Schwierigkeiten mit der Pressefreiheit im Irak
Der von der US-Regierung eingesetzte Regierungsrat hat den arabischen Sender al-Arabiya wegen Anstiftung zur Gewalt im Irak geschlossen, kurz zuvor hatte Rumsfeld den baldigen Start eines mit den arabischen Sendern konkurrierenden Fernsehsenders angekündigt
Wie erwartet hat der Regierungsrat wohl auf Druck der amerikanischen Zivilverwaltung die Redaktion des arabischen Fernsehsenders al-Arabiya in Bagdad geschlossen und verboten, weiter aus dem Land zu berichten. Vorgeworfen wird ihm, zum Mord aufgerufen zu haben, weil er eine Tonbandbotschaft gesendet hat, die angeblich von Saddam Hussein stammt.
Neben al-Dschasira ist al-Arabiya der populärste Fernsehsender im Irak, wie kürzlich aus einer Umfrage hervorgegangen ist. Die Iraker vertrauen eher den arabischen Satellitensendern als dem von den Amerikanern kontrollierten Iraqi Media Network (IMN). Wer über Satellitenschüsseln verfügt, scheint nur noch dann dem von Hussein übernommenen IMN zu sehen, wenn es um lokale Nachrichten geht. Der IMN wird derzeit von der US-Rüstungsfirma Scientific Applications International Corporation (SAIC) betrieben und sendet lediglich offizielle Verlautbarungen und Pressekonferenzen. Mit 100 Millionen US-Dollar, die vom Kongress bewilligt wurden, soll der Sender modernisiert und konkurrenzfähig gemacht werden (Bush-Regierung will den "Filter" der Medien überspringen).
Am Freitag noch hatte US-Verteidigungsminister Rumsfeld die neue Pressefreiheit im Irak angepriesen, auch wenn die freie Presse hier missbraucht werden. Jetzt könnten die Iraker erstmals frei sagen, was sie sagen möchten. Er kündigte an, dass ein neuer Sender der Zivilverwaltung nächsten Monat starten werde, um gegen die arabischen Sender zu konkurrieren, die er als "violently anti-coalition" bezeichnete. Das aber werde Zeit brauchen. Im Rückblick war die Schließung des Senders möglicherweise ein Schritt zur Ausschaltung der Konkurrenz:
Gegenwärtig sind zwei der beliebtesten Sender, al-Arabiya und al-Dschasira, gewaltsam gegen die Koalition eingestellt, und waren ganz offensichtlich Pro-Hussein, im Fall von al Dschasira. Sie haben ihre Zuschauer, und es wird Zeit brauchen, die Menschen dazu zu bringen, andere Sendungen anzusehen.
Schon seit dem Afghanistan-Krieg versuchen die Amerikaner Druck auf die neuen arabischen Sender, allen voran al-Dschasira, auszuüben, weil sie angeblich antiamerikanische Propaganda machen und immer wieder Videos und Tonbandaufzeichnungen von Bin Laden oder neuerdings Saddam Hussein gesendet haben. Sowohl in Afghanistan als auch im Irak wurden Redaktionsbüros von al-Dschasira vom US-Militär bombardiert, Journalisten wurden beschuldigt, mit al-Qaida zusammen zu arbeiten. Mit der Meinungs- und Pressefreiheit in der arabischen Öffentlichkeit scheinen die Amerikaner nicht zurecht zu kommen (USA vs. Demokratie "Arab Style"), was den Verdacht keimen lässt, dass hier mit einem doppelten Maßstab hantiert wird.
Seit dem Irak-Krieg hat al-Dschasira vor allem mit al-Arabiya Konkurrenz erhalten. Im Juni hatte die Zivilverwaltung Sendungen verboten, die zur "Gewalt und Unordnung" aufrufen. Im September wurde bereits eine Zwei-Wochen-Sperre für Journalisten der beiden Sender ausgesprochen (Verantwortlich für Chaos und Auflehnung).
Nachdem al-Arabiya am 16. November eine angeblich von Saddam Hussein stammende Tonbandaufzeichnung gesendet hatte, in dem auch zu Angriffen auf die Koalitionstruppen und deren Mitarbeiter aufgerufen wurde, wurde die Redaktion des Senders durchsucht, Ausrüstung beschlagnahmt und dem Sender verboten, weiterhin aus dem Irak zu berichten. Ebenfalls durchsucht wurden die Räume des Middle East Broadcasting Center, das zum selben Medienunternehmen gehört.
"Wir haben beschlossen", so Jalal Talabani, derzeit der Vorsitzende des Regierungsrates, "al-Arabiya für eine bestimmte Zeit im Irak zu verbieten, weil er durch die Stimme von Saddam Hussein eine Einladung zum Mord, eine Aufforderung zum Mord gesendet hat." Er kündigte auch an, dass man gegen den Sender aus Dubai auch rechtlich vorgehen wolle. Talabani erklärte, dass vom Regierungsrat ein umfassender Antiterrorplan beschlossen wurde, zu dem auch militärische Maßnahmen gehören. Zudem werde man ab Dezember eine nationale Medienkampagne starten. Ratsmitglied Mowaffak al-Rubaie beschuldigte al-Arabiya, "zur Gewalt aufzurufen, religiöse Spannungen zu verstärken und den Terrorismus zu fördern". Die Sendung der angeblichen Hussein-Rede sei nicht der einzige Grund für das Verbot gewesen.
Die US-Regierung verteidigt die Schließung, die von Journalistenorganisationen kritisiert wird
Der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, stellte sich hinter das Verbot. Man wolle damit vermeiden, "dass diese Medien als Kanal für einen Aufruhr, für aufhetzende Äußerungen und für Äußerungen und Aktionen gebraucht werden, die die Sicherheit der Menschen gefährden, die in Bagdad leben und arbeiten, was auch die irakischen Bürger einschließt".
Der Sender hatte vor der Schließung der Redaktion und der Entfernung der Satellitenverbindung die Anschuldigung zurück gewiesen und jetzt schriftlich versichert, das Verbot einzuhalten, bis der Vorgang rechtlich geklärt ist. Man werde aber weiterhin über den Irak berichten, wenn auch nicht vom Büro in Bagdad aus. Angeblich wurde den Redakteuren das Angebot gemacht, dass weiter gesendet werden dürfe, wenn sie schriftlich versichern, keine Inhalte mehr zu senden, die zu Gewalt anstiften. Das aber kann sehr willkürlich ausgelegt werden und eine freie Berichterstattung verhindern.
Salah Negm, Chefredakteur von al-Arabiya, hat die Entscheidung des Regierungsrats als "unfair" kritisiert: "Als Saddam Hussein an der Macht war, sendeten die BBC und CNN seine Reden, die zur Gewalt gegen andere arabische Politiker aufriefen, aber niemand schritt damals dagegen ein." Negm meinte weiter, dass al-Arabiya über die Ereignisse berichtet, die geschehen:
Wir machen die Ereignisse nicht. Wenn man die Gründe für die Gewalt beseitigen will, dann muss man die Ursachen behandeln. Aber man kann nicht die Medien bestrafen, die darüber berichten, was sich ereignet.
Auch das Committee to Protect Journalists (CPJ) hat die Schließung der Redaktion verurteilt. Die Organisation Reporter ohne Grenzen fordert eine Rücknahme des Verbots, da Medien, wenn sie Äußerungen veröffentlichen, die zur Gewalt aufrufen, nicht für den Aufruf zur Gewalt verantwortlich gemacht werden dürfen:
Die Behandlung der Nachrichten ist die alleinige Verantwortung der Nachrichtenredakteure. Iraks neue Behörden sollten nicht versuchen, eine Nachrichtenorgansiation durch Anwendung von Gewalt zur Veränderung ihrer Redaktionsrichtlinien zu bringen. Solche Methoden gehören der Vergangenheit an und laufen dem Versprechen auf Demokratie zuwider, das dem irakischen Volk gegeben wurde.
Robert Ménard, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen
Kontrolle des Nachrichtenflusses
Das US-Militär versucht auch weiterhin, den Nachrichtenfluss im und aus dem Irak möglichst zu kontrollieren. Nach Anschlägen wird verhindert, dass Bilder von toten und verletzten Soldaten gemacht werden können. Daher können Medien im Regelfall nur die zerstörten Fahrzeuge zeigen, wenn die Absperrung aufgehoben wird. Die Probleme mit der Berichterstattung wurden gerade wieder deutlich, als am Montag die Nachricht zirkulierte, dass nach einem Anschlag auf ein Militärfahrzeug in Mosul Jugendliche die dabei getöteten oder verletzten amerikanischen Soldaten mit Steinen traktiert, geschlagen und ihre Kehlen durchgeschnitten hätten.
Eine der Quellen dieser Nachricht, die Amerikaner natürlich sofort an Somalia erinnert, als 1993 getötete US-Soldaten auf demütigende Weise durch die Straßen geschleift wurden, war wiederum al-Arabiya, allerdings nach der New York Times auch ein Mitarbeiter des US-Militärs. Nach den Bildern aus Somalia hatten die Amerikaner das Land schnell verlassen. Offiziell hatte General Kimmitt jedoch erklärt, dass man prinzipiell keine Einzelheiten über den Tod von Soldaten der Öffentlichkeit mitteile. Ein Sprecher des US-Militärs leugnete jetzt, dass die beiden Soldaten misshandelt wurden:
Ihre Kehlen sind nicht durchschnitten wurden. Die Ursache ihres Todes waren Gewehrschusswunden am Kopf.
Man habe an den Körpern keine Messerverletzungen gefunden, sie seien auch nicht durch die Straßen geschleppt worden. Allerdings seien die Leichen aus dem Fahrzeug herausgeholt und aus diesem auch Dinge gestohlen worden. Man habe keine Erklärung dafür, wie es zu den widersprüchlichen Informationen gekommen sei. Erste Berichte seien normalerweise nicht richtig, diese Informationen wären aus irakischen Quellen gekommen und niemals von offiziellen Stellen bestätigt worden. Egal, ob diese Pentagon-Version zutrifft oder nicht, so würde das US-Militär auf jeden Fall versuchen zu vermeiden, dass ein solcher Vorfall bekannt würde, der die Stimmung in den USA und die Moral der eigenen Truppen beeinträchtigen und den Widerstand bekräftigen könnte.