Seltsame Ereignisse im Todestrakt

The Green Mile

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Wer in einem spirituell aufgemotzten Hokuspokus-Drama einer der männlichen Hauptfiguren die Initialen J.C. verpasst, der soll in ewiger Verdammnis schmoren. Und genau dieses Schicksal droht nun Stephen King. Von ihm stammt die Romanvorlage zu Frank Darabonts Film The Green Mile. Schauplatz ist der Todestrakt eines US-Gefängnisses in den dreißiger Jahren.

Paul Edgecomb (Tom Hanks), der Leiter dieser "Abteilung", hat zwar schon viele über die mit grünem Linoleum ausgelegte Meile zum elektrischen Stuhl geführt. Doch als der Gefangene J(ohn) C(offey), ihm überstellt wird, geschehen alsbald seltsame Dinge. Zuerst befreit der fürwahr mächtige schwarze Riese, der zwei kleine Mädchen ermordet haben soll, Paul mit einem kühnen Handgriff von einer schmerzhaften Harnweg-Infektion. Was ja schon seltsam genug ist, und nach einem kleinen Wunder ausschaut, vor allem weil nach dieser Spontanheilung aus J.Cs. Mund eine ganze Schar Fliegen entfleucht. Aber es kommt noch wundersamer: eine kleine Maus, die sich als süßes Haustier im Todestrakt eingerichtet hat, wird von einem echt fiesen Mörder mit Gewalt fast in den Mäusehimmel geschickt. Doch auch das kann J.C. mit seinen heilenden Händen im letzten Moment vereiteln.

Da kommt man schon ein wenig ins Grübeln ... Obwohl man ja von Stephen King als Autor und von King-Verfilmungen einiges gewöhnt ist. Hier jedoch hält sich der Hokuspokus in Grenzen, und auch die Kiste mit den Horroreffekten bleibt meist geschlossen. Mit einer beinahe schon widerwärtigen Ausnahme: Minutenlang wird eine Hinrichtung gezeigt - in allen grässlichen Details! Eine Szene, die Sinn machen würde, wenn der Film sich mit der Todesstrafe ernsthaft auseinandersetzen würde. Aber dieses Thema scheint den Regisseur nicht besonders interessiert zu haben, und selbst der Schauplatz "Todestrakt", der fast gemütlich aussieht, wurde wohl nur gewählt, weil er von seiner Atmosphäre her halt schön unheimlich ist.

Im Vordergrund steht stattdessen männliches Gemüt und Seele. Und eine dazu passende Männerbeziehung, die sich zwischen Paul und seinem Häftling entwickelt: Langsam, über gut drei Stunden und am Schluss dann richtig emotionsgeladen heftig. Allerdings ist diese extreme Überlänge der Knackpunkt des Films. Die Geschichte taugt einfach nicht für drei Stunden, zudem verzettelt sich der Regisseur zu sehr in Randepisoden und langatmigen Dialogen. Selbst der Schluss ist mit Blick auf die Initialen J.C. ja vorhersehbar. Und dass der schwarze Riese kein Mörder ist, das ahnt man schon nach fünf Minuten.

Was bleibt, ist die gute darstellerische Leistung aller Akteure. Vorneweg natürlich Tom Hanks, aber auch Doug Hutchison als sadistischer Gefängniswärter und Michael Clarke Duncan als J.C. sind mehr als erwähnenswert. Ob sie jedoch Stephen King noch vor der ewigen Verdammnis bewahren können, sei einmal dahingestellt. Den Film jedenfalls konnten sie nicht retten.