Silvio Berlusconi: Die perfekte Maske der Macht

Seite 2: Medien sind Mythenmaschinen: Die Berlusconi-Galaxis

Um das heutige Italien gut zu verstehen, muss man das objektiv betrachten, das heißt, man muss vergessen, dass es Griechen, Römer und Italiener der Renaissance gegeben hat. Dann wird man bemerken, dass an Mussolini nichts Altes ist. Er ist immer und manchmal ohne es zu wollen, ein moderner Mensch. ...

Sie werden in diesen Tagen viel von Caesar und vom Rubikon hören, aber das ist gutgläubige Rhetorik, die Mussolini nicht gehindert hat, eine völlig an moderne Aufstandstaktik zu entwerfen und anzuwenden.

Curzio Malaparte, Technik des Staatsstreichs

Italien, schrieb Die Zeit um die Jahrtausendwende, sei im Übergang zur "autoritären Demokratie". Berlusconi drückte es ähnlich, aber auf seine Art aus: Er fühle sich "ein bisschen wie Napoleon und ein bisschen wie byzantinische Kaiser Justinian".

Medien sind Mythenmaschinen. Der Medienmogul Berlusconi erkannte die Macht des Fernsehens, die Macht der Versprechungen. Er begriff als Erster, dass in einer Zeit, in der den Bürgern von der Politik abgesprochen wird, die wichtigen Dinge noch beurteilen zu können, in denen "Experten" in Talkshows gewählten Politikern mit ihrer "Expertise" über den Mund fahren dürfen, und in der sich die Öffentlichkeit nicht mehr zutraut, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden, die alten Kategorien der "echten" Politik" sich in der Simulation der Politik verflüchtigen.

In einer Welt unter der Herrschaft von technisch manipulierbaren Bildmedien gilt: "Die Realität" "existiert" nicht, und kann deshalb von Medien auch nicht abgebildet werden. Sie wird erzeugt: Durch Interpretationen und Neuzusammenstellung der Fakten, die nie "richtig" oder "falsch" sind, sondern überzeugend, überredend, selbstevident oder sexy. Durch Inszenierungen.

Der instinktive Medientheoretiker

Berlusconi wusste: Das Einzige, was hier zählt, ist die Emotion – starke Bilder, großes Spektakel und tolle Atmosphäre.

So zog er die Konsequenzen und erkannte "Cäsarisierung" und "Bonapartisierung" als Gebot des Medienzeitalters, mit segmentierten, unübersichtlichen gesellschaftlichen Verhältnissen und ebenso fragmentierten Parteien.

In dieser republikanischen Fürstenherrschaft, in der Demokratie zunehmend mehr simuliert als praktiziert wird (so Danilo Zolo nach Niccolò Machiavelli) folgt politisches Handeln der sich ausbreitenden Marktlogik einer Gesellschaft, deren Geisteszustand mit "Infantilismus" und "Regression" noch freundlich beschrieben wird.

Insofern zog der instinktive Medientheoretiker Berlusconi einfach nur die Summe aus den Thesen der postmodernen Philosophen und setzte sie in die Praxis um: Die "Agonie des Realen" wurde zuerst von Jean Baudrillard beschrieben.

Was früher einmal Realität war, verwandelte sich, so der postmoderne Vordenker, in eine "Hölle der Simulation" aus Datenströmen und medialem Schein, in der die Politiker nur noch auf das Trugbild reagieren, das die Medien von der Politik erzeugen.

In ihrem Essay "Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität" hat die italienische Philosophin Elena Esposito die Berlusconi-Welt als eine Welt beschrieben, in der Tatsachen und Fiktionen zu einem undurchsichtigen Dritten werden, zu einem "neuen metaphysischen System".

Nennen wir dieses System, in dem "kritische Öffentlichkeit" und "Vernunft" allenfalls eine Geste sind oder eine Rolle: Berlusconi-Galaxis.