Sorry Kinder, so geht es nicht weiter!
Seite 2: Nicht Kleckern, sondern Klotzen
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Tatsächlich ist die deutsche Schulmisere gravierender, als sich das viele eingestehen wollen. So hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im September letzten Jahres eine Studie veröffentlicht, nach der in deutschen Schulen mehr als 45 Milliarden Euro investiert werden müssten, um sie zu sanieren. Immer mehr Kommunen seien betroffen, während die Energiekrise das Problem verschärfe.
Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage von Schulleitungen, in Auftrag gegeben vom Verband Bildung und Erziehung (VBE), fehlen hochgerechnet 32.000 bis 50.000 Lehrkräfte. 57 Prozent der Schulen gaben an, dass mindestens eine Stelle nicht besetzt werden konnte.
Die Zahlen der Kultusministerkonferenz (KMK), wonach nur rund 12.500 Lehrer:innen fehlen sollen, kritisieren der VBE und der Deutsche Lehrerverband als geschönt. Denn in vielen Bundesländern würden Stunden am Anfang des Schuljahres je nach Lehrermangel gestrichen, sodass der Bedarf nur auf dem Papier gedeckt sei. In manchen Ländern würden auch Eltern oder andere Nicht-Pädagogen als sogenannte Schulhelfer eingesetzt und in der Statistik als Lehrkräfte verrechnet.
Der Mangel ist keineswegs neu oder vom Himmel gefallen. Schon auf meinen Schulzeugnissen aus den 1980er-Jahren ist über diversen Fächern immer wieder der Stempelaufdruck zu lesen gewesen: "Wegen Lehrermangel nicht erteilt". Die Geburtenraten geben zudem sehr exakt an, was in Hinblick auf Schulen auf uns zukommen wird.
Sanierungen wurden über Jahrzehnte verschlafen. Kultusministerkonferenzen und Bildungsgipfel haben daran nichts geändert. Viele Worte wurden in vielen politischen Reden gewechselt, hehre Bekenntnisse zur Bildung ausgesprochen. Was fehlte waren die entsprechenden konkreten Taten, um Vorsorge zu leisten.
Zugleich wird die Verantwortung für die Misere ständig auf andere abgewälzt. Die Parteien schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. "Bürokratisierung", starre Strukturen und der Föderalismus müssen immer wieder als Buhmänner herhalten.
Wenn dann mal über mehr Geld geredet wird, verweisen die Schulbehörden auf die Landesregierung, das Land auf die vom Bund verankerte Schuldenbremse, der Bund auf den Maastricht-Vertrag der EU, der der Neuverschuldung der Mitgliedsstaaten enge Grenzen setzt.
Aber das sind Ausflüchte. Geld ist genug vorhanden in Deutschland. Die Privatvermögen hierzulande sind enorm und konzentriert auf extrem reiche Schichten. So gehören nun inzwischen 1,63 Millionen Menschen zu den Personen in Deutschland, die über ein anlagefähiges Vermögen von mindestens einer Million Dollar verfügen. Rund 100.000 Menschen stiegen 2021 in diesen Bereich auf.
Über höhere reale Versteuerung von Spitzeneinkommen, eine Vermögenssteuer und die Austrocknung der Steuersümpfe könnten große Summen freigesetzt werden.
Auch braucht es endlich eine Diskussion darüber, ob wir wirklich jährlich Dutzende Milliarden fürs Militär und 50 Milliarden an fossilen Subventionen ausgeben wollen, anstatt große Teile davon u.a. für unsere Schulen und Kinder einzusetzen.
Und was die ins Grundgesetz aufgenommene Schuldenbremse angeht: Sie wird ständig für irrelevant erklärt. Bei der Finanzkrise ab 2008 und der Coronakrise 2020 wurde sie ausgesetzt. Beim 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr gab es sogar eine Änderung des Grundgesetzes, um die Schuldenbremse zu umgehen.
Die Auswirkungen der permanenten Unterfinanzierung sind vielfältig. In einer bundesweiten Umfrage geben zum Beispiel 78 Prozent der befragten Lehrer:innen an, dass sie die Mangelerscheinungen selbst zu spüren bekommen. Unterricht müsste ausfallen, Förderangebote würden gestrichen.
Das sei eine bedrückende Situation, wie eine Lehrerin sich ausdrückt: "Man fühlt sich machtlos in diesem System und das macht extrem wütend und traurig. Denn ausgetragen wird das Ganze auf dem Rücken unserer Kinder."
Der Mangel an Ressourcen bedeute, so die Aussagen vieler der befragten Lehrer:innen: erhöhter Stress, schlechte Stimmung in der Schule, mehr Krankheitsausfälle, das Gefühl, von den Behörden allein gelassen zu werden.
Die Kinder erhielten zugleich nicht die notwendige Betreuung. Leistungsabfälle, Wissenslücken und Disziplinprobleme wegen Lehrer-Hopping seien die Folge. Immerhin 43 Prozent der Befragten würden den Lehrerberuf daher nicht weiterempfehlen.
Um diese Zustände zu ändern, fehlt aber bis heute der politische Wille. Kinder, Lehrer:innen und Eltern, vor allem aus weniger privilegierten Schichten, sind scheinbar nicht genug wert, um die gravierenden Missstände an Schulen – Gott bewahre – mit Geld zu lösen.
Sicherlich, nicht alles lässt sich mit Geld lösen. Aber Lehrer:innen und Schulsanierungen brauchen Geld, viel mehr Geld.
Wer aber über mehr Geld für Schulen nicht reden will, sollte dann auch über Reformen schweigen.