Skandal-Bericht über Nord-Stream-Anschläge: Mediale Grabenkämpfe
Seite 3: Journalismus: Eine Quelle ist eine Quelle ist eine Quelle
- Skandal-Bericht über Nord-Stream-Anschläge: Mediale Grabenkämpfe
- Wie Telepolis mit dem Bericht von Seymour Hersh über die Nord-Stream-Anschläge umgeht
- Journalismus: Eine Quelle ist eine Quelle ist eine Quelle
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Damit kommen wir zu den Reaktionen in den Leitmedien, also der selbsternannten Qualitätspresse. Dort wurde mehrfach an zentraler Stelle behauptet, Hersh würde sich nur auf eine Quelle berufen, was dem Beitrag die Seriosität nehme.
Hersh gibt an, seine Informationen von einem Whistleblower erhalten zu haben. Wie viele Whistleblower müssten sich dann bei Journalisten melden, damit diese die geleakte Informationen verwenden können, um nicht als unglaubwürdig zu erscheinen? Hier scheinen Vorverurteilung und der Wille zum politischen Framing gewirkt zu haben.
Ferner hat Hersh die grundlegenden Pflichten eines Journalisten erfüllt: Er konfrontierte das Weiße Haus und die CIA mit seinem Informationen und zitierte die Antworten
Asked for comment, Adrienne Watson, a White House spokesperson, said in an email, "This is false and complete fiction." Tammy Thorp, a spokesperson for the Central Intelligence Agency, similarly wrote: "This claim is completely and utterly false.
Seymour Hersh
Auch mehrere deutsche Mainstream-Medien führten diese Zitate an, ohne darauf hinzuweisen, dass sie aus dem Artikel selbst stammten. Sie verwendeten Hershs Arbeit sozusagen gegen ihn. So findet sich in einer redaktionell bearbeiteten Meldung der Deutschen Presse-Agentur im Nachrichtenmagazin Focus der Absatz aus Hershs Artikel paraphrasiert wieder:
Der 85-jährige Hersh (…) ist zuletzt aber auch immer wieder mit fragwürdigen Recherchen aufgefallen. Die Quellenlage zu Nord Stream ist ungesichert, die USA und Norwegen haben den Bericht scharf zurückgewiesen. "Das ist völlig falsch und eine vollkommene Erfindung", erklärte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Adrienne Watson.
Focus
Wir von Telepolis haben in unserer Berichterstattung über den Fall Hersh, der auch ein deutscher Medienfall ist, auf die Doppelmoral der hiesigen selbsternannten Qualitätspresse hingewiesen; auch unsere Kollegen von der Berliner Zeitung gingen auf die Medienresonanz ein.
Denn in vielen Fällen, in denen es opportun erschien, genügte es auch den Medien, die Hersh nun als unseriös darstellen, sich auf die Aussagen eines einzigen "senior official" oder eben eines "hohen Beamten" zu stützen. Auch wenn dadurch vielleicht ein dritter Weltkrieg ausgelöst wird, weil so ganz nebenbei am frühen Abend der Raketenangriff Russlands auf die Nato gemeldet wird.
Und eine letzte Bemerkung zu diesem Thema. Das ganze mediale Tohuwabohu war nichts als ein Sturm im (deutschen) Wasserglas. International, wir haben das recherchiert, gab es überhaupt keine Aufregung über den Hersh-Bericht. In Lateinamerika als auch in Asien und Afrika wurde der Artikel und die These gelegentlich nachrichtlich erwähnt.
Also alles mal wieder German Angst. German Aufregung. Und German Doppelstandard.
Artikel zum Thema:
David Goeßmann: Seymour Hersh: USA stecken hinter Nord-Stream-Sabotageakt
Thomas Pany: Medien-Debatte über Hersh: Fragen bleiben
Sebastian Köhler: Harsche Reaktionen auf Hershs Artikel
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