, Fehler zu vermeiden, als sie heute zu erkennen, es mußte wohl alles so kommen. Ich mußte durch all das hindurch." (Filmarchiv Austria)

Arme Paula Wessely. Da musste sie durch. Und glückliches Österreich, das auch das Ritual zur Entsorgung einer unangenehmen Vergangenheit in drei einfachen Schritten kennt: 1. Es gab da ein paar schlimme Filme. 2. Sogar einige von unseren Publikumslieblingen haben mitgemacht. 3. Aber innerlich waren sie dagegen, das ist ihnen "zugutezuhalten" (damit wollen wir das abhaken). Wenn jetzt noch einer eine Rede gegen das Vergessen hält, sind wir alle froh. Ein Filmverbot ist auch nicht schlecht, weil man sich dann schön selektiv erinnern kann. Die "Dramaturgie eines Western" ist interessant. Das trifft eigentlich mehr auf Feinde zu. Die einzigen Western-Elemente in Heimkehr sind die in höchster Not einrollenden deutschen Panzer (wie die Kavallerie) und ein Wagentreck ganz am Schluss. Die monströseste Propagandalüge des Films ist nicht, dass Hitler Polen überfallen musste, um die Wolhyniendeutschen zu retten, sondern dass Menzel und Ucicky ein Ereignis von 1941, den Überfall auf die Sowjetunion, in das Jahr 1939 vorverlegen und die jüdische Bevölkerung der 1941 von den Russen besetzten Stadt Luzk, die nach dem Einmarsch der Wehrmacht von deutschen Sonderkommandos ermordet wurde, als die Anstifter von an den Volksdeutschen begangenen Gräueltaten präsentieren.

Der Film, sagt man, sei unser kollektives Gedächtnis. Wenn ein Film nicht gezeigt werden darf, bewahren wir unser Gedächtnis notgedrungen bei Websites wie film.at, filmportal.de oder wikipedia.de auf. Da kommen die Juden nicht mehr vor. Die wirkliche Provokation in Elfriede Jelineks Skandalstück Burgtheater, mit dem sie für alle Zeiten zur "Nestbeschmutzerin" wurde, ist nicht, dass Jelinek an Paula Wesselys Mitwirkung in einem Propagandafilm zur Rechtfertigung des Einmarsches in Polen erinnerte. Es geht auch nicht darum, ob Wessely innerlich für oder gegen eine Apotheose des Führers war. Die Provokation besteht darin, dass Jelinek ihren Figuren die antisemitischen Dialoge in den Mund legt, die Wessely mit der von ihr erwarteten Inbrunst in Heimkehr spricht. Damit holte sie für die jüdischen Opfer den verlorenen Platz in unserem kollektiven Gedächtnis zurück und entlarvte Wesselys Behauptung, sie habe zu spät erkannt, in welchen Film sie da geraten war und was er anrichten konnte, als hohle Phrase. Aber das wurde auch gleich wieder vergessen, wie das Anklicken von film.at etc. zeigt.

Das tradierte Wissen ("antipolnisch" - das ist der Film natürlich auch) ist offenbar so stark, dass sogar Autoren, denen ich unterstellen würde, dass sie Heimkehr tatsächlich gesehen haben, die Juden kaum mehr mitkriegen und sich auch nicht fragen, wie es sein kann, dass die Wehrmacht 1939 eine Stadt in der Woiwodschaft Wolhynien erobert, die sich damals mit Hitlers Einverständnis Stalin unter den Nagel riss, weil sie in Ostpolen lag und nicht im Westen. Damit will ich nicht sagen, dass ich - im Gegensatz zu vielen anderen - alles weiß und mich nie irre. Ich möchte vielmehr auf ein Dilemma mit den Vorbehaltsfilmen hinweisen: Der eine schreibt vom anderen ab, und eine kritische Kontrolle durch die Öffentlichkeit findet kaum statt (eigentlich wäre das ein Ziel des Veröffentlichens), weil die Öffentlichkeit die irgendwie auf einer Verbotsliste gelandeten Filme nicht sehen darf. (Manchmal klappt die Kontrolle aber trotzdem. Bei dieser Gelegenheit ein Dank an alle Leser, die mich auf Fehler aufmerksam machen.)

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