Spitzeneinkünfte im Bundestag: Die Politik als Profitmaschine

Seite 2: Lukrative Nebengeschäfte

Mit der Viertelmillion gibt sich Wolfgang Kubicki nicht zufrieden. Als Vizepräsident ist er verpflichtet, die Nebeneinkünfte seiner Kollegen zu erfassen und transparent aufzulisten.

Auch das ist eine Transparenzregelung, die mühsam – auch gegen seinen Widerstand – durchgesetzt wurde. Von der Wahl bis zum Sommer hat es gedauert, bis endlich die ersten Daten veröffentlicht wurden.

Und siehe da, der Vizepräsident führt die Liste der Nebeneinkünfte mit 143.960 Euro an!

Ich kann mir nicht erklären, wie das möglich ist. Als Abgeordneter hatte ich eine 60-Stunden-Woche, da passt selbst ein Buch, das ich geschrieben habe, kaum rein. Eine regelmäßige Nebentätigkeit ist nicht möglich, wenn man seinen eigentlichen Aufgaben nachkommen will. Vor allem mit der zusätzlichen Belastung als Vizepräsident. Nebentätigkeiten bringen aber noch weitere Probleme mit sich.

Es gelten die Abgeordneten als sehr wichtig, die wichtige Lobbykontakte pflegen und die noch nebenbei dafür bezahlt werden. Daran orientieren sich alle, die etwas werden wollen. Auch deshalb haben in diesem Bundestag bereits rund 40 Prozent der Abgeordneten einen oder mehrere angemeldete Nebenjobs. Ein Rekordwert.

Dazu gehören auch journalistische Honorare und anwaltliche Tätigkