Spannung in Minsk

Ein großer Wurf ist nicht zu erwarten, aber man wird wohl irgendeine Erklärung finden, so dass jeder einen guten Willen gezeigt hat

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Noch verhandeln Merkel, Hollande, Poroschenko und Putin in Minsk. Man kläre noch technische Details, soll eine Quelle aus dem deutschen Team verraten haben. Ob es zu sehr viel mehr als einer Erklärung kommt, ist fraglich. Das wird man erwarten können, denn keiner dürfte riskieren wollen, eine Lösung zu boykottieren. Begrüßt haben sich Putin und Poroschenko überaus frostig. Einen Waffenstillstand wird man wieder vereinbaren können, um dann die weiteren Fragen zu klären, man darf skeptisch sein, ob dieser lange eingehalten würde. Zumal offen ist, ob selbst bei einer Einigung über einen Waffenstillstand die USA keine Waffen liefern werden. Ein Durchbruch für die Bevölkerung der Ostukraine wäre schon, wenn zumindest die schweren Waffen weiter zurückgezogen würden, um den von beiden Seiten praktizierten Beschuss von Wohngebieten endlich zu stoppen.

Bild: belarus.by

Sollten die USA Waffen liefern, auch wenn sie Verteidigungswaffen genannt werden, dann ist damit zu rechnen, dass die Unterstützung der Separatisten seitens Russlands noch stärker und offener werden wird. Zugleich würde die mühsam zusammengehaltene transatlantische Einheit von EU und USA, vor allem auch innerhalb der EU, auf eine Zerreißprobe gestellt. Bei Waffenlieferungen geht es auch ums Geschäft. Kiew will die Militärausgaben um das Sechsfache erhöhen. Dafür sollen auch Waffen aus dem Ausland gekauft werden.

Die Zuspitzung der Verhandlungen in Minsk als eine angeblich letzte Möglichkeit zu einer friedlichen Lösung, die eine weitere Eskalation verhindern könnte, ist vermutlich überzogen. Man darf sich darauf einstellen, dass der große Wurf nicht gelingen wird, dass weiter verhandelt wird und dass es vornehmlich darauf ankommt, welche Konsequenzen Kiew und Separatisten ziehen.

In Kiew dürfte der Druck wesentlich höher als in Moskau und bei den Separatisten sein, zu einem schnellen und erfolgreichen Verhandlungsergebnis zu kommen. Die ukrainische Wirtschaft liegt danieder, das Land steht vor der Pleite, die Arbeitslosigkeit nimmt ebenso zu wie die Preise. Dazu kommt, dass die letzte Mobilmachung auf größere Widerstände trifft, bei den Menschen sinkt die Bereitschaft, sich im Krieg verheizen zu lassen. Übrig bleiben die kampfwilligen, besser ausgerüsteten und bezahlten Freiwilligen, deren Verbände eigenen Interessen oder denen ihrer Geldgeber folgen.

Sollte Poroschenko zu große Kompromisse bei einer Waffenstillstandsvereinbarung schließen, könnte seine politische Macht endgültig ins Schwanken geraten, weil die Falken wie Jazenuk, die auf amerikanische Unterstützung setzen, sich dann nicht zurückhalten werden. Schon beim ersten, von Poroschenko ausgerufenen Waffenstillstand gab es lautes Murren und widerwilliges Einverständnis. Poroschenko gibt sich wieder stark und kündigte an, dass er bereit sei, den Kriegszustand zu verhängen und den Krieg weiterzuführen. Allerdings wird man sich erinnern, dass er schon nach dem ersten Waffenstillstand verkündet hatte, die Separatisten in wenigen Tagen zu vertreiben.

Solange die Separatisten darauf setzen können, dass sie weiter mit Waffen versorgt werden, also die Grenze nach Russland offen bleibt, und sie der schlecht ausgerüsteten ukrainischen Armee überlegen sind, werden sie kaum zu entscheidenden Kompromissen bereit sein, sondern eher versuchen, weitere Geländegewinne zu machen. Weniger, um ein von russischen Nationalisten erträumtes Neurussland zu verwirklichen, sondern um die wichtigen Städte vor einem weiteren Raketenbeschuss zu sichern und so ihre politische Macht in den "Volksrepubliken" zu sichern.

Die russischen Interessen sind weniger klar. Primär dürfte es Russland darum gehen, dass die Ukraine sich nicht der Nato anschließt. So hatten Separatisten vor dem Treffen geäußert, Moskau verlange, dass die Ukraine blockfrei bleibt. Das hatte Kiew im Dezember aber aufgekündigt, was auch zur Eskalation mit beigetragen haben dürfte. Offenbar will man die Ostukraine nicht wie die Krim annektieren, die auch schon deswegen für Moskau wichtiger war, weil hier die Schwarzmeerflotte stationiert ist.

Es war unklar, ob Kiew das mit Janukowitsch ausgehandelte Abkommen einhalten würde. Vermutlich nicht. Dann wäre es vielleicht schon zu einer gefährlichen Eskalation gekommen, denn ohne die Krim hätte Russland für seine Marine keinen Zugang zum Schwarzen Meer und zum Mittelmeer. Man kann davon ausgehen, dass Moskau mit einem weitgehenden Autonomiestatus der "Volksrepubliken" leben könnte. Das müsste kein gefrorener Konflikt sein, aber die Frage ist, ob Moskau ausreichend Druck auf die Separatisten ausüben kann, sich einer solchen politischen Lösung zu unterwerfen.

Man sollte davon ausgehen, dass Moskau allein schon durch die Androhung, die Grenze zu schließen, dafür ausreichend Druck ausüben kann. Allerdings könnte eine Konfrontation mit den prorussischen Separatisten in Russland zu Problemen führen.