Seehofer: Für Obergrenzen und Volksentscheide

Der CSU-Vorsitzende reizt die Alternative zu Merkels Flüchtlingspolitik innerhalb der Union weiter aus. Christlich engagierte Kritiker bewerten seine Vorschläge als "weder christlich noch sozial"

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In der CDU haben die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern zu Irritationen geführt und dazu, dass die Machtbasis der Kanzlerin bröckelt. Umfragen bestätigen, dass die AfD der Union auch bundesweit in die Quere kommt (Auch in Berlin dürfte eine Große Koalition nicht mehr möglich sein).

Anders als Merkel, die in Mecklenburg-Vorpommern ihren Wahlkreis hatte, weswegen manche von einer Wahl-Klatsche in ihrem Wohnzimmer sprachen, profitiert die CSU im Süden aus der größeren Entfernung. Partei-Chef Seehofer kann sich aussuchen, was gerade politisch opportun ist. Er kann Merkel kritisieren, warnen, dass die Lage bedrohlich sei, und dann wieder davon sprechen, dass es ihm keinesfalls um Merkel-Bashing gehe, sondern nur um den Erfolg der Union.

Volle CSU-Rückendeckung für Verschärfungsangebote

Im Augenblick geht es ihm vor allem um den nächstliegenden eigenen Erfolg. Seehofer nutzt die Chance, sich weiter als diejenige Führungspersönlichkeit zu profilieren, die eine Unions-Politik vertritt, die auf Abstand zu Merkels unpopulären Kurs in der Flüchtlingsfrage geht. Dies ist der Drehpunkt, auf den er setzt. Immer wieder deutet er aufs Neue an, dass er gewillt ist, im Wahlkampf einen eigenen Kurs einzuschlagen, falls die CDU nicht seinen eigenen Vorgaben folgt.

Ich kann nur hoffen, dass wir uns aufeinander zu bewegen. Wenn wir das tun, haben wir für die Bundestagswahl eine große Chance, wenn wir es nicht tun, haben wir eine große Belastung für beide.

Horst Seehofer

Bei der Vorstandsklausur der CSU hat er nun parteiinterne Rückendeckung für seinen Kurs in der Flüchtlingspolitik bekommen. In seiner Alternative zur Politik Merkels liegen für das Seehofer-Politikmarketing die größten Möglichkeiten. Mit einstimmigen Beschlüssen zu den Themenbereichen Obergrenze, Burka-Verbot und härteren Abschieberegelungen, summa summarum einem Verschärfungsangebot, reist Seehofer zum morgigen Koalitionsgipfel.

Reibungen mit der Realität und dem Grundgesetz

Beschlossen wurde eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr und dass ein Gesetzentwurf zum Verbot des Tragens von Burka und Niqab eingebracht werden soll, allerdings mit der Einschränkung, "wo immer dies rechtlich möglich ist". So räumte Seehofer ein, dass dies bei Richterinnen und in der Schule unbestritten sei, es aber beispielsweise schwieriger "in der Fußgängerzone" würde.

Seehofer weiß, dass viele Kliniken und Geschäfte in Bayern nicht allzu erfreut über zu rigide und damit abschreckende Maßnahmen wären. Während man an nämlich vielen Orten Deutschlands sehr lange suchen muss und meist vergeblich, um eine Burka oder den Niqab in Wirklichkeit zu sehen, ist das in München und an bayerischen Seeufer-Orten mit renommierten Kliniken ganz leicht.

Auf Münchens Prachtmeile, der Maximilianstraße, zeigen sich weitaus mehr Burkaträgerinnen als besorgte Bürger. Es sind Touristinnen aus den Golfstaaten.Ihr Ausbleiben aufgrund einer neuen Kleiderordnung würde manchem Nobelmarken-Geschäft größere Schmerzen bereiten. Dass die CSU auf solche geschäftlichen Bedenken keine Rücksicht nimmt wäre neu, zumal wenn Klinik-Ärzte sekundieren.

Vorrang für Zuwanderer aus "unserem christlich-abendländischen Kulturkreis"

Auch bei einer anderen Forderung bleibt Seehofer im Vagen. In der konkreten Ausführung stellen sich nämlich Probleme. So fordert die CSU ein "Begrenzungs- und Steuerungsgesetz". In dem Papier heißt laut FAZ: "In Zukunft muss gelten: Vorrang für Zuwanderer aus unserem christlich-abendländischen Kulturkreis."

Dass Seehofer betonte, diese Passagen würden sich auf eine "Zuwanderung, aber nicht auf Asylsuchende" beziehen, macht die Sache nicht eindeutiger. Mit dem Asylgesetz sind solche Forderungen nämlich nicht zu vereinbaren. Und selbst wenn Seehofer hier andeuten würde, dass die CSU nun doch ganz leise anfängt, für ein Einwanderungsgesetz zu plädieren, so taugt die Einschränkung, mit der die CSU wirbt, auch nicht für ein solches Gesetz, wie christliche Kritiker vorhalten:

Die Forderung ist mit der Rechtsordnung des Grundgesetzes nicht zu vereinen. Es ist schlicht verfassungswidrig, an Deutschlands Grenzen nach kultureigener und kulturfremder Herkunft zu selektieren, egal ob es sich um Flüchtlinge handelt, die sich auf das Grundrecht auf Asyl oder die Flüchtlingskonvention berufen wollen, oder ob es sich um Zuwanderer handelt, die in Deutschland leben und arbeiten wollen.

Felix Neumann

"Abgrenzung ist keine christliche Kultur", wird ihm von überzeugten Katholiken, die sich dabei auch auf den Papst berufen, entgegengehalten. Das ist für die CSU kein Milieu, deren Kritik die Partei auf die leichte Schulter nehmen kann. Die Verbindung zur katholischen Kirche ist eine Machtbasis der bayerischen Partei.

Bundesweite Volksentscheide

Hier wird Seehofer noch manchen Tanz hinlegen. Dass er dabei sehr genau auf die Stimmung in der Bevölkerung achtet, davon zeigt auch ein weiterer Beschluss der Vorstandsklausur.

Erstmals in der Geschichte wolle die CSU eine Mitgliederbefragung zum Thema bundesweite Volksentscheide abhalten, versprach Seehofer. Bis zum Parteitag Anfang November wolle man sich Klarheit verschaffen, ob die CSU für bundesweite Volksentscheide eintritt und unter welchen Bedingungen.

"Die bundesweiten Volksentscheide könnten dann ebenso wie das neue CSU-Grundsatzprogramm vom Parteitag im November beschlossen werden", berichtet die Tagesschau von den Klausurbeschlüssen.