Sodom und Gomorrha

Griechisch-orthodoxe Horrorszenarien angesichts drohender Anerkennung von homosexuellen Lebensgemeinschaften

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Glaubt man hohen Kirchenfürsten der griechisch-orthodoxen Kirche, dann droht dem Lande ein Zustand wie in „Sodom und Gomorrha“. Die Menschenwürden „tiefer sinken als Tiere“ und die „Strafe Gottes“ auf sich herabziehen.

Bischof Anthimos von Thessaloniki. Bild: imth.gr

Auslöser all diesen Ungemachs ist eine Gesetzesinitiative, die es in Zweierbeziehungen zusammenlebenden Griechen ermöglichen soll, ohne den Segen der Kirche oder die Urkunde des Standesamtes sonst nur Verheirateten zustehende Rechte gegenüber dem Staat in Anspruch zu nehmen. „Die Kirche akzeptiert und segnet die überlieferte Eheschließung nach dem orthodoxen Ritus und hält jede andere Form einer 'ehelichen' Beziehung für Prostitution“, kommentierte der Bischof Anthimos von Thessaloniki, im Namen der orthodoxen Heiligen Synode das gotteslästerliche Vorhaben des griechischen Justizministers. Und das, obwohl in dessen Plänen eine Anwendung des geplanten Lebensgemeinschaftsvertrages nur für heiratsunwillige heterosexuelle Paare vorgesehen war.

Genau das hatten Homosexuellenverbände und die griechische Linksallianz Synaspismos kritisiert. „Es sind vor allem die Homosexuellen, die von den bisherigen Regelungen ausgeschlossen werden“, meint Panagiotis Pantos aus der Abteilung für Menschenrechte des Synaspismos. „Für heterosexuelle Paare gibt es die Möglichkeit, sich mit geringstem Aufwand standesamtlich trauen zu lassen.“

Griechenland ist weit davon entfernt, ein laizistischer Staat zu sein (Staat, Kirche, Sex and Crime). Die führende Rolle des Orthodoxen Christentums ist schon in der Verfassung festgeschrieben. Zu groß ist außerdem die Macht der Kirchenfürsten einer Religion, die auch durch vielfältige Privilegien und Traditionen fest in der Bevölkerung verankert ist. Priestergehälter und Renten werden in Griechenland aus Steuereinnahmen finanziert. Weder auf ihren immensen Besitz noch auf Gewinne ihrer zahlreichen Unternehmen zahlt die orthodoxe Kirche auch nur einen Cent Steuern. Im Gegenteil, die kirchliche Hilfsorganisation „Solidarität“ greift Jahr für Jahr den Löwenanteil des staatlichen Budgets für Nichtregierungsorganisationen ab. Jeder Ministerpräsident und jede neu gewählte Regierung werden im Parlament vom Erzbischof vereidigt. Schulgebet und Ikonen im Klassenzimmer gehören zum Standardrepertoire jeder Bildungseinrichtung, auch in jedem Gerichtssaal wacht ein Jesusbild über der Richterbank. Und für die Anerkennung einer nicht orthodoxen Religionsgemeinschaft in Griechenland braucht es die Zustimmung der orthodoxen Kirchenfürsten.

Immer wieder mischen sich Kirchenobere in Angelegenheiten ein, die sie nichts angehen, so jüngst in die außenpolitische Streitfrage um die Anerkennung der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien unter ihrem selbstgewählten Namen Mazedonien. Letztes Jahr wurde ein Geschichtsbuch für die Grundschule von der Ministerin für Bildung und Religionsangelegenheiten (sic!) zurückgezogen, da es die von derselben mythisch überhöhte Rolle der Kirche im Befreiungskampf gegen die Osmanenherrschaft im 19. Jahrhundert auf realistische Dimensionen zurückstufte.

Aus Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen, aber auch weil ihre eigenen Mitglieder gläubige Schäfchen der orthodoxen Herde sind, scheuten sich alle bisherigen Regierungsparteien, auf eine faktische Trennung von Staat und Kirche zu drängen. Erst im vergangenen Jahr konnte sich die Nea Dimokratia-Regierung dazu durchringen, zumindest die Besuche orthodoxer Priester in griechischen Schulen zwecks Abnahme einer „freiwilligen“ Beichte zu verbieten.

Eigentlich könnte die Kirche trotzdem beruhigt sein. Auch wenn es seit Mitte der 80er Jahre legitim ist, sich die Ehe nicht kirchlich absegnen zu lassen, sind rein standesamtliche Trauungen immer noch die absolute Ausnahme. Das mag vielleicht auch an der spartanischen standesamtlichen Zeremonie liegen. „Ich kenne viele Leute, die mit Kirche eigentlich nichts am Hut haben und trotzdem kirchlich heirateten“, meint Panagiotis Pandos. „Sie schätzen einfach das ganze Brimborium.“

Was die Kirche denn machen würde, wenn Homosexuelle standesamtlich getraut werden könnten, wurde der Vorreiter fundamentalistischen Christentums, Anthimos, unlängst von der griechischen Presse gefragt. „Dann werden wir uns die Haare raufen“, antwortete der orthodoxe Bischof. Das sollen sie gerne tun können. Aber auch nur das. Mehr ist Kirchenoberen in keinem Staat möglich, der sich ernsthaft laizistisch nennen kann.