Simbabwe: Jetzt oder Nie!

Bei den Wahlen in Simbabwe steht noch immer kein Sieger fest

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Mehr als zwei Tage nach denen am Samstag stattgefunden Parlaments- und Präsidentenwahlen in Simbabwe steht noch immer kein Sieger fest. Bis Montagabend wurden erst 52 der insgesamt 210 Wahlkreise ausgezählt. In der Parlamentswahl zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der größten Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) von Morgan Tsvangirai und der Regierungspartei Zimbabwe African National Union-Patriotic Front (ZANU-PF) von Staatspräsident Robert Mugabe ab.

Eine Frau zeigt ihren mit Tinte markierten Finger nach Abgabe der Stimme. Bild: MDC

Der 84-jährige Mugabe regiert das Land seit 28 Jahren. Seit Anfang des Jahrzehnts hat sich das Land zum Inbegriff eines Krisenstaates entwickelt. Die Wirtschaftskrise findet ihren dramatischsten Ausdruck in einer Hyperinflation, in vielen Teilen des Landes herrscht Nahrungsmittelknappheit und die von Mugabe betriebene Landreform hat nur vordergründig die koloniale Landverteilung in Frage gestellt. Die verschiedenen Faktoren haben dazu beitragen, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung in den letzten Jahren das Land verlassen hat. Der Niedergang des Landes kann jedoch nicht nur Robert Mugabe und der Regierungspartei angelastet werden.

Um die heutige Krisensituation zu verstehen, bedarf es eines Blicks in die Geschichte. Das Ziel des Unabhängigkeitskrieges in Simbabwe war in erster Linie die Wiederherstellung der Landrechte der afrikanischen Bevölkerung. Doch das 1979 in London getroffene Lancaster-House-Abkommen zwischen den Kriegsparteien machte diese Hoffnungen schnell zunichte. Es schuf zwar die Grundlage für die politische Souveränität des Landes, doch bedeutete faktisch nur einen Verhandlungsfrieden, denn das weiße Siedlerregime war nicht militärisch besiegt worden. Eine Revision der Landnahme durch die weißen Siedler und die British South African Company war nicht vorgesehen. In der vorläufigen Verfassung wurden demnach auch umfassende politische und ökonomische Sicherungsrechte der weißen Minderheit verankert, u.a. bedeutet dies, dass vor allem Landbesitz und Bergwerke nicht angetastet werden durften.

Robert Mugabes vielfach vom Westen gelobte Versöhnungspolitik konnte somit keine substanziellen Veränderungen erreichen. Weder wurde eine Landsteuer erhoben, um die Millionen Hektar ungenutzter Agrarfläche einer Bewirtschaftung zuzuführen, noch wurden andere Maßnahmen ergriffen, um die Enteignung und Kapitalisierung von afrikanischem Land und natürlichen Ressourcen zu entschädigen.

Stattdessen versuchte der Staat in Folge die ausbleibende Landreform durch den Aufbau eines Industriesektors zu kompensieren. Diese Entwicklung wurde durch die Aufnahme internationaler Kredite finanziert, die Folge war jedoch die wachsende Abhängigkeit Simbabwes von den internationalen Institutionen. Im Zuge der Implementierung von durch die Weltbank auferlegten Strukturanpassungsmaßnahmen verstärkten sich Probleme wie Klientelwirtschaft und Nepotismus. Hierdurch versuchte Mugabe seine eigene Machtbasis zu sichern. In diesem Zusammenhang nahmen auch die Farmbesetzungen seit Beginn dieses Jahrzehnts zu, von denen viele an ehemalige Kriegsveteranen verteilt wurden. Gleichzeitig versuchte Mugabe durch die Farmbesetzungen interne Feinde wie die weißen Farmer und die Farmarbeiter zu treffen, deren Unterstützung häufig der neu entstandenen Oppositionsbewegung MDC gilt.

Präsidentschaftskandidat Morgan Tsvangirai von der MDC. Bild: MDC

Wahlarithmetische Kreativität statt Gewalt

Überraschenderweise ist es bei den aktuellen Wahlen bisher nicht zu den massiven Übergriffen gegenüber der politischen Opposition gekommen, die zuletzt die Nachrichten aus Simbabwe bestimmt hatten. Noch Ende Februar hatte Mugabe offene Drohungen ausgesprochen und verkündet, dass es in Simbabwe niemals einen Machtwechsel geben werde. Wie es scheint, wird dieses Versprechen bislang noch nicht mit politischer Gewalt eingelöst, sondern mit wahlarithmetischer Kreativität.

Der langsame Auszählungsprozess der Parlamentssitze und Präsidentenstimmen ist in diesem Kontext nur der vorläufige Höhepunkt einer Vielzahl von Unstimmigkeiten. So wurden für die knapp sechs Millionen Wähler neun Millionen Wahlzettel gedruckt und in einigen kaum bewohnten Regionen sind vielfach mehr Menschen in die Wahlregister eingetragen, als dort leben. Dass es zum Wahlbetrug kommen wird, scheint festzustehen, schwierig wird es für die Opposition jedoch dieses zu beweisen. Die MDC hat daher in viele Wahlbüros eigene Vertreter entsendet, die die Ergebnisse festgehalten und fotografiert haben.

Auf der Basis dieses Materials veröffentlichte der MDC-Generalsekretär bereits am Sonntag die ersten Ergebnisse, die einen 60 prozentigen Stimmenanteil der MDC anzeigten. Doch es darf bezweifelt werden, dass dieser Anteil einem landesweiten Durchschnitt entspricht. Denn die MDC dominiert zumeist in Städten, während die ländlichen Regionen, in denen etwa 60 Prozent der Simbabwer leben, noch immer der ZANU-PF zugeneigt sind. Verantwortlich ist hierfür u.a. die Hungerpolitik Mugabes, die die Zuteilung von Lebensmittelrationen von der Unterstützung der ZANU-PF durch die Bevölkerung zur Bedingung macht.

Es ist davon auszugehen, dass in den ländlichen Regionen am ehesten versucht wird, die Wahlergebnisse zu manipulieren. Anti-Mugabe NGOs, wie das Netzwerk Zimbabwe Democray Now bedienen sich zur Verhinderung dessen daher ungewöhnlicher Methoden und haben 5000 Dollar Belohnung für Hinweise auf Wahlfälschung ausgelobt.

„Now or never! – Jetzt oder nie“. Mit diesem Gefühl dürften die meisten Menschen in Simbabwe am Samstag zur Wahl gegangen sein, denn Mugabes Herrschaft wackelt diesmal mehr als sonst. Dabei erwächst die Opposition bei dieser Wahl nicht nur von Seiten der MDC, sondern erstmals auch aus den eigenen Reihen. Mit Simba Makoni hat sich erstmals ein führendes Mitglied aus der ZANU-PF gegen Mugabe positioniert und tritt als unabhängiger Kandidat an. Obwohl Makoni keine realistischen Gewinnchancen prophezeit werden, könnte seine Kandidatur folgenreich sein. Mit ihr verbindet sich die Chance, dass es innerhalb Regierungspartei zu Brüchen kommen wird, die Mugabe nicht mehr kontrollieren kann. Zusätzlich wird davon ausgegangen, dass Makoni Stimmen erhält, die sonst an Mugabe gegangen wären und dessen absolute Mehrheit gefährden. Damit würde die Möglichkeit einer Stichwahl zwischen Tsvangirai und Mugabe in drei Wochen immer wahrscheinlicher. Und die Ruhe in Simbabwe könnte schnell einem Ende entgegengehen.