Smart Devices und Big Brother

Intelligente Geräte treffen auf Containerbewohner - wer wohl schlauer ist?

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Da sag mal einer Big Brother sei der Niedergang der Kultur und geradezu die Versinnbildlichung von Nichtsnutzigkeit. Was erfunden wurde zur Belustigung der Massen, soll nun den seriösen Zwecken des Marketings und der Usability-Forschung dienen.

Manchmal ist die Zeit einfach reif für neue Erfindungen, manchmal liegen große Ideen so fassbar in der Luft, dass zeitgleich die Infinitesimalrechnung, das Telefon oder die Idee “wir sperren ein paar Container-Heinis mit Smart Devices ein" geboren wird.

Solches geschieht in Eindhoven und in London.

In Eindhoven steckt der Elektronikriese Philips dahinter, der alles zwischen Bügeleisen, Elektrorasierer, Webcam und DVD+RW-Brenner herstellt. Die Niederlande, denen wir den zivilisatorischen Fortschritt der Big-Brother-Show danken dürfen, nehmen auch hier wieder eine Vorreiterrolle ein. Anstatt einer Familie einen Kühlschrank ins Haus zu liefern und drei Wochen später zu fragen, ob dieser zu gefallen wusste, besann man sich auf holländische Big-Brother-Werte und verfrachtet die Familie in ein zweistöckiges Haus mit zahlreichen Smart Devices und 20 verborgenen Kameras. Die Versuchsfamilie kann dann dort zwei Monate leben, sich der Technik erfreuen und den Forschern im Philips-Labor hübsche Filme liefern.

Auch wenn ich tausend Zungen (oder Tastaturen?) hätte, könnte ich kaum die Wunder beschreiben, die sich im HomeLab (so der Name dieses Häusleins) befinden: Der Badezimmerspiegel ist zugleich ein Screen, der Kinder beim Zähne Putzen bei Laune hält und den Erwachsenen durch Anzeige des BMI allmorgentlich den Tag verdirbt. Der Wohnzimmertisch frägt die E-Mails ab, während die Wohnzimmerwände große Plasmascreens sind und sich somit das behagliche Wohngefühl einstellt, das man aus dem bekanntesten Feuerwehrmann-Roman der Literaturgeschichte (nein, nicht Grisu) kennt.

Nicht den Idealen der Forschung und der Technologie, sondern vielmehr dem Marketing und dem Kommerz dient die Aktion im Londoner Harrod's-Kaufhaus, das einst dafür bekannt war, alles Kaufbare der Welt liefern zu können, heute eher als ägyptischer Totentempel für die unglückliche Prinzessin Prominenz erfährt.

Aber nicht nur für das Memorial ist Platz, sondern auch für vier Containeristen, die sich mit LG-Electronics-Smart-Devices für eine Woche zusammensperren lassen. Die Geräte sind ein Kühlschrank (der auch mit WWW und E-Mail umgehen kann und als Hub für die anderen Kästen dient), eine Mikrowelle, eine Waschmaschine und eine Klima-Anlage. Bekanntlich hat Big Brother mehr zur Demokratisierung unserer Gesellschaft beigetragen als der ganze Volksabstimmungsdiskurs, und so ist es nur mehr als angemessen und gerecht, dass Websurfer auf der Website über die Aufgaben für die Container-Insassen abstimmen dürfen. Jeden Tag gibt es prominente Besucher, darunter Kim Wilde - was uns einen traurigen Einblick in deren Engagementliste gibt und uns erkennen lässt, dass sich auch Stars einstiger Zeiten manchmal zu wirklich miesen Mucken herablassen müssen.