Spanische Medienwirklichkeiten
Medienvertreter stellten auf einer Veranstaltung kritische Reflektionen über die Medien in Spanien an, blieben aber lieber im Allgemeinen und Moralischen
Es ist Sommer und in Spanien Zeit für die Sommeruniversität. Diesmal wurde in der nordspanischen Küstenstadt Santander auch über die Situation der Kommunikationsmedien gesprochen. So hatten die Internationale Universität Menéndez Pelayo (UIMP) und die Nachrichtenagentur EFE geladen, um bis gestern über "Die Presse - in Frage gestellt. Eine Analyse zum informativen Abenteuer" zu diskutieren.
Sicher gäbe es in Spanien viel darüber zu reden, auch über die Rolle von EFE. Denn auch über die Agentur hat die konservative Volkspartei (PP) in acht Jahren Regierungszeit heftig Politik gemacht und insgesamt die Berlusconisierung der Medien voran getrieben. Das zeigte sich deutlich an den Anschlägen vom 11. März in Madrid. Es waren vor allem Medien aus dem Ausland, welche zuerst die offizielle Version einer Urheberschaft der baskischen Separatistenorganisation ETA in Frage stellten (Blutiger Wahlkampf in Spanien)l. Erst danach setzte die den Sozialisten (PSOE) nahestehende Mediengruppe Prisa mit der größten Tageszeitung El País und der Radiokette SER nach (Lügen haben kurze Beine, auch in Spanien)
Zu diskutieren wäre auch über Zeitungsverbote und andere Vorfälle (Baskische Journalisten gefoltert). Da wäre auch die Frage, wie es möglich ist, dass ein Informationsdirektor des öffentlich rechtlichen Fernsehens (TVE) Nachrichten manipuliert und nicht mal seinen Job verliert. Der Nationale Gerichtshof hatte Alfredo Urdaci 16 Monate nach seinen Manipulationen der Berichte über einen Generalstreik zur Richtigstellung verurteilt. Wie die Regierung verlauten ließ, fand der Streik in TVE genau sowenig statt, wie viele Proteste gegen die spanische Beteiligung am Irak-Krieg (Konflikt in Spanien über die Haltung zum Irak-Krieg spitzt sich zu).
Farbe wechselnde Chamäleons
Doch die konkrete Analyse fiel in Santander dünn aus. Den Abschluss und Höhepunkt der Veranstaltungen bildete der portugiesische Literaturnobelpreisträger José Saramago gestern. Er leistete wenigstens eine grundsätzliche Kritik und sprach in seinem Seminar "Information - die Quadratur des Kreises" über die Unmöglichkeit unabhängiger Berichterstattung.
Dabei blieb Saramago nicht bei der "Komplizenschaft" zwischen der Presse und den Mächtigen stehen. Er ging, neben der persönlichen Subjektivität der Journalisten, vor allem auf die "Meinungsbilder" ein. Wenig werde über die "Nabelschnur gesprochen, welche die Medien mit Firmen verbindet". Kein Medium werde Anzeigen abweisen, oft sind große Unternehmen sogar deren Besitzer. So in Spanien die größte Firma Telefonica. Die Journalisten seien sich ihrem "Unglück" bewusst, benutzt zu werden: "Zwischen dem Chef und dem Geldgeber verwendet der Journalist einen großen Teil seines Lebens darauf herauszufinden, ob er auch die gewünschten Informationen bietet". Diese "Chamäleons müssen ihre Meinung in der Farbe des Mediums verbergen in dem sie arbeiten".
Absturz der Moral
Ohne konkret zu werden, hatte schon zuvor der Präsident der Journalistenvereinigung von Madrid (APM) die Entwicklung in Spanien kritisiert. Fernando González Urbaneja erkannte an, der Journalismus sei am Verderben. Er machte dafür vor allem die Beziehung des Journalismus zur Macht verantwortlich. Das sei eine "unmögliche oder sehr schwierige Verbindung". Die Mächtigen seien "sehr groß, sehr mächtig und sehr einflussreich". Die Konzentration der Macht müsse verhindert werden. Dahinter verberge sich das "Risiko des Missbrauchs und der Diktatur", warnte González Urbaneja allgemein. Unabhängige Regulationsmechanismen seien genauso wichtig wie die "Bereitschaft der Regierenden, auf eine neue Art der Macht zu verzichten". Ein frommer Wunsch jedenfalls.
Zu Kritik anderer Art sah sich Gastgeber veranlasst. Álex Grijelmo, Präsident der Nachrichtenagentur EFE, warnte vor dem "Absturz der Moral, die sich in einigen Medien ereignet". Ausdrücklich bezog sich Grijelmo auf "einige digitale Medien". Internetmedien würden ihre Quellen oft nicht nennen und sich hinter der Anonymität verstecken:
Man benutzt Sekundäres, das dem prinzipiellen Thema Glaubwürdigkeit geben sollen, selbst wenn es erfunden ist.
Nach seiner Ansicht "dringt so die Legende in den Journalismus ein". Dass ausgerechnet der EFE-Direktor das sagt, ist erstaunlich. Denn die Nachrichtenagentur glänzt wahrlich nicht mit kritischer und unabhängiger Berichterstattung. Im Rahmen des Massakers am 11. März klagte der Betriebsrat über "Manipulationen" zu Gunsten der Volkspartei in der Nachrichtenagentur. Erstmals in der Geschichte musste die APM wegen massiver Zensurklagen die Ethikkommission einberufen. Etliche Journalisten warfen dem Informationsdirektor Miguel Platón vor, "falsche Nachrichten zu verbreiten".
Auch aktuelle Berichte zeigen, dass EFE weiter der Meinungsbildung statt der Information verschrieben ist. Man nehme die Verhaftung von mutmaßlichen Mitgliedern der ETA vor einer Woche. In der EFE-Meldung heißt es:
Der Innenminister erklärte die Details der Operation der Nationalpolizei vom Samstag, als vier Mitglieder der ETA verhaftet wurden.
Doch der neue sozialistische Innenminister hatte ausdrücklich das Wort "mutmaßlich" benutzt. José Antonio Alonso führt nicht die vorverurteilende Tradition der konservativen Vorgänger und EFE fort. Ausdrücklich sprach er von der "Verhaftung von vier Personen wegen ihrer mutmaßlichen Verbindung zur terroristischen Bande ETA". Einer der vier, Aritz López Anda, wurde bei der Nachrichtenagentur mit vollem Namen als ETA-Mitglied genannt, war aber schon zwei Tage später wieder frei, weil es keine Hinweise dafür gab.
Auch der Versuch von EFE, den Wahlsieg der Konservativen im März nach den Lügen im Zusammenhang der Anschläge mit einer manipulierten Berichterstattung zu retten, muss nicht verwundern. Denn die Nachrichtenagentur verfügt über beste Verbindungen in die Volkspartei. Die stammen aus der Zeit, als man noch gemeinsam in der faschistischen "Bewegung" gekämpft hat. Denn EFE ist der Nachfolger von Cifra, die unter Franco für die Verbreitung der Propaganda der Diktatur zuständig war. Die Veranstaltungen in Santander dürften also, vor allem für EFE, mehr die Funktion eines Feigenblatts haben, statt wirklich über die eigene Rolle nachzudenken.