Engel der Volksdeutschen
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Mit Bayern, Österreichern und einem Bierzelt im Land der Polen - Das Dritte Reich im Selbstversuch, Teil 12: "Feinde" und "Heimkehr"
Am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. An diesem Tag griff Nazi-Deutschland Polen an. Zur Rechtfertigung von Krieg, Umsiedelung, Vertreibung und "Endlösung" wurden zwei Propagandafilme gedreht, die 1940 und 1941 ins Kino kamen. Beide erzählen die gleiche Geschichte. Der eine, Feinde, ist ziemlich unangenehm, wirkt aber fast schon wieder sympathisch, wenn man ihn mit dem anderen vergleicht. In meiner persönlichen Rangliste der widerlichsten Filme des Dritten Reichs steht Heimkehr ganz weit oben, vielleicht sogar auf dem ersten Platz. Ein Nazi bin ich auch dadurch nicht geworden. Wem bei diesem Film nicht speiübel wird, der sollte sich dringend Hilfe suchen.
Das Dritte Reich im Selbstversuch, Teil 11: "Blick in den Abgrund"
Was hat das Münchner Oktoberfest mit den Hetzfilmen der Nazis zu tun? Antwort: Die Verantwortlichen lieferten ein Bierzelt nach Geiselgasteig, als die Bavaria Filmkunst dort Feinde produzierte (der Brand einer Scheune wurde in einem Prager Atelier gedreht). Ein wichtiger Schauplatz ist ein Wald- und Sumpfgebiet an der polnisch-deutschen Grenze. Weil der Regisseur, der 1891 in Kiew geborene und nach der Oktoberrevolution in den Westen geflüchtete Viktor Tourjansky, keine künstlichen Bäume wollte und weil die Bavaria-Studios am Rand eines großen Forstes liegen, ging man in den echten Wald. Dort wurde das Bierzelt über die Bäume gespannt. So erhielt man eine Art Naturatelier, und Tourjansky konnte Nachtaufnahmen machen, ohne gegen die Verdunkelungsvorschriften zu verstoßen. Beschirmt vom Bierzelt, führen Brigitte Horney und Willy Birgel zweihundert "Volksdeutsche" zurück in die Heimat.
Gegenangriff
Das Jahr 1938 wurde von den Nazis zum "volksdeutschen Jahr" erklärt. Als "Volksdeutsche" bezeichnete man die Angehörigen der in anderen Ländern lebenden deutschen Minderheiten. Ihnen widmeten sich dokumentarische oder pseudo-dokumentarische "Kulturfilme" wie die sehr populären Berichte über deutsche Expeditionen und die Aufbauleistungen deutscher Kolonisten in Afrika, die sich Südamerika zuwendenden Werke wie Deutsches Volk in Brasilien (1938) oder das im Auftrag des Volksbundes für das Deutschtum im Ausland hergestellte Epos Bruder steht zu Bruder (1939). Propagiert wurde die "völkische Erneuerung" der Auslandsdeutschen. Das alles war schon Teil der Kriegspropaganda. Im August 1939 wurde das Kinopublikum aus den im Vorprogramm gezeigten Wochenschauen (Fox, Tobis, Ufa) darauf eingestimmt, dass Hitler nun bald Polen überfallen würde.
Anfang des Monats berichtet die "Ufa Ton-Woche" über Pläne der hemmungslos aufrüstenden Polen, die Deutschen in Danzig plattzumachen und sich die Stadt einzuverleiben sowie über die SA und die Heimwehr der SS, die in Danzig den Grenzschutz übernommen haben, um das polnische Vorhaben zu vereiteln. Dann sieht man Bilder von Flüchtlingen, die der Sprecher so kommentiert:
Während die Bevölkerung Danzigs ruhig und vertrauensvoll die Heimkehr ins Reich erwartet, sind die Volksdeutschen innerhalb der polnischen Grenzen wildestem Terror ausgesetzt. Viele Tausende flüchteten vor den Gewalttätigkeiten der Polen in den Schutz des Reiches und fanden vorläufig in Sammellagern Aufnahme.
