Seehofer, Steinbrück und der Stern des Südens

Fußball und Wahlkampf: Wem nützt der Fall Hoeneß?

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Der frühere bayerische Ministerpräsident Stoiber (CSU) war vermutlich nicht der erste oder der einzige Politiker, der, um bei Publikumsreden zu zeigen, wie erfolgreiche Politik "geht", nämlich wie Halbfinale, Analogien zur Championsleague und zum FC Bayern spann. Bei ihm war es nur sehr auffällig, dass er den Vergleich zu vielen Gelegenheiten bemühte. Stoiber ist Mitglied des Aufsichtsrates der FCB AG. Sportlicher Erfolg ist in Zeiten, in denen Fitness, Training und Erfolg magische Orientierungswerte in einem profanen Leben geworden sind, eine gerne aufgenommene Zuspielstation von außen, die Auflockerung, garantierten Beifall und Sternenglanz in die mäßig freudvolle, von einer eher spielfeindlichen Vernunft geprägten politische Zone bringt. Mit dem Fall Hoeneß ist nun eine Spielverderber-Nachricht in hybride Illusionen gegrätscht.

Foulspiel Hoeneß, Elfmeter für die SPD und Grüne? Ganz eindeutig ist die Situation nicht. Eine Meldung der Leipziger Volkszeitung aus dem politischen Berater-Hintergrund rückt auch den SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück in Strafraumnähe.

Demnach traf sich Steinbrück in seiner Amtszeit als Finanzminister (2005 bis 2009) mit einer "kleinen Prominenten-Beraterrunde" ab Dezember 2006 "mindestens zwei Mal jährlich". Zur Runde gehörte auch Uli Hoeneß. Als weiteres Mitglied der Runde wird Margot Käßmann namentlich genannt. Die Pointe der Geschichte, die den Vorsitzenden der Linken, Bernd Riexinger, zu unbequemen Fragen veranlasste: Die Beraterrunde tagte in einem Zeitraum, als gesetzliche Maßnahmen zur Steuerhinterziehungsbekämpfung unter dem Finanzminister Steinbrück erwogen wurden, die dann in der Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung vom 18. September 2009 mündeten.

Die Verordnung habe sich als untauglich erwiesen, so die LVZ. Riexinger stellt den Zusammenhang her: Die Verordnung habe "so viele Schlupflöcher wie ein Schweizer Käse gelassen" und Steinbrück trage die politische Verantwortung für das Schlupfloch, "in dem Hoeneß Millionen versteckt hat". Der SPD-Politiker habe "Steuerbetrüger ins Penthouse eingeladen". Der Unterschied zur Linken sei, dass diese dafür sorgen wollen, dass Steuerflüchtlinge vor Gericht landen.

Eine treffliche Attacke auf das "Wir verstehen uns, entre nous"- Milieu - und da sind auch Fragen zu klären. Eine davon wäre aber auch, ob Promi-Berater, im Unterschied zu Wirtschafts-oder Rechtsanwaltkanzleien, tatsächlich einen derart konkreten politischen Einfluss haben. Steinbrück hatte eine ganze Reihe von Beratern, darunter auch den Medienmanager Hans-Roland Fäßler, der das Hoeneß-Consulting damit kommentierte, dass Hoeneß "über Parteigrenzen hinweg" denke.

Steinbrück ist nicht auf der FCB-Ehrentribüne und Hoeneß kein Freund von Gewerkschaften

Inwieweit die Ansichten Hoeneß' Aufnahme in die politischen Projekte Steinbrücks gefunden haben, ist unbekannt. Steinbrück ist jedenfalls nicht der einzige Politiker, der einen Kreis von Prominenten für Gespräche um sich sammelt. Das tat beispielsweise auch der frühere SPD-Kanzler Schröder im Wahlkampf und auch Merkel lädt gerne Prominenz ein.

Die Verbindung Hoeneß/Steinbrück hat einen außergewöhnlichern Anstrich, weil auf der Ehrentribüne des deutschen Rekordmeisters - wie auch in den Celebrity-Herrgottswinkeln der FCB-Prominenz in der Münchner Vorstadt Kitzbühl - meist nur VIPs zu sehen sind, die die richtige Partei-Lederhose tragen oder im konservativen Trachten-Lodenmilieu zuhause sind. Mit der Tracht, die beim Fußballclub leider bis zur Geschmacklosigkeit zelebriert wird, fühlten sich Vertreter des CSU-Bayern ("Laptop und Lederhose) wohler.

Allzu große Nähe dürfte es auch zwischen Hoeneß und Steinbrück nicht gegeben haben - im Unterschied etwa zu Seehofer, der wegen seiner Vertrautheit mit der Sache Hoeneß auch größere Angriffsflächen bietet, die Steinmeier und Ude nun zu nutzen versuchen. Es sind besonders zwei Momente, die Steinbrück nicht gut aussehen lassen.

Einmal, dass er sich mit Hoeneß einen Geschäftsmann als prominenten Berater ausgesucht hat, dessen Unternehmungsführung in seiner Wurstfabrik mit gewerkschaftlichen Mindestanforderungen im Clinch liegt - und wahrscheinlich nicht erst seit 2010, wo ein entsprechender Bericht der SZ erschien (angeblich kein Betriebrat, Löhne unter Tarif, Leiharbeit usw. - vgl. auch "Nürnberger vom Rost, unfair produziert").

Zum anderen kritisiert Steinbrück Hoeneß zwar deutlich:

Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern kriminell. Für Hoeneß darf es keinen Promi-Bonus geben, aber auch keinen Promi-Malus und keine Vorverurteilung.

Aber dass er sich zugleich auch für den Fortbestand der Straffreiheit nach Selbstanzeige ausspricht, wird dem Kandidaten im Wahlkampf auch auf eine Weise ausgelegt werden, die ihn genau in der Rolle zeichnet, die den SPD-Kanzlerkandidaten seit Wochen Schwierigkeiten bereitet: als jemand, der den Finanz-Eliten zu nahe steht, als dass er dort harte Abgrenzung zeigen könnte, wo die SPD-Wähler dies erwarten.

SPD: "Viel tun muss sie nicht, um den Ball im Spiel zu halten"

Geht es nach der taz, so muss die "Zurückhaltung Steinbrücks" in der Sache Hoeneß nicht unbedingt von Nachteil sein. Die Verbindungen zwischen Hoeneß und der bayerischen Landesregierung versprechen eher Vorteile für die SPD: "Letztlich ist der Fall Hoeneß der SPD zufällig zugeflogen. Viel tun muss sie nicht, um den Ball im Spiel zu halten."

Ein weiterer brisanter Kern liegt im Bermuda-Dreieck Hoeneß-adidas-Bayern AG. Wie kam es, dass Hoeneß vom damaligen adidas-Chef einen derart großzügigen Privatkredit eingeräumt bekam? Spielte dies auch eine Rolle dabei, dass adidas trotz guter Angebote des Konkurrenten Nike Hauptausstatter blieb? Dass adidas große Aktienanteile bei dem Fußballclub hält? Wie sehr hat Hoeneß von diesen Geschäften profitiert?

Das sind Fragen, die freilich nicht unmittelbar im Wahlkampf verwendet werden können. Nur ist es halt so, dass Absprachen im Sport Warnlichter anschalten, auch wenn sie nicht direkt mit Spielergebnissen zu tun haben. Das kommt beim Publikum nicht gut an. Dann verblasst der Sternenglanz.

(Nachsatz: Ein paar Fragen mehr zu den Finanzoperationen, die sich in diesem Dreieck abgespielt haben, und den Gewinnen, die daraus geschöpft wurden, könnten möglicherweise Dinge ans Licht bringen, die Freunden des Sports nicht gut gefallen. Da kam der Wirbel, den die heutige Nachricht vom Wechsel des Dortmunder Spielers Mario Götzes zum Konkurrenten Bayern auslöste, gerade recht.)