Sollen jetzt alle syrischen Mediziner das Land verlassen?
Deutsche Kliniken bangen um ihr syrisches Personal. Jeder zehnte ausländische Arzt kommt aus Syrien. Was passiert, wenn sie jetzt gehen müssen?
Kaum war der syrische Machthaber Assad gestürzt und hatte das Land verlassen, forderte Jens Spahn 1.000 Euro Handgeld und einen Freiflug nach Syrien für alle syrischen Migranten. Was als billiges Wahlkampfmanöver gedacht war, ging letztlich nach hinten los.
Nachdem man für das chronisch unterbesetzte deutsche Gesundheitswesen schon seit vielen Jahren händeringend weltweit nach qualifiziertem Personal sucht, wollen Teile der Politik auf der Welle der Migrationsgegner jetzt eine der größten Gruppen der zugewanderten Ärzte und Altenpfleger aus Syrien jetzt schnellstmöglich wieder nach Hause schicken.
Immerhin stammt die größte Zahl berufstätiger ausländischer Ärzte in Deutschland aus Syrien: Insgesamt sind es 5.758, davon arbeiten 4.987 in deutschen Krankenhäusern, die übrigen sind ambulant oder in anderer Form ärztlich tätig. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2023 und dürften inzwischen noch höher sein. Somit stammen etwa zehn Prozent der 64.000 Mediziner mit ausländischem Pass, die in Deutschland arbeiten, aus Syrien.
Die Bundesärztekammer geht davon aus, dass die ausländischen Ärzte überproportional häufig in kleineren Häusern und außerhalb von Ballungszentren tätig sind. Benötigt würden sie vor allem auch in ostdeutschen Flächenländern, dort würden sich ohne Migration von Medizinern Versorgungsangebote vor Ort reduzieren.
In Thüringen hat schon heute jeder vierte Arzt Migrationshintergrund. Bei der Thüringer Landesärztekammer waren Anfang 2023 rund 1.760 nichtdeutsche Mitglieder registriert. Die meisten davon kamen zum damaligen Zeitpunkt aus Syrien.
Größere Krankenhäuser können Personalmangel teilweise mit KI auffangen
Unter dem Ärztemangel leiden in erster Linie die kleineren Häuser auf dem Lande, die bei jeder Klinikreform zuoberst auf der Streichliste stehen und die bei deutschen Ärzten nicht oberste Priorität besitzen. Diese sind für zugewanderte Ärzte ein durchaus guter Einstieg in das deutsche Gesundheitswesen.
Wird diese Migration jetzt aus politischen Gründen reduziert, wird sich die medizinische Versorgung abseits der Metropolen deutlich verschlechtern und ländliche Regionen noch unattraktiver machen.
Für größere Kliniken in den größeren Städten besteht neben der größeren Attraktivität des Umfelds des jeweiligen Arbeitsplatzes einschließlich einer besseren Ausbildungsmöglichkeit für die Kinder auch der Vorteil, dass man Routineaufgaben wie die Dokumentation von Eingriffen und Krankheitsverläufen künftig auf KI-gestützte Assistenzsysteme abwälzen kann.
Dazu zählen nicht zuletzt die zeitraubenden Arztbriefe, die benötigt werden, damit der Hausarzt die Möglichkeit erhält, die Patientenbehandlung ambulant fortzusetzen.
Für die Pflege im Krankenhaus können künftig für alle Routineaufgaben wie Medikamenten- und Essensverteilung auch humanoide Roboter eingesetzt werden, mit denen man in Asien schon heute die Pflege entlastet. Für kleinere Häuser ist eine solche Umstellung kaum zu realisieren und somit bleibt auf dem Land nur die Schließung und eine Reduzierung der Notfallversorgung.
In der Altenpflege würde der Verlust syrischer Pfleger große Lücken hinterlassen
Eine größere Rückkehrerwelle syrischer Flüchtlinge in ihre Heimat würde laut dem Katholischen Krankenhausverband Deutschland deutliche Lücken bei der medizinischen Versorgung hierzulande reißen.
So berichtet der Deutschlandfunk am 14.12. 2024:
KKVD-Geschäftsführerin Rümmelin sagte der KNA, man rechne mit spürbaren Konsequenzen, wenn syrische Ärzte und Pflegekräfte in großer Zahl in ihr Heimatland zurückkehrten. Ärzte aus Syrien stellten die größte Gruppe unter ausländischen Medizinern. Das deutsche Gesundheitssystem sei auf ausländische Fachkräfte angewiesen. Ähnlich hatte sich der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gaß, geäußert.
Ein weiteres Problem besteht auf der Seite der syrischen Altenpfleger in Deutschland. Ihre deutsche Ausbildung wird in Syrien nicht benötigt, weil es dort keine institutionalisierte Altenpflege gibt, also weder Pflegeheime noch ambulante Pflegedienste. Dort ist die jeweilige Familie für die Pflege der Alten zuständig.
Die Hürden für zugewanderte Mediziner in Deutschland sind sehr hoch
Die syrischen Ärzte in Deutschland haben ihre Zulassung trotz aller Hindernisse der deutschen Bürokratie erreicht, was jedoch vielen bislang nicht gelungen ist, wie das Beispiel eines syrischen Mediziners zeigt, der in der Ukraine studiert hat.
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Das zuständige Landesamt im Saarland verlangt von ihm einen Nachweis für ein praktisches Jahr, wie es in Deutschland zum Medizinstudium gehört. In der Ukraine gibt es das jedoch nicht. Die Behörden verlangen nun, dass Alfantash ein dort nicht übliches praktisches Jahr in der Ukraine nachholt, was schon wegen des Krieges für den Mediziner keine Option ist.
Wie lange sich Mediziner ohne deutschen Pass künftig neben der deutschen Bürokratie auch die Widerstände aus Teilen der Politik noch zumuten wollen, ist derzeit kaum abzuschätzen.
Wenn die von diesen Politikern angestrebte Ausreisewelle jedoch beginnt, dürfte es um die Gesundheitsversorgung in Deutschland übel bestellt sein, weil sowohl qualifizierte Arbeitskräfte das Land verlassen, als auch keine neuen ihr Glück in Deutschland suchen, weil dies ihr Heimatland untersagt.
Dass die Ausbildung in Deutschland nicht ausreicht, um den Bedarf an Medizinern zu stillen, kommt als Problem noch hinzu und so machen zahlreiche deutsche Medizinstudenten den einheimischen Interessenten ihren Ausbildungsplatz streitig.