Solarstrom aus Nanodrähten

US-Forscher haben winzige Solarzellen konstruiert, die Nanoelektronik als Stromquelle dienen könnten

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In der Elektronik ist seit längerem ein ungesunder Trend zu beobachten: Während die aktiven Elemente immer stärker schrumpfen, wächst ein weiteres Bauteil mit den gestiegenen Anforderungen an die Stromversorgung. Man werfe nur mal einen Blick in einen leistungsstarken PC: Was in dessen Gehäuse den meisten Platz wegnimmt, sind nicht die Rechen- oder Grafikchips, sondern das Netzteil.

Sollte sich diese Tendenz bis in die künftige Nanoelektronik hinein fortsetzen, würde es mit der Zeit schwierig, deren Sinn zu rechtfertigen. Der Formfaktor technischer Geräte würde irgendwann nur noch vom Display und von den Anforderungen an die Stromversorgung bestimmt. Wenn die Hersteller nicht gar einen der Faktoren vernachlässigen und der schlanken Form halber einen unterdimensionierten Akku vorsehen - wie bei dem ein oder anderen MP3-Player oder manch Digitalkamera heute schon.

Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme vom Ende eines koaxialen Nanodrahtes (Foto: B. Tian, Lieber Group, Harvard University)

Eine Kraftquelle in den Strukturgrößen der aktuellen Elektronik-Generation wäre da sehr wünschenswert - wie es sie ein Forscherteam um Charles Lieber von der Universität Harvard konstruiert hat. Die Wissenschaftler stellen ihre Arbeit in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature vor. Das Element bezieht Energie aus dem Sonnenlicht - eine (im Vergleich zu vom Menschen erzeugten Energiearten) für die nächsten paar Milliarden Jahre noch sehr zuverlässige Quelle, die nur nicht rund um die Uhr zur Verfügung steht. Das Photoelement besteht aus einem Nanodraht, der 200-mal dünner als ein menschliches Haar ist.

Es hat eine Struktur, die wir aus dem Alltag von Antennen- und Netzwerkkabeln kennen: Seine Elemente sind koaxial angeordnet. Und zwar besteht der Kern aus p-dotiertem Silizium, auf das eine Schicht aus (beinahe) reinem Silizium folgt. Als Mantel dient wiederum n-dotiertes Halbleitermaterial. Diese Struktur sorgt für eine recht effiziente Trennung der Ladungsträger, die letztlich die Grundlage für die photovoltaische Stromerzeugung bildet. Die Energie des Sonnenlichts löst Ladungsträger aus dem Kristallgitter - und damit man auch etwas davon hat, muss man diese technisch davon abhalten, gleich wieder zu rekombinieren.

Darin ist die koaxiale p-i-n-Struktur der Harvard-Forscher vergleichsweise erfolgreich, weil die Distanz, die die Ladungsträger zum „Sammelpunkt“ zurücklegen müssen, kürzer ist als die mittlere Strecke, nach der sie wieder im Material selbst rekombinieren. Das hat auch den Vorteil, dass an die Materialqualität der verwendeten Silizium-Struktur nicht ganz so hohe Anforderungen zu stellen sind.

Jedes der Nanoelemente, das maßen die Wissenschaftler im Experiment, generiert bei Standardbeleuchtung rund 72 Picowatt. Dieser Wert blieb über mehrere Monate konstant - die Photozellen zeigen also eine sehr gute Stabilität. Dabei erreichen sie eine Umwandlungseffizienz von 3,4 Prozent. Das klingt zunächst niedrig (kommerziell erhältliche Systeme - nicht im Nanobereich - liegen eher bei zehn Prozent, siehe „50% Wirkungsgrad bei Solarzellen?“), lässt sich aber durch ein besseres Einkoppeln der Beleuchtung ins System verbessern. Zudem erhöht sich offenbar die Effizienz bei stärkeren Lichtquellen.

Verglichen mit ähnlich großen Konkurrenzstrukturen (etwa einer Silizium-Polymer-Kombination), ist der Wirkungsgrad der p-i-n-Struktur aber heute schon größer. Die Wissenschaftler zeigen dann auch mit einfachen Experimenten, dass sich ihre Photozellen zur Konstruktion selbstversorgender Schaltkreise eignen. Ganz nebenbei verhalten sich die winzigen Drähte übrigens auch als Dioden - womöglich kann man sie ja außer zur Stromgewinnung parallel auch noch als logische Elemente einsetzen.