Selbstverständlich darf jeder kopieren und CDs brennen!

Ruft Justizministerin Herta Däubler-Gmelin zum öffentlichen Hacken von Kopierschutzsystemen auf?

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Lippenbekenntnisse im Hochsommer: Nachdem dem Bundesjustizministerium bei der Anpassung des Urheberrechts ans digitale Zeitalter vonseiten der Grünen eine "völlige Parteinahme für die Informationsindustrie" vorgeworfen wurde (Wider die Content-Kontroll-Manie der Datenherren), nutzte die rote Hausherrin die Aufregung um den zunächst verschlossen gehaltenen, dann aber im Hauruck-Verfahren durchs Bundeskabinett gejagten neuen Entwurf für die Gesetzesnovelle zu einer "Klarstellung": Natürlich dürfen wir weiter für private Zwecke kopieren - aber natürlich dürfen die "Datenherren" der digitalen Vervielfältigung durch technische Maßnahmen auch einen Riegel vorschieben.

Die Justizministerin will es mal wieder allen Recht machen: "Selbstverständlich darf sich jeder von seiner Lieblings-CD eine Kopie zum Beispiel für seinen CD-Player im Auto brennen", ließ sie am Freitag in einer Pressemitteilung verlauten. Wobei im original versandten Word-Dokument die Wörter "selbstverständlich", "eine Kopie" (also anscheinend nicht zwei, wobei die zweite eventuell für den CD-Player im Schlafzimmer sein könnte) und "brennen" (jetzt wird's heiß) fett gedruckt waren. Privatkopien von Musik oder Text seien also auch künftig erlaubt.

Doch ein paar Absätze weiter kommt das "Aber": Die Rechte der "Urheber", die in den meisten Fällen in Realität die Rechte der industriellen Verwerter sind, sollen durch die an die EU-Richtlinie zum Copyright angelehnte Novelle ja schließlich besonders gestärkt werden. "Selbstverständlich dürfen deshalb Musikunternehmen kopiergeschützte CDs verkaufen", erklärt Däubler-Gmelin daher munter und "kopiergeschützt" sowie "CDs" fett setzend weiter.

Da findet das Kopieren- und Brennen-Dürfen also abrupt ein Ende. Denn "das neue Gesetz verbietet es, den Kopierschutz zu knacken und bezieht auch die Herstellung und die Verbreitung dieser sog. Hacker-Software in das Verbot mit ein", wie es auf der zweiten Seite der Mitteilung heißt. Da hilft das angeblich gestärkte Recht auf die Privatkopie, für dessen Beibehalt ohne juristische Tricks sich im Rahmen der Petition privatkopie.net schon rund 30.000 Nutzer ausgesprochen haben, auch nicht weiter.

Frohe Botschaft: Keine unnötige Kriminalisierung von Schülern!

Um die Sache zu verkomplizieren, sieht Däubler-Gmelin in dem Regierungsentwurf aber auch den "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" (mal wieder fett hervorgehoben) gewahrt. "Urheberrecht ja, unnötige Kriminalisierung nein!", lautet ihr Motto. Und da sie selbst Kinder im heranwachsenden Alter hat, bringt sie folgendes Beispiel: "Wenn sich beispielsweise ein Schüler Software aus dem Internet herunterlädt, um einem Klassenkameraden ein geschütztes Musikstück zu kopieren, bleibt dieser straffrei." Gehe es doch nicht um die Kriminalisierung solcher kleinen Verstöße, sondern um die "gewerblichen Rechtsverletzer".

Schön und gut, doch die Interpretation der Ministerin könnten die Verwertungsindustrien vor Gericht vermutlich schnell zu Fall bringen. Der Kernparagraph 95a lautet: "Wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes dürfen ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden, soweit dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang zu einem solchen Werk oder Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu ermöglichen."

Als "wirksam" gilt dabei letztlich jede Technik, Hauptsache, es gibt irgendeine Zugangskontrolle oder es ist eine Verschlüsselungs-Software im Spiel. Das in Paragraph 53 gewährte Recht zum Vervielfältigen für den "privaten und sonstigen eigenen Gebrauch" läuft ins Leere, da laut Paragraph 95b Rechteinhaber nur für den analogen Bereich Nutzern den Zugang zu dem Werk ermöglichen müssen. Kopiersperren bei digitalen Werken und Systeme zum Digital Rights Management bleiben davon unberührt. Beim Streaming von Inhalten, wie es die Musikbörsen der großen Plattenfirmen gerade in den billigen Preissegmenten nur gestatten, sowie generell beim Anbieten von Content unter eigenen Lizenzen bleiben die Verwerter generell ganz Herr "ihrer" Inhalte und müssen keinerlei Kopien in welchem Interesse auch immer ermöglichen.

Cracken bis der Richter kommt

Trotzdem ließe sich die Aussage der SPD-Politikerin "als eine höchstministerielle Lizenz zum DRM-Hacken verstehen", sagt der Berliner Medienforscher Volker Grassmuck. Bedingung sei nur, dass das Knacken der Schutzvorkehrungen ohne gewerbliche Absicht geschehe. Der Beauftragte der SPD-Fraktion für Neue Medien, Jörg Tauss, geht sogar generell davon aus, dass "Einrichtungen zur Umgehung von Schutzmaßnahmen nichtgewerblich genutzt werden dürfen, sofern es zur Herstellung einer Privatkopie dient".

Ob der Gesetzesentwurf, der noch Bundesrat und Bundestag passieren muss, diese Möglichkeiten wirklich hergibt, werden wohl letztlich nur Gerichte entscheiden können. In der Begründung des Gesetzes ist jedenfalls nachzulesen, dass "dem Schrankenbegünstigten ein Selbsthilferecht zur Umgehung der technischen Maßnahmen aus Gründen der Sicherung der Schutzsysteme nicht gewährt werden kann." Doch selbst, wenn eine strafrechtliche Verfolgung von Kopierschutz-Cracks als Ordnungswidrigkeit ausscheidet, könnten Verwerter und Urheber trotzdem noch zivilrechtliche Verfahren gegen die Missetäter anstrengen und auf Schadensersatz und/oder Unterlassung klagen. Auch die Schulhofkinder würden so trotz des Segens der Ministerin in einer rechtlichen Grauzone hantieren.

Klarheit herrscht gemäß der Pressemitteilung erfreulicherweise aber zumindest in einer Sache: "Der Gesetzentwurf kann auf unserer Homepage gelesen und von dort als PDF-Datei herunter geladen werden - auch diese Kopie ist zulässig."