Schwierige Heimkehr

Seite 3: Der Germane zieht nach Osten

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Noch sind die Hamburger und die Österreicher aus Wolhynien im Verlies eingesperrt und sollen exekutiert werden. Da die Dialoge Gerhard Menzel geschrieben hat, der Schöpfer des berühmt-berüchtigten Satzes "Zu leben versteh’n wir Deutsche vielleicht schlecht, aber sterben können wir fabelhaft" (Morgenrot), tröstet sich Marie damit, "dass wir alle, die wir zusammen gelebt haben, auch alle zusammen sterben dürfen, und nicht jeder alleine in seiner Verzweiflung". Ehe das geschehen kann, fahren deutsche Panzer in den Gefängnishof. Die Gefangenen werden gerettet. Zur Erinnerung: Deutsche Panzer fuhren nicht im September 1939 in Luzk ein, um zweihundert Wohlhyniendeutsche vor den durch die Juden aufgehetzten Polen zu retten, sondern erst im Juni 1941, nach dem Überfall auf die Sowjetunion, und anschließend ermordeten deutsche Sonderkommandos die jüdische Bevölkerung. Nun gut, man muss nicht immer so genau sein. Heimkehr ist nur der Film, der (siehe oben) "mit unerbittlicher Realistik die Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagt" und "von strenger deutscher historischer Ehrlichkeit und Sauberkeit erfüllt" ist. Bleiben wir also bei den Wolhyniendeutschen.

"Heimkehr"

"Dann kam der Tag, der sie all das Leid vergessen machte", informiert ein Schriftzug, "- der ihre Treue belohnte … Der Tag, an dem sie dem Ruf der Heimat folgen konnten …". Im Ort stehen die Planwagen für den großen Treck durch Eis und Schnee bereit. Die Volksdeutschen haben alle eine Nummer erhalten und werden von einem Offizier auf die Wagen verteilt. Ehe es losgehen kann, sind letzte Probleme zu bewältigen. Josepha, die hochschwangere Tochter des alten Manz, bringt Zwillinge zur Welt. Dr. Thomas will nicht mitkommen, weil er blind ist und seiner Tochter nicht zur Last fallen möchte. Diese Bedenken gibt er auf, als Marie und der verwitwete Launhardt beschließen, vor den Traualtar zu treten und er als Opa von Launhardts kleinen Söhnen gebraucht wird. Und sollte er doch zur Last fallen, wäre da auch noch das mit Liebeneiners Ich klage an beworbene Euthanasieprogramm. Falls Josephas Zwillinge mit einer Behinderung zur Welt gekommen sind, kann er sie gleich mitnehmen.

Dr. Thomas und seiner Tochter ist erst ganz weh ums Herz, doch dann siegt die Begeisterung. Marie jubiliert in Großaufnahme und zu erhebender Musik: "Wir kehren ja heim, Vater, heim, nach Hause. Ist das nicht das Schönste im Leben? Nach Hause zu dürfen. Heimkehren!" Am Schluss fährt der Wagentreck durch eine Winterlandschaft, erreicht ein Grenzschild mit der Aufschrift "Deutsches Reich". Die Wiener Philharmoniker spielen die deutsche Nationalhymne, und am Wegrand steht ein überlebensgroßes Bild von Adolf Hitler, der die Volksdeutschen endlich heimgeholt hat. Sogar über das Wetter scheint der Führer zu gebieten. War es über Polen noch düster und wolkenverhangen, lächelt jetzt die Sonne. Dann ist der Film vorbei.

Nur: Wo ist das eigentlich, daheim? Wo ist die Heimat, die da ruft? Das Dorf Emilienthal, wo seit hundertzwanzig Jahren das "Deutsche Haus" steht, die Gastwirtschaft der Launhardts, kann nicht gemeint sein. Ist es Hamburg, wo Peter Petersen geboren wurde? Mannheim, die Geburtsstadt von Carl Raddatz? Wien, wo Paula Wessely und Attila Hörbiger als Bühnenstars gefeiert wurden? Hörbiger/Launhardt sagt etwas von "fünf Tagemärschen bis zur Reichsgrenze". Das kommt mir ziemlich schnell vor, wenn ich auf die Karte schaue. Und doch: Tut man den Nazis womöglich unrecht, wenn man ihnen attestiert, dass sie brutale Eroberungskriege führten? Marschierten sie tatsächlich nur in Polen ein, um die terrorisierte deutsche Minderheit gegen das Mordgesindel zu verteidigen und sich dann, nach erfolgter Rettungstat (was macht da schon ein Unterschied von zwei Jahren?), mit den Überlebenden nach Hause zurückzuziehen. Fast könnte man es glauben, wenn man diesen Film sieht. Dazu eine Passage aus einem Buch, dessen Autor sehr klar beschreibt, was er tun würde, wenn man ihm die Gelegenheit geben würde, seine Vorhaben in die Tat umzusetzen. Adolf Hitler, Mein Kampf, II. Band, Kapitel 14 ("Ostorientierung oder Ostpolitik"):

So wie unsere Vorfahren den Boden, auf dem wir heute leben, nicht vom Himmel geschenkt erhielten, sondern durch Lebenseinsatz erkämpfen mußten, so wird auch uns in Zukunft den Boden und damit das Leben für unser Volk keine göttliche Gnade zuweisen, sondern nur die Gewalt eines siegreichen Schwertes. […] Wir Nationalsozialisten haben jedoch noch weiter zu gehen: Das Recht auf Grund und Boden kann zur Pflicht werden, wenn ohne Bodenerweiterung ein großes Volk dem Untergang geweiht erscheint. Noch ganz besonders dann, wenn es sich dabei nicht um ein x-beliebiges Negervölkchen handelt, sondern um die germanische Mutter all des Lebens, das der heutigen Welt ihr kulturelles Bild gegeben hat. Deutschland wird entweder Weltmacht oder überhaupt nicht sein. […] Wir setzen dort an, wo man vor sechs Jahrhunderten endete. Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas und weisen den Blick nach dem Land im Osten. Wir schließen endlich ab die Kolonial- und Handelspolitik der Vorkriegszeit und gehen über zur Bodenpolitik der Zukunft. Wenn wir aber heute in Europa von neuem Grund und Boden reden, können wir in erster Linie nur an Rußland und die ihm untertanen Randstaaten denken.

Da steht sehr deutlich, dass Hitler die Sowjetunion angreifen wird. Zuerst allerdings war mit Polen einer der "Randstaaten" an der Reihe, den Hitler und Stalin unter sich aufteilten. In Mein Kampf steht auch, was die "Bodenerweiterung" für die Bewohner der eroberten Gebiete zu bedeuten hatte, etwa im 2. Kapitel von Band II, "Der Staat". Unter "Falsche Vorstellungen von ‚Germanisation’" führt Hitler aus:

Da das Volkstum, besser die Rasse, eben nicht in der Sprache liegt, sondern im Blute, würde man von einer Germanisation erst dann sprechen dürfen, wenn es gelänge, durch einen solchen Prozess das Blut der Unterlegenen umzuwandeln. Das aber ist unmöglich. […] Die von so vielen geforderte Polenpolitik im Sinne einer Germanisation des Ostens fußte leider fast immer auf dem gleichen Trugschluß. Auch hier glaubte man eine Germanisation des polnischen Elements durch eine rein sprachliche Eindeutschung desselben herbeiführen zu können. Auch hier wäre das Ergebnis ein unseliges geworden: ein fremdrassiges Volk in deutscher Sprache seine fremden Gedanken ausdrückend, die Höhe und Würde unseres eigenen Volkstums durch seine eigene Minderwertigkeit kompromittierend.

Hitler brachte das zu der Schlussfolgerung, "daß Germanisation nur am Boden vorgenommen werden kann und niemals am Menschen". Der Mensch, so er ein Pole, ein Jude oder sonstwie "rassisch minderwertig" war, musste also weg, wenn das Deutsche Reich sein Gebiet erweitern wollte. Die polnischen Westgebiete, die wirtschaftlich besonders vielversprechend waren, wurden annektiert und sollten gänzlich von Polen und Juden "gesäubert" werden. Was das für die Juden zu bedeuten hatte, ist bekannt. Die Polen sollten in den Teil ihres Landes verbracht werden, der militärisch besetzt, aber nicht in Form neuer Provinzen in das Deutsche Reich eingegliedert worden war (das "Generalgouvernement"). Dort wollten die Nazis ihre Arbeitskraft ausbeuten. In einer ersten Welle wurden Ende 1939 120.000 Polen deportiert. Bis Ende 1944 war die Zahl auf über 600.000 gestiegen.

Heimkehr nach Polen

Die "heim ins Reich" geholten Volksdeutschen fanden sich keineswegs an den Karawanken wieder, die Dr. Thomas bei der Abreise bereits vor seinem geistigen Auge sieht. Sie wurden vielmehr in die annektierten polnischen Westgebiete umgesiedelt. Ein geheimes Zusatzabkommen zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt vom August 1939 sprach Wolhynien der Sowjetunion zu. Weil das etwas kompliziert ist, sei es hier ein letztes Mal wiederholt: 1939 marschierte nicht die Wehrmacht in Luzk ein wie im Film, sondern die Rote Armee. Mit Hitler war das so abgemacht. Die Wehrmacht kam erst 1941, und Marie Thomas und ihre Leute konnte sie schon deshalb nicht retten, weil sie nicht mehr da waren. Denn im Dezember 1939 wurden 60.000 Wolhyniendeutsche in den Reichsgau Wartheland umgesiedelt (im annektierten Teil von Polen). Den Großteil ihres Hab und Guts mussten sie zurücklassen; im Warthegau wurden sie mit dem Besitz der vertriebenen Polen entschädigt. Willfährige Publizisten feierten das Ereignis in Büchern wie Marschziel: Bauernland Großdeutschland, 135.000 gewannen das Vaterland. Die Heimkehr der Deutschen aus Wolhynien, Galizien und dem Narew-Gebiet oder Der Treck der Volksdeutschen. Die Tobis steuerte den Dokumentarfilm Treck aus dem Osten bei (alle 1940).

"Die deutsche Wochenschau" Juni-Juli 1941

Welcher Wertschätzung sich die umgesiedelten Volksdeutschen bei den Nazis erfreuten, kann man daran sehen, dass zwar Gebiete wie der Warthegau dem Deutschen Reich eingegliedert, die Polizeigrenzen aber nur unwesentlich verschoben wurden. "Die Bewohner der angegliederten, vormals polnischen Ostgebiete, blieben also juristisch Ausländer, die nur mit behördlicher Genehmigung ins Altreich einreisen durften", schreibt Gerald Trimmel. Sicher ist sicher, werden sich die braunen Machthaber gedacht haben. Schließlich mussten sie befürchten, dass die "heim ins Reich" geholten Volksdeutschen zu einer "durchmischten und durchrassten" Gesellschaft auf deutschem Boden beitragen könnten, wie das 1988 ein Spitzenpolitiker der CSU und Schutzpatron der Vertriebenen formulierte.

Marie Thomas und ihre Emilienthaler sind wie selbstverständlich Antisemiten und Nationalsozialisten. In der Realität wurden sie nur sehr dosiert in die NSDAP aufgenommen. Höhere Verwaltungsstellen blieben ihnen verwehrt, eine höhere Bildung ebenso, die Chancen auf einen gesellschaftlichen Aufstieg waren gering. Volksdeutsche gab es auch im Generalgouvernement. Walter Bierkamp, Leiter der dortigen Sicherheitspolizei, fasste seine Sicht der Dinge im September 1943 wie folgt zusammen:

Der Volksdeutsche bildet im Endergebnis gewissermaßen ein besonderes Volkstum, das zwischen dem Reichsdeutschen einerseits und dem Einheimischen andererseits seine Stellung einnimmt, von jedem missachtet wird, und das, wenn es um die ältere Generation geht, nicht mehr die Möglichkeit sieht, den Anschluss an das deutsche Volk überhaupt herzustellen.

Aber diese Einschätzung blieb geheim. Offiziell wurde die "Heimkehr" der verlorenen Brüder und Schwestern gefeiert. Auf Geheiß von Heinrich Himmler begleitete der Maler Otto Engelhardt-Kyffhäuser die Umsiedelung der Narew- und Wolhyniendeutschen in den Warthegau mit seinem Skizzenblock. Seine Zeichnungen wurden 1940 in Berlin ausgestellt sowie im Buch zum großen Treck veröffentlicht und dienten bei der Gestaltung von Heimkehr als Vorlage; der Film wiederum inspirierte den von den Nazis sehr geschätzten Künstler zu weiteren Arbeiten. Wie schon aus den Buchtiteln ersichtlich, konzentrierte sich das Interesse der Rhapsoden auf den großen Wagentreck; dass man die "Heimat", in die er fuhr, Menschen weggenommen hatte, die vorher dort zuhause gewesen waren, war von untergeordneter Bedeutung.

Berta Drews, die Frau von Heinrich und die Mutter von Götz George, übernahm in Heimkehr eine Nebenrolle und musste für Außenaufnahmen in den polnischen Ort Chorzele reisen. Die Unterbringung war schlecht, erfährt man aus ihren Memoiren, aber die Stimmung trotzdem gut. "Das Thema des Films Heimkehr", steht in Wohin des Wegs, "war der große Treck aus dem Osten." Dieser Treck kommt ganz am Schluss und nimmt nicht einmal zwei Leinwandminuten ein. Das Thema des Films ist ein anderes. Frau Drews müsste das eigentlich aufgefallen sein, als sie mit im Kerker von Luzk stand und ihr die von den Juden angestifteten Polen nach dem Leben trachteten.

Feierstunde

Uraufgeführt wurde Heimkehr am 31. August 1941 bei den Filmkunstwochen in Venedig. Da zeigten die Nazis ihre Propagandafilme gern, und Hitler hatte inzwischen die Sowjetunion überfallen. Das Werk von Menzel und Ucicky erhielt den Pokal des italienischen Ministeriums für Volkskultur. Einen Monat vor der Uraufführung, am 31. Juli, erhielt Heydrich von Göring den Befehl, die geeigneten Schritte für eine "Endlösung der Judenfrage" vorzubereiten. Einen Tag danach, am 1. September, mussten alle jüdischen Bürger des Deutschen Reichs, die sechs Jahre oder älter waren, einen gelben Stern tragen. Am 3. September begannen in Auschwitz die Vergasungsversuche mit Zyklon B.

Am 10. Oktober 1941 war Premiere im Wiener Scala-Kino. Anwesend waren Ucicky, Menzel, Wessely, Raddatz und der Reichsstatthalter Baldur von Schirach. Der Führer war als prächtig geschmückte Büste im Foyer mit dabei. Die Wiener Philharmoniker spielten Beethovens Coriolan-Ouvertüre. Am 23. Oktober 1941 wurde Heimkehr erstmals in Berlin gezeigt. Goebbels verlieh dem Hetzfilm die höchste Auszeichnung, die er zu vergeben hatte: "Film der Nation". Die Nazis hatten nichts dagegen, mit Propaganda auch Geld zu verdienen. Heimkehr kostete 3,7 Millionen Reichsmark, spielte trotz umfangreicher Berichterstattung in der Presse "nur" knapp 5 Millionen ein und blieb damit hinter den finanziellen Erwartungen zurück (bei ungewöhnlich hohen Produktionskosten).

In der Literatur zu Heimkehr ist oft zu lesen, dass das ein Propagandafilm ist, der dem Ereignis, das er propagandistisch begleiten sollte (Einmarsch in Polen), zu weit hinterherhinkte, um die geplante Wirkung zu erreichen. "Die nächtlichen Bombenangriffe", meint Dorothea Hollstein, "die Mängel in der Lebensmittelversorgung, die sich im Winter 1941/42 stark bemerkbar machten und die besorgniserregenden Vorgänge an der Ostfront beschäftigten die Bevölkerung viel zu sehr, als daß sie ein Film über die verjährten Leiden anderer ins Kino gelockt hätte." Das ist die eine Seite. Reine Einspielergebnisse lassen aber nicht zwingend auf die Wirkung schließen, über die man sowieso nur spekulieren kann.

Die andere Seite ist die, dass Heimkehr (Prädikat: "Jugendwert") in den "Jugendfilmstunden" der HJ und auch in anderen Jugendveranstaltungen gezeigt wurde, mit Aufmarsch in geschlossener Formation, Absingen von Liedern und einem Referenten. Meistens fand das in einem Kino statt, am Sonntagvormittag und bei Bedarf auch unter der Woche. Per Verordnung vom November 1939 mussten die Verleiher die ausgewählten Filme kostenlos zur Verfügung stellen. Der Eintrittspreis pro Person betrug 20 Pfennig. 5 Pfennig gingen an den Kinobesitzer. Der Rest wurde zur Deckung der Unkosten verwendet. So etwas geben die vorhandenen Zahlen zu den Einspielergebnissen nicht adäquat wider. Der Komplex der Jugendfilmstunden ist viel zu wenig erforscht.

Auch den Erwachsenen wurde Heimkehr überdurchschnittlich oft in Sonderveranstaltungen gezeigt, was die Wirkung vermutlich intensivierte. Am Tag nach der Premiere in Berlin lief er in einer von Goebbels angeordneten "Feierstunde" für Soldaten, Verwundete und Rüstungsarbeiter. Solche "Feierstunden" gab es dann überall im Reich, und bereits ab Oktober 1941 auch in den annektierten westpolnischen Gebieten und im Generalgouvernement. Zu diesen Veranstaltungen kamen die lokale NS-Prominenz und sonstige Würdenträger, Vertreter kriegswichtiger Berufe, Sanitäter, und einige Verwundete wurden ebenfalls angekarrt, damit man am lebenden Objekt sehen konnte, was der Feind wieder angerichtet hatte.

Wenn man sagt, dass der Film den Einmarsch in Polen rechtfertigen sollte und deshalb nicht mehr aktuell war, als er im Herbst 1941 in den Kinos anlief, ist das zu kurz gegriffen. Propaganda gibt es nicht nur da, wo einem die Bezüge zwischen Fiktion und Wirklichkeit sofort ins Auge springen. Heimkehr schürt anti-polnische, aber eben auch anti-jüdische Ressentiments. Der Film lief zu einer Zeit, in der weiter Menschen aus Westpolen in das Generalgouvernement gebracht wurden, um Platz für die Volksdeutschen zu schaffen und die "Germanisation am Boden" voranzutreiben. Im Deutschen Reich gab es eine wachsende Zahl von polnischen Zwangsarbeitern und bestimmt auch Deutsche, die Mitleid mit ihnen hatten. Änderte sich das, wenn sie Heimkehr sahen? Ich könnte mir gut vorstellen, dass manch einer von den umgesiedelten Volksdeutschen ein schlechtes Gewissen hatte, wenn er jetzt in einer Gegend wohnte, wo vorher die polnische Bevölkerung vertrieben worden war und wenn er nun das besaß, was man diesen Leuten weggenommen hatte. Wie war das also, wenn die Volksdeutschen gruppenweise ins Kino gingen und Heimkehr sahen? Es gibt - allerdings schlecht dokumentierte - Berichte über eine Pogromstimmung in Orten, wo der Film gelaufen war und eine Eintragung im Tagebuch von Alexander Hohenstein (Wartheländisches Tagebuch aus den Jahren 1941/42):

Wenn mit diesem Streifen keine Aufpulverung von Hassgefühlen beabsichtigt sein sollte, dann ist dessen Vorführung hier im Warthegau, vor einer kleinen Minderheit inmitten der schwer unterdrückten polnischen Bevölkerung eine politische Unverantwortlichkeit, die bittere, blutige Früchte tragen kann. Wehe uns, wenn wir wie den ersten auch diesen zweiten Weltkrieg verlieren sollten! Dann wird uns eine lange, böse Rechnung quittiert.

Am 14. Oktober 1941 begann die Massendeportation der Juden aus dem Deutschen Reich in die Ghettos von Kovno, Lodz, Minsk und Riga. Das war vier Tage nach der Wien-Premiere und neun Tage nach der Berlin-Premiere von Heimkehr, wo dem Publikum vorgeführt wurde, wie fürchterlich die Volksdeutschen unter den Juden und den von ihnen aufgehetzten Polen gelitten hatten. Inzwischen führte die Wehrmacht Krieg gegen die UdSSR, die laut NS-Propaganda jüdisch unterwandert war (auch nachzulesen in Mein Kampf). Ursprünglich hatte es Überlegungen gegeben, die Polen genauso zu vernichten wie die Juden. Das wurde verworfen, weil die Nazis befürchteten, dass sie den Rest der Welt dadurch gegen sich aufbringen würden und dass andere zu erobernde Völker mehr Widerstand leisten würden, wenn ihnen nicht "nur" die Verknechtung, sondern ebenfalls die Vernichtung drohte. Neue Pläne sahen vor, die Polen nach dem Sieg über die Sowjetunion nach Westsibirien zu deportieren. Das sind gruselige Szenarien, bei denen Heimkehr propagandistisch nutzbar zu machen war oder sein würde. So unaktuell, wie man glauben könnte, war der Film keineswegs - vor allem dann nicht, wenn man an die "Endlösung" denkt. Ihn unter "Einmarsch in Polen" einzuordnen, ist eine Verharmlosung.

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