Sloterdijks Idee der "helfenden Hand" findet Einlass in die Politik

Seite 2: Für den Geschäftsführer, für Johannes ... oder für wen oder was?

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Die Jungpiraten kritisieren auch, dass durch die Spendenaktion letztendlich nur eine Person profitiert - nämlich Johannes Ponader. Dies ist (anders als in manchen Debatten angenommen) keine Neiddebatte, sondern letztendlich der Hinweis darauf, dass hier jemand nur durch seine Position, seine mediale Präsenz und seinen Bekanntheitsgrad in der Lage ist, diese Aspekte für die amtsbezogene Spende zu nutzen. Zwar wird dies nicht in der Kritik erwähnt, doch dieser Aspekt kann durchaus auch zu Spannungen innerhalb der Partei führen da jene, deren Lebenssituation der des Johannes Ponader ähnelt, die jedoch weiterhin entweder auf ihre Erwerbstätigkeit oder aber auf Transferleistungen angewiesen sind, sich allein gelassen und/oder aber benachteiligt fühlen könnten.

Die Personenbezogenheit und die Amtsbezogenheit sind in diesem Fall sogar widersprüchlich. So wird einerseits ja mitgeteilt, dass die Spenden nur solange an Johannes Ponader gehen sollen, wie er politischer Geschäftsführer ist, was auf Amtsbezogenheit hinweist, andererseits aber ist keineswegs angeregt worden, auch den nächsten politischen Geschäftsführer auf diese Art zu unterstützen, sodass eine Personenbezogenheit gegeben ist.

Johannes Ponader. Foto: Nocke-de. Lizenz: CC BY 3.0.

Die Frage, ob nun eine Person oder ein Amt gefördert werden soll, ist keineswegs nur akademisch, sie steht auch für die Frage, ob die politische Tätigkeit der einzelnen Piraten überhaupt vergütet werden soll oder nicht. Bisher haben sich die Piraten gegen eine solche Vergütung ausgesprochen. Sie setzen darauf, dass politische Arbeit durch die Piraten, egal in welchem Amt, ehrenamtlich geleistet wird. Doch dies setzt voraus, dass die Existenzsicherung des Einzelnen entweder durch Erwerbstätigkeit oder durch Transferleistungen gesichert ist.

Aufgrund der Bedingungen, die an die Gewährung von Transferleistungen geknüpft sind, dürfte sich die Arbeit z. B. eines politischen Geschäftsführer schwerlich mit ihrer Bezugsberechtigung vereinbaren lassen. Zwar ist ehrenamtliche Tätigkeit nicht verwerflich - im Gegenteil - doch bei einer Tätigkeit, die es letztendlich notwendig macht, sich mehr als zehn Stunden täglich zu engagieren, bleibt die Frage, inwiefern sich dies tatsächlich mit den Bedingungen zur Transferleistung (regelmäßiges Bewerben/Bemühen um eine Verringerung der Bedürftigkeit usw.) vereinbaren lässt. (Zum Thema "Bedingungen der Transferleistung" mehr in Teil 2 dieses Artikels: "Vertane Chancen").

Die Alternative wäre, sich den Bedingungen zu beugen (quasi im Austausch gegen die Transferleistung) und insofern die politische Betätigung nicht mit soviel Engagement wie möglich durchzuführen, sondern quasi als unbezahlten Nebenjob. Ob dies aber einer Tätigkeit gerecht wird, die letztendlich Fragen in Bezug auf das Leben und die Lebensumstände der Bevölkerung eines Landes behandeln soll, ist die nächste Frage.

Der Sinn der Diäten

Um die Frage, ob politische Tätigkeit vergolten werden sollte, lohnt ein Blick in das Geschichtsbuch. So waren bis 1906 politische Tätigkeiten ehrenamtliche Tätigkeiten. Die Abgeordneten des Reichstags durften keine Gelder für ihre Tätigkeiten erhalten. 1871 noch wurde sogar in der Verfassung des Deutschen Reiches ein Diätenverbot verankert. 1874 gab es zumindest eine Bahnfreikarte für die Abgeordneten - der Rest musste von ihnen privat finanziert werden, was es insbesondere jenen, die über wenig finanzielle Mittel verfügten, (fast) unmöglich machte, sich politisch einzubringen bzw. einer Abgeordnetentätigkeit nachzugehen.

Durch dieses Diätenverbot sollte die Abhängigkeit der Parlamentarier von Geldflüssen durch wen auch immer verhindert werden - es führte jedoch gerade auch zum Ausschluss derjenigen, die das damalige Klientel der damaligen Arbeiterpartei SPD darstellten. Erst 1906 gelang es der SPD, Diäten für Abgeordnete durchzusetzen.

Zwar geht es bei der Diätenfrage nicht um politische Geschäftsführer - jedoch bleibt die Frage die gleiche: Soll es letztendlich nur jenen mit genügend Eigenmitteln möglich sein, sich politisch zu engagieren - oder soll es allen möglich sein? Wenn die Antwort auf die Frage lautet, dass es allen möglich sein soll, so folgt dieser Antwort die Frage, wie man dies ermöglicht. Die etablierten Parteien in Deutschland und Österreich haben sich dahin gehend geeinigt, dass Funktionäre aus Parteigeldern bezahlt werden. Die Piratenpartei hat sich dem verschlossen - ohne jedoch Gegenentwürfe zu präsentieren.