Sparen, sparen, sparen – außer bei der Rüstung
Soziales interessierte die FDP bisher nur, wenn es sich gegen Klimaschutz in Stellung bringen ließ. Jetzt sagt sie sinngemäß: Ätsch, eigentlich juckt uns beides kaum. Allerdings tut sie das nicht im Alleingang.
Seit die traditionelle Reiche-Leute-Partei FDP die Sorgen von Normalsterblichen für sich entdeckt hat, war es ihr Erfolgsrezept, soziale Existenzängste gegen ökologische auszuspielen.
Die Höhe der Grundmieten sollte zwar aus ihrer Sicht immer der Markt regeln – egal, wie Rentnerinnen, Mindestlohn-Beziehende oder Erwerbslose damit klarkamen; und auch Mindestlohn-Erhöhungen stoßen bei der FDP auf Missfallen. Aber drohende Preissteigerungen im Zusammenhang mit Klimaschutz wussten die Wirtschaftsliberalen in den letzten Jahren immer populistisch auszuschlachten.
Es war, als die zweite Hälfte der letzten Wahlperiode und somit der Bundestagswahlkampf näher rückte, als der FDP-Chef, Porsche-Fan und heutige Finanzminister Christian Lindner im Deutschlandfunk erklärte:
Meine Sorge ist, dass die gut Betuchten, die sich grüne CO2-Preise leisten können, so weitermachen wie bisher. Die fliegen auch weiter zum Backpacker-Urlaub nach Asien, weil sie sich es leisten können, und die anderen, die nicht so hohes Einkommen haben, das sind dann diejenigen, die auf Auto, auf Urlaub, auf Ernährungsgewohnheiten verzichten müssen und das ist eine neue soziale Spaltung, die wir nicht haben müssen.
Christian Lindner im Juni 2019
Seither sind die Lebenshaltungskosten erheblich gestiegen – und als kleinerer, aber selbstbewusster Juniorpartner stellt die FDP in der Ampel-Koalition den Minister, der die Hand auf der Schatulle hat. In dieser Funktion hat Lindner nun mit einem Paukenschlag klargemacht, dass weder soziale noch ökologische Belange für ihn und seine Klientel wichtig sind.
Gespart werden soll nämlich überall – nur nicht bei den Rüstungsausgaben. Allerdings scheint das Vorgehen des Finanzministers mit dem seltsam passiv wirkenden Kanzler Olaf Scholz (SPD) abgesprochen zu sein.
Laut einem Bericht des Handelsblatts verschickte Lindners Ministerium am Mittwoch Briefe mit konkreten Sparvorgaben an alle Ressorts – mit Ausnahme des Verteidigungsministeriums. So solle ein hoher einstelliger Milliardenbetrag eingespart werden, heißt es in dem Bericht unter Berufung auf Regierungskreise.
Investitionen und Sozialausgaben, für die Rechtsansprüche bestehen, sollen vorerst ausgenommen werden. Leistungskürzungen auch im Sozialbereich seien aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen, falls die Ministerien nicht ausreichend sparen. Lindner habe das weitere Vorgehen zur Aufstellung des Haushaltsplans am Mittwoch mit seinen Kollegen besprochen; Scholz und er hätten beide betont, dass der Regierungsentwurf noch vor der parlamentarischen Sommerpause ab dem 7. Juli vorliegen soll.
Nato-Bekenntnis und Schuldenbremse machen es (un-)möglich
Das von allen Regierungsparteien geleistete Bekenntnis zur Nato legt im Grunde bereits fest, dass zugunsten der Aufrüstung überall sonst gespart werden muss, wenn der Staat nicht genügend Einnahmen generiert: Perspektivisch müssen die Mitgliedsstaaten mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Bereich "Verteidigung" ausgeben. Das wurde 2014 beim Nato-Gipfel in Wales festgelegt.
Das Finanzministerium unter Lindner pocht aber zugleich auf die Einhaltung der Schuldenbremse und schließt Steuererhöhungen aus.
Im April dieses Jahres kündigte Lindner bereits an: "Wir werden jede einzelne Ausgabe im Bundeshaushalt auf ihre Begründung und ihre Höhe hin beraten." Und weiter:
Da werden auch einige lieb gewonnene Gewohnheiten auf den Prüfstand gestellt werden müssen.
Christian Lindner im April 2023
Ob das etwa genau die lieb gewonnenen Gewohnheiten sind, die er für den Klimaschutz lieber nicht in Frage stellen wollte, darauf ging Lindner nicht näher ein. Zuerst treffen werden Sparmaßnahmen im Sozialbereich allerdings die Ärmsten, die an Auto oder Urlaubsreisen sowieso kaum denken können. Ihre Ernährung wird dann wohl in Zukunft noch weniger ausgewogen sein.