Spanische Regierung: Flüchtlingspakt mit Türkei ist "inakzeptabel"

Seite 2: Spanien hat bislang 18 der zugesagten 17.500 Flüchtlinge aufgenommen

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In Spanien sind es zwei Faktoren, die derzeit dabei besonders wirken, warum gerade die Konservativen nun den Menschenrechts-Diskurs anstimmen. Erstens muss die Volkspartei (PP) des abgestürzten Plasma-Ministerpräsidenten nun auf die Opposition zugehen. Denn eigentlich hatte Mariano Rajoy das Abkommen mit der Türkei zunächst verteidigt. Doch sein Problem ist, dass er seit Dezember keine absolute Mehrheit mehr im Parlament hat. Alle Parteien stellen sich gegen den Pakt mit der Türkei. Rajoy, der gerne mit den Stimmen der rechten Ciudadanos (Bürger) oder denen der Sozialdemokraten (PSOE) weiterregieren würde, muss also Zugeständnisse machen. Die PSOE klagt nicht nur wegen der heißen Abschiebungen nach Marokko gegen das Knebelgesetz, sondern ihr Chef Pedro Sánchez spricht auch von einem "schändlichen Abkommen", das "unmoralisch" und "illegal" sei.

Noch schlimmer stellt es sich für Rajoys Volkspartei (PP) dar, dass auch die rechten Bürger von einem "Symptom der Schwäche" und von einer "Auslagerung des Problems" ausgerechnet in ein Land sprechen, das sich "immer stärker autokratisch" gebärdet. So muss sich die PP mit Blick auf eine Mehrheitsbildung, sei es noch bis zum 3. Mai oder im Hinblick auf Neuwahlen im Juni, in dieser Frage einen anderen Diskurs zulegen. Das zentrale Ziel der PP ist, eine Linksregierung nach portugiesischem Vorbild verhindern zu wollen, die die Austeritätspolitik beendet. Eine solche Regierung wäre möglich, doch die lehnt der PSOE-Chef sie bisher mit Blick auf Forderungen der linken Podemos (Wir können es) ab. Der Druck auf ihn wird auch aus der eigenen Basis immer stärker (Große spanische Gewerkschaft auf Podemos-Kurs).

Der zweite wichtige Faktor, warum die Konservativen das Lied vom Schutz der Menschenrechte anstimmen, ist schlicht Eigennutz. Denn für Menschenrechte sollen vor allem andere einstehen und bezahlen. "Wenn die Flüchtlinge in Griechenland sind, dann muss auch dort ihr Asylantrag bearbeitet werden", hatte der spanische Außenminister am Dienstag in Brüssel formuliert. Denn dort sollen die Flüchtlinge möglichst auch bleiben, nach Deutschland oder sonst irgendwo nach Nordeuropa gebracht werden, jedenfalls nicht nach Spanien.

Der konservative Rajoy hatte sich einst auch gegen die Umverteilung von Flüchtlingen in der EU gestemmt. Plötzlich änderte er aber seine Meinung und wollte im Land plötzlich sogar mehr als die gut 14.000 Flüchtlinge aufnehmen, wie sie in der EU im vergangenen Herbst beschlossen worden war. Das war freilich nur ein Trick. Wie erwartet wurden nicht 17.500 aufgenommen, was Spanien angeboten hatte, sondern es sind in mehr als sechs Monaten ganze 18 Flüchtlinge gewesen. So sieht spanische Solidarität aus.

Spanien hat Angst, dass die Fluchtroute sich von der Türkei nach Spanien verlagert

Der Schwenk von Spanien hat auch damit zu tun, dass die spanische Regierung befürchtet, der Türkei würde zur erneuten Änderung von Fluchtrouten führen. So machte der kommissarische Innenminister Jorge Fernández Díaz letzte Woche keinen Hehl daraus, dass er davon ausgeht, dass Spanien wieder zentraler Anlaufpunkt für Flüchtlinge werden könnte. "Wird die Balkanroute und die über das zentrale Mittelmeer geschlossen, wird die Tendenz sich in Richtung auf neue Routen ins östliche Mittelmeer und speziell die Küsten Algeriens, Marokkos, Mauretaniens und Senegals verlagern." Damit sei das Risiko für die "EU und Spanien offensichtlich", sagte er. "Wir passen schwer auf, weil damit das Problem nur verlagert würde", unterstrich er.

Vor diesem Hintergrund muss der Einspruch gegen das Abkommen mit der Türkei von Seiten des Landes vor allem gesehen werden. Lange hatte Spanien mit seiner Abschottung - auch mit Hilfe von Frontex - daran gearbeitet, die Routen immer tödlicher werden zu lassen (Das Flüchtlingssterben geht weiter). Doch man darf davon ausgehen, dass der Weg über die Meerenge von Gibraltar, der in die Exklaven von Ceuta und Melilla oder der auf die Kanarischen Inseln reaktiviert werden würde, wenn es tatsächlich zu einem Abkommen mit der Türkei kommt. Dann wäre Spanien in der Situation wie Griechenland oder auch Italien und hätte mit der fehlenden Solidarität zu kämpfen, die das Land seinerseits an den Tag legt.

Dass es Spanien nicht sonderlich gefällt, der Türkei auch noch Milliarden zu zahlen, dass eine Visa-Freiheit für Türken kommen soll und die Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft beschleunigt werden sollen, wird auch nur wenig verhüllt geäußert.