Snapchat und die neue Dotcom-Blase

Seite 2: Parallelen zur Dotcom-Blase

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Hier drängen sich die Parallelen zur Dotcom-Blase regelrecht auf. Telepolis sprach deshalb schon vor drei Jahren davon, dass sich die Dotcom-Blase 2.0 nun herausbildet. Auch vor 20 Jahren war die Blase von spekulativen Gewinnerwartungen und stark steigende Aktienkurse bei angeblich zukunftsweisenden und stark wachsenden Technologieunternehmen geprägt. Allerdings waren die damaligen Summen, gemessen an den Beträgen heute, vergleichsweise bescheiden.

An die Sternchen von einst, die Gewinne produzieren sollten, erinnert sich heute kaum noch jemand. Netscape war eine der Zukunftsfirmen, für die der ehemalige Online-Riese AOL 1998 vor dem Platzen der Blase 4,2 Milliarden US-Dollar hingeblättert hat.

Statt wie erhofft zum weltweit größten Internetprovider und einer "neuen Superpower der High-Tech-Industrie" zu werden, wurde es ein Rohrkrepierer. Zwar gibt es AOL noch, doch der einstige Riese ist unbedeutend geworden und für den Netscape-Browser wurden schon vor neun Jahren die Weiterentwicklung und der Support eingestellt. Das war damals einer der größten Deals in der Dotcom-Blase. Doch heute haben wir es mit ganz anderen Summen zu tun, wie zum Beispiel der Facebook-Börsengang oder die Übernahme von WhatsApp durch Facebook für 19,5 Milliarden Dollar gezeigt haben.

Wie schon Ende der 1990er Jahre ist auch jetzt bei vielen der nun noch extrem höher bewerteten Firmen genauso unklar, wie sie Gewinne erwirtschaften sollen. Das ist zwar bei einigen Aufsteigern wie Uber oder Airbnb sogar noch einigermaßen nachvollziehbar. Doch auch hier sind die Börsenbewertungen wegen der Blasenbildung völlig überhöht. Der Schreck der weltweiten Taxibrache ist mit etwa 68 Milliarden Euro sogar schon doppelt so viel wert wie Snap. Doch auch Uber hat Probleme und stößt auf massiven Widerstand in vielen Ländern und bei vielen Gerichten. Ob langfristig erwartete Gewinnen eintrudeln, wenn die sogenannte "shared economy" reguliert oder stärker reguliert wird, und auch dafür gesorgt wird, dass die Firmen und ihre Nutzer Steuern bezahlen, darf bezweifelt werden.

Twitter als Beispiel

Andere Modelle, die wie Twitter dann dem Modell Snap deutlich ähnlicher sind und bei denen mehr als unklar ist, wie sie über Werbung hinaus nennenswerte Einnahmen generieren wollen, verbrennen seit Jahren viel Geld. Wer sich die Grafik von Twitter anschaut, müsste sich vielfach überlegen, ob er sein Geld in ein Projekt wie Snap steckt. Seit Jahren schreibt der Kurznachrichtendienst massive Verluste. Er hat bisher nicht in einem einzigen Quartal einen Gewinn verbucht. Die Verluste lassen sich schon auf fast 2,3 Milliarden Dollar beziffern. Ein vernünftiges Geschäftsmodell sieht anders aus und bei Twitter kann man wohl kaum noch davon ausgehen, dass man es noch mit Anlaufschwierigkeiten zu tun.

Obwohl Twitter über den neuen US-Präsidenten weltweit einen massiven Werbeschub bekam, legte die Zahl der monatlich aktiven Nutzer im Schlussquartal 2016 nur noch um 2 Millionen auf 319 Millionen zu. In den USA ist längst ein Sättigungsgrad erreicht, denn es gab dort keine neuen Nutzer mehr, die Zahl stagniert dort bei 67 Millionen, nachdem im Vorquartal noch eine Million neue Nutzer hinzugewonnen werden konnte.

Die Werbeeinnahmen aber, die auch bei Twitter die Haupteinnahmequelle bilden, gingen trotz gestiegener Nutzerzahlen zum Jahresende im Vergleich zum Vorjahresquartal sogar um drei Millionen Dollar zurück. Insgesamt nahmen zwar die Umsätze im vierten Quartal leicht mit 0,9% zu, doch auch hier ist eine klare Parallele wie bei Snapchat zu sehen. Denn auch bei Twitter wuchs der Verlust gegenüber dem Vorjahresquartal deutlich. Er verdoppelte sich von 90 auf 167 Millionen Dollar sogar fast. Allein im vergangenen Jahr verbrannte Twitter also mehr als eine halbe Milliarde Dollar. Erfolgreiche Geschäftsmodelle sehen anders aus.

Schwarmdummheit

Deshalb sind die Fragen der NZZ eigentlich nur so zu beantworten, dass man es hier mit einem Schwarmverhalten einer Herde zu tun hat, die offensichtlich erneut wie die Lemminge auf dem Weg in den Abgrund sind. Schwarmintelligenz ist das nicht. Während einige wenige massive Gewinne einstreichen werden, wie einst, wird die Masse massive Verluste einfahren. Eines ist klar: Blasen, vor denen sogar die US-Notenbank (FED) schon gewarnt hat, haben nun einmal das Problem, dass sie irgendwann platzten. Und diverse Beobachter warnen längst davor, dass die neuen Blasen deutlich dramatischer sind als die, die im Jahr 2000 geplatzt ist, auch weil die Welt noch immer die Nachwirkungen davon verdaut und die Weltwirtschaft insgesamt noch weniger robust ist.