Skandalpreis statt Friedenspreis: Warum sich der Börsenverein des Buchhandels moralisch verrannt hat

Seite 2: Serhij Zhadan steht nicht für Frieden. Nicht literarisch, nicht persönlich.

Für einige Aufregung sorgte dieser Tage ein Kommentar des langjährigen Fernsehjournalisten Franz Alt zum Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Die Wahl des verantwortlichen Börsenvereins des deutschen Buchhandels war auf den ukrainischen Schriftsteller Serhij Zhadan gefallen. Franz Alt hielt das wegen aggressiver antirussischer Kommentare für skandalös.

Der Ansicht Alts, dessen Kolumnen Telepolis seit Jahren bisweilen von dessen Homepage sonnenseite.com übernimmt, stand im krassen Widerspruch zu einem Bericht des medialen Mainstreams. Tagesschau.de etwa stellte Zhadan als "Schriftsteller, Musiker und freiwilligen Helfer im Krieg" vor. Für sein Werk und seinen humanitären Einsatz sei er mit dem Friedenspreis geehrt worden. Zu den antirussischen Kommentaren: nichts weiter.

Daher noch mal einige Worte zum journalistischen Umgang: Zunächst hat Telepolis die Kolumne übernommen und als Kommentar kenntlich gemacht. Die Zitate Zhadans, die maßgeblich aus einem Artikel der Wochenzeitung Die Zeit wiedergegeben waren, wurden verifiziert. Eine umfassendere Darstellung, wie sie im Telepolis-Forum mitunter eingefordert wurde, ist immer anstrebenswert, war aber in diesem Fall nicht notwendig.

Was zu einigen notwendigen Worten zur inhaltlichen Einordnung führt: Zhadans entmenschlichende Rhetorik über "die Russen" ist abzulehnen. Punkt. Das gilt in diesem Fall ebenso wie entsprechende und stärker werdende Tendenzen in Russland gegenüber "den Ukrainern".

Wenn Zhadan "die Russen" als "Horde", "Verbrecher", "Tiere", "Unrat" bezeichnet, dann kann er das als Vertreter eines attackierten Landes tun. Auch das muss von der sicheren deutschen Redaktions- und Forenperspektive aus eingestanden werden. Aber es disqualifiziert ihn eben für einen Friedenspreis. Dafür muss man nicht sein Tagebuch "Himmel über Charkiw" lesen. Diese und weitere Äußerungen stehen für sich und zeigen, dass dem Börsenverein der moralische Kompass verlorengegangen ist.

Das gilt auch angesichts des Umstandes, dass der Börsenverein einem unguten Zeitgeist folgt. Der hat schließlich auch begünstigt, dass der telegene Drohnenmörder Barack Obama den Friedensnobelpreis verliehen bekommen hat. Ebenso wie der Tigray-Völkermörder Abiy Ahmed.

Diese Widersprüche zu thematisieren, ist und bleibt journalistische Pflicht.