Frauen, Kinder und Männer erzählen von ihrem Martyrium in Polen und wie froh sie sind, jetzt in Deutschland zu sein. Eine junge Mutter berichtet, dass sie und ihr Mann ins Gefängnis gesteckt wurden, weil sie ihre Kinder auf eine deutsche Schule in der Grenzstadt Beuthen (das heutige Bytom) geschickt hatten. Einem alten Mann wurde der Sohn ermordet, und ein kleiner Junge ist traurig, weil seine Eltern und fünf Geschwister noch in Polen sind, wo sie verfolgt werden und nichts zu essen haben. Die Wochenschau endet mit Außenminister von Ribbentrop, der nach Moskau fliegt, um den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt fertig auszuhandeln. Das macht den Eindruck, als hätten sich Hitler und Stalin auf diesen Pakt geeinigt, weil ihren Ländern eine polnische Invasion durch Polen droht. Heute wirkt das lächerlich, weil man sich problemlos über die wahren Kräfteverhältnisse und Intentionen informieren kann. Damals war das nicht so einfach.
Die nächste Wochenschau setzt die Geschichte fort. Männer bauen einen Stacheldrahtzaun, und der Sprecher sagt dazu:
Das deutsche Danzig war durch das Diktat von Versailles zu einem Freistaat unter der Kontrolle des Völkerbundes gemacht worden. Abgeschnitten vom deutschen Mutterland, wurde es das Ziel der polnischen Eroberungsgelüste. Die Drohungen Polens wurden unter dem Schutz des englischen Garantieversprechens immer unerträglicher, sodass die wehrfähigen Männer Danzigs die Grenzen ihres Heimatlandes mit der Waffe in der Hand gegen einen polnischen Zugriff schützen mussten.
Dabei, so der Kommentar, wurden deutsche Familienväter von "polnischen Banden" ermordet. Nach Bildern von der Beisetzung eines von Heckenschützen getöteten SA-Mannes, von den Volksdeutschen, die vor den "polnischen Mordbanden" auf "reichsdeutsches Gebiet" geflohen sind und von "planmäßig" niedergebrannten Bauernhöfen vermeldet der Sprecher: "Die unerträglichen Provokationen gingen allmählich so weit, dass sogar deutsches Reichsgebiet nicht mehr verschont blieb." Mitten im Frieden, heißt es, haben die Polen deutsche Wohnhäuser in der offenen Stadt Beuthen mit Artillerie beschossen. Ein Mann mit Hitlerbart steht vor einem Loch in einer Wand und sagt, dass sein Anwesen von polnischen Flugzeugen bombardiert wurde. In Beuthen wurde übrigens in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 die Synagoge niedergebrannt. Später wurde die jüdische Gemeinde als eine der ersten vollständig ausgelöscht.
Weiter mit der Wochenschau: Kämpfe in Danzig. Unter dem Jubel der Bevölkerung fahren deutsche Truppen in die "befreite" Stadt. In London arbeiten nach der Weltherrschaft strebende Politiker daran, mit Hilfe von "Vasallen" wie den Polen einen Weltkrieg zu entfachen. Hitler droht den Polen, dass er zurückschießen wird. Er will verhandeln, die Polen aber nicht. Die Wehrmacht geht zum "Gegenangriff" über, marschiert in Polen ein und entfernt die Grenzbalken, die terrorisierte Deutsche vom Mutterland getrennt haben. Die deutschen Truppen dringen rasch vor. "Mit dankerfülltem Herzen heißen die befreiten Volksdeutschen sie überall willkommen", sagt der Sprecher zu Bildern von Leuten, die mit gestrecktem Arm am Straßenrand stehen und "Sieg Heil!" rufen. "Die Schreckenstage des polnischen Terrorregiments sind endgültig vorüber."
Polen werden gezeigt, die Gräueltaten an Volksdeutschen und Soldaten der Wehrmacht begangen haben und dann Juden mit langen Bärten, die "zum Vernichtungskrieg gegen das deutsche Volk" aufgehetzt haben. Diese Juden, so der Kommentar, haben ihre Verwandten in Länder wie Frankreich und England geschickt, um dort weiter gegen die Deutschen zu hetzten und ihre Vernichtung herbeizuführen. Von den vielen Propagandalügen, die von den Nazis in die Welt gesetzt wurde, ist das eine der schrecklichsten und folgenschwersten. Wir werden ihr wieder begegnen, wenn wir zu Heimkehr kommen.
Feldzug des Verbrechens
Nachdem die Wehrmacht in Polen einmarschiert war, um die deutschen Brüder und Schwestern vor der Vernichtung durch slawische Untermenschen zu retten, handelte Feinde das Thema auch im Spielfilmformat ab. Am Anfang muss man viel Text lesen. Geboten wird eine Zusammenfassung des deutsch-polnischen Verhältnisses aus Sicht der NS-Propaganda:
Ewig unvergessen stehen im Gedächtnis aller Menschen die namenlosen Leiden der Volksdeutschen in Polen. Die gesamte Nachkriegszeit war für sie ein einziger Opfergang. Politische Entrechtung, wirtschaftliche Knechtung, Terror und Enteignung hießen seine Meilensteine.
Das ist kein Zitat aus der Rede eines Vertriebenenfunktionärs nach 1945. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ist gemeint. Und weiter:
Im Jahre 1939 entfachte das englische Garantieversprechen die polnische Mordfurie. Zehntausende unschuldiger Volksdeutscher wurden unter furchtbaren Martern verschleppt. 60.000 wurden viehisch ermordet, zu Tausenden gingen die deutschen Höfe in Flammen auf.
Dazu muss man wissen, dass Hitler versucht hatte, Polen durch Verhandlungen mit England zu isolieren. Das war gescheitert. Der polnische Außenminister Jósef Beck hatte am 6. April 1939 in London einen Beistandspakt mit Großbritannien unterzeichnet. Nach dem "Anschluss" Österreichs und dem Einmarsch im Sudetenland schlossen die anderen europäischen Staaten solche Verträge in der Hoffnung ab, den Expansionsdrang der Nazis eindämmen zu können. In der NS-Version dieser Vorgänge mussten die Volksdeutschen in Polen jetzt noch mehr leiden als zuvor, und die Briten waren schuld, weil sie die Polen - von Natur aus feige und hinterhältig - durch den Pakt zu den Übergriffen ermutigt hatten.
Nach dem einführenden Text gibt es die alten Wochenschaubilder von brennenden Häusern, massakrierten Menschen und Flüchtlingen. Der schriftliche Kommentar dazu: "Ein hemmungsloser Feldzug des Verbrechens gegen Arbeit und Leben friedlicher Volksdeutscher!" Mit weißen Siedlern und mordlustigen Indianern hätte daraus ein passabler Western werden können (ich musste öfter an John Fords Drums Along the Mohawk denken). Die Spielhandlung setzt im Spätsommer 1939 ein. Arnold Wegner, Witwer mit zwei Kindern, betreibt in Polen ein Sägewerk. Keith, der Sohn eines Gutsbesitzers aus Norddeutschland, ist dort als Inspektor tätig. Einer der Arbeiter, der Pole Antech, wiegelt seit geraumer Zeit die Belegschaft auf, provoziert und begeht Sabotageakte. Als er die neue Säge beschädigt, entlässt ihn Keith, obwohl ihm wieder nichts nachzuweisen ist und Wegner vor den Folgen warnt. Keith hat sich bei den Polen viele Feinde gemacht, weil er ein aufrechter Mensch ist und sich nichts gefallen lässt. Das ist brandgefährlich. Als Zuschauer weiß man inzwischen schon, dass die polnische Regierung Waffen an marodierende Banden verteilt und angeordnet hat, die Deutschen zu ermorden.
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