So können wir die Städte der Ukraine vor dem Krieg bewahren

Seite 2: Diese Optionen bietet die Haager Landkriegsordnung

Eine Kapitulation ist ein offensichtliches Tabu, auch weil der ehemalige ukrainische und moskaunahe Präsident Wiktor Janukowitsch das vom gegenwärtigen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gefordert hat.

Wäre es aber nicht möglich, die Waffenstillstandsverhandlungen dadurch zu beschleunigen, dass die derzeit belagerten und am meisten gefährdeten Städte Kiew, Mariupol und Charkiw, aber auch Odessa und andere Orte sich zu "unverteidigten Stätten" erklären?

Die Haager Landkriegsordnung von 1907 hat diese Möglichkeit zum ersten Mal in Artikel 25 definiert:

Es ist untersagt, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude, mit welchen Mitteln es auch sei, anzugreifen oder zu beschießen.

So allgemein und unscharf dieser Ausweg formuliert ist, er ist während des Zweiten Weltkrieg von zahlreichen Städten in der Angst vor der brutalen Kriegsführung der Nazi gewählt worden: Rotterdam 1940, Paris, Brüssel, Belgrad 1941, Rom 1943, Orvieto, Florenz, Athen 1944 etc.

Nicht immer hat diese Erklärung die Städte vor der brutalen Zerstörung durch die deutsche Armee bewahrt. So wurden Rotterdam und Belgrad von der deutschen Luftwaffe bombardiert.

Noch kurz vor Kriegsende im April 1945 konnten sich zwei deutsche Städte, Ahlen und Gotha, erfolgreich vor den Angriffen der Alliierten durch ihre Erklärung zu "offenen Städten" schützen.

Magdeburg hingegen erklärte sich am 7. April 1945 nicht zur "offenen Stadt", sondern zur Festung, die sich bis zum letzten Blutstropfen verteidigen würde. Nach einem schweren Luftangriff zwölf Tage später wurde die Stadt nahezu dem Erdboden gleichgemacht und von den US-Amerikanern besetzt.

1977 wurde das Konzept vom ersten Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen von 1949 in Artikel 59 fast wortgleich übernommen. Es wurden nur einige Voraussetzungen für die Erklärung in Absatz zwei hinzugefügt: So müssen alle Kombattanten sowie die beweglichen Waffen und die bewegliche militärische Ausrüstung verlegt worden sein.

Militärische Anlagen oder Einrichtungen dürfen nicht zu feindseligen Handlungen benutzt werden. Behörden und Bevölkerung dürfen keine feindseligen Handlungen begehen. Schließlich darf nichts zur Unterstützung von Kriegshandlungen unternommen werden.