Setzt die EZB die Notenpresse ungebremst in Gang?

Debattiert wird zur Deflationsbekämpfung der unbegrenzte Anleihekauf und auch Portugal wird mit neuen EZB-Tricks die Rückkehr an die Kapitalmärkte geebnet

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Nun wird in der Europäischen Zentralbank (EZB) auch mit Tricksereien eine "Portugal-Erfolgsshow" gefeiert. Damit das Land wieder langlaufende Anleihen günstig am heutigen Mittwoch absetzen konnte, wurden erneut EZB-Kriterien aufgeweicht. Nun dürfen auch die Anleihen des Landes als Sicherheit bei der Notenbank hinterlegt werden, die allseits in die "Ramsch"-Klasse eingestuft werden. Da die Frankfurter Notenbank schon mit ihrer Konjunkturpolitik fast alles Pulver zur Deflationsbekämpfung verschossen hat (Pulver verschossen: Die von der EZB geöffneten Geldschleusen werden immer gefährlicher), wird jetzt offenbar auch darüber debattiert, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, um Inflation über die Notenpresse zu erzeugen.

Nun scheinen die Notenbanker in Frankfurt tatsächlich die dicken Geschütze in Stellung zu bringen. Es war schon bekannt, dass in der EZB zur Bekämpfung der immer gefährlicheren Deflationstendenzen darüber nachgedacht wurde, Staatsanleihen im Umfang von einer Billion Euro zu kaufen. Dieser Ankauf soll in Frankfurt schon konkret durchgespielt worden sein, hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung Anfang des Monats berichtet.

Doch jetzt schreibt der Spiegel, dass das "Anleihekaufprogramm unbegrenzt" sein könnte, wenn sich das Programm mit einer Billion Euro als unwirksam erweise und die Inflation nicht ausreichend steige. Gesprochen wird davon, dass die "letzte Waffe im Kampf gegen eine zu niedrige Inflation" vorbereitet werde. Tatsächlich hatte die EZB angesichts der Deflation, die inzwischen auch das große Euroland Spanien erfasst hat, auch "unkonventionelle Maßnahmen" in ihrer Geldpolitik angekündigt. Eingeräumt worden war nach der letzten Zinssitzung, als der Leitzins nicht weiter von 0,25% gegen Null gesenkt wurde, dass auch über sogenannte Maßnahmen des "Quantitative Easing" (QE) gesprochen worden war, wie sie Japan, die USA und andere schon anwenden.

Die Berichte über Anleihekäufe, was faktisch das Anwerfen der Notenpresse bedeutet, sind schon deshalb glaubhaft, weil vor der letzten Zinssitzung bereits diejenigen eingeknickt waren, die sich vorher immer vehement gegen diesen Schritt ausgesprochen hatten. So hatten sich Bundesbank-Chef Jens Weidmann und sein finnischer Kollege Erkki Liikanen nicht mehr kategorisch gegen Anleihekaufprogramm ausgesprochen. Noch bei der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Anleihen-Käufe hatte Weidmann ganz anders argumentiert: "Egal, ob es um Zinsen geht oder um irgendwelche Sondermaßnahmen - am Ende läuft es immer darauf hinaus, dass die Notenbank für Ziele der Fiskalpolitik eingespannt werden soll", sagte er. Er warnte sogar davor, dass die ständigen Geldspritzen "süchtig machen wie eine Droge".

Offenbar wird erneut eine Notmaßnahme zum Normalzustand, wie es zum Beispiel auch schon mit dem Rettungsschirm geschehen ist (Wie ein Krisenmechanismus zum Normalzustand mutiert). Eigentlich hatte der EZB-Präsident Mario Draghi, nachdem die EZB schon Staatsanleihen von Krisenstaaten im Umfang von 200 Milliarden Euro gekauft und damit gehörige Risiken in die Notenbank verlagert hat, im September 2012 erklärt, man werde im Notfall auch unbegrenzt Staatsanleihen kaufen. Dies wurde im Rahmen eines befürchteten Absturzes des großen Eurolandes Spaniens zur Rettung des Euro in den Raum geworfen.

Bisher ist es Draghi mit dem Öffnen der Geldhähne gelungen, dass auch Krisenländer wie Irland sich wieder an den Kapitalmärkten refinanzieren können, obwohl sich ihre Lage im Vergleich zum Zeitpunkt, als sie unter den Rettungsschirm gegangen sind, eher verschlechtert hat. Die Verschuldung des Staates ist über die Bankenrettung explodiert und sogar das Haushaltsdefizit war 2013 noch immer mehr als doppelt so hoch, wie es nach den Stabilitätskriterien sein sollte (Die große Irland-Erfolgsshow) Die Arbeitslosigkeit ist vor allem deshalb gesunken, weil zahllose Menschen das Land verlassen haben.

Der Griff in die Trickkiste

Und man kann es noch deutlicher an Griechenland aufzeigen, dass es die Geldschwemme ist, die das Casino wieder richtig geöffnet hat. Einst musste das Land unter den Rettungsschirm gehen, weil die Verschuldung mit etwa 130% der Wirtschaftsleistung zu hoch war und niemand ihm mehr Geld leihen wollte. Doch seither wurde das Land in die Depression gestürzt, die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie nie zuvor, die Verschuldung auf 175% gestiegen und plötzlich erhält Griechenland wieder Kredite zu scheinbar bezahlbaren Zinsen.

Das ist absurd, aber lässt sich zum Teil damit erklären, dass ja in all den Jahren den Investoren klargemacht wurde, dass im Ernstfall der Steuerzahler zur Kasse geben wird. Zudem hatte man in die Trickkiste gegriffen und eine zusätzliche Sicherung eingebaut: Die Anleihe wurde nach britischem Recht begeben und das schließt einen Schuldenschnitt wie 2012 gegen den Willen der Gläubiger aus. Banken, die Geld von der Zentralbank praktisch zum Nulltarif erhalten, machen also ein enormes Geschäft, wenn sie es Griechenland risikolos zu einem Zinssatz von 5% verleihen.

Ohnehin können die Griechenland-Anleihen weiter als Sicherheit bei der EZB hinterlegt werden, weil ja der Rettungsschirm und der Steuerzahler hinter ihnen stehen. Denn es war die nächste Notmaßnahme gewesen, dass die EZB für die Krisenländer unter dem Rettungsschirm die bisherige Bonitätsschwelle außer Kraft setzte. Ihre Anleihen konnten auch als Sicherheit hinterlegt werden, obwohl sie von den Ratingagenturen als Ramsch und ausfallgefährdet angesehen werden.

Wie aus Portugal ein erfolgreicher Rettungsfall gemacht werden soll

Und hier sind wir beim nächsten Griff in die Trickkiste, denn mit allen Mitteln soll nun ja auch aus Portugal ein erfolgreicher Rettungsfall gemacht werden. Das heißt wie bei Irland nicht, dass das Land seine Schulden, sein Defizit oder die Arbeitslosigkeit im Griff hätte. Nein, es geht nur darum, dass das Land wieder Geld an den Kapitalmärkten erhält. Und um den Anlegern den Kauf zu versüßen, hat die EZB gerade die eigenen Kriterien weiter aufgeweicht.

Da Portugal im Juni aus dem Rettungsschirm aussteigen will, könnten die Anleihen eigentlich nicht mehr bei der EZB hinterlegt werden, weil alle großen Ratingagenturen sie als Ramsch bewerten. Doch, so wurde gerade berichtet, hat die Zentralbank die Mindestanforderung gelockert. Da die kleine kanadische Ratingagentur DBRS die Kreditwürdigkeit des Landes mit einem "BBB (low)" bewertet, wurde nun die EZB-Mindestanforderung just auf diese Stufe gesetzt, damit die Anleger auch nach dem Ausstieg die Papiere weiter als Sicherheit hinterlegen können. Bei allen großen Ratingagenturen wird Portugal aber als Ramsch bewertet. Aber bei der EZB gelte "die eigenwillige Regel, dass nur das beste Rating entscheidend ist", schreibt die Tageszeitung Die Welt.

Ist es also noch ein Wunder, dass auch Portugal die "große Nachfrage" nach seinen Anleihen feiert? Die Zinsen der neuen zehnjährigen Anleihen lagen am Mittwoch bei nur 3,57% und damit so tief wie seit Anfang 2006 nicht mehr. Das Angebot von 750 Millionen Euro war 3,5-fach überzeichnet. Doch auch Die Welt hatte schon vor der Versteigerung erklärt, dass "die Nachfrage nach den riskanten Anleihen nur deshalb so hoch ist, weil die EZB mit fragwürdigen Mitteln nachgeholfen hat".

Ohnehin ist es nicht das erste Mal, dass die Regeln der EZB in der Krise aus politischen Gründen an die jeweilige Lage angepasst werden. Immer wieder hatte die Zentralbank die Anforderungen an Kreditsicherheiten in der Krise gesenkt. Nun ist eher erstaunlich, dass das auch geschieht, wenn die Krise doch angeblich bereits überwunden sein soll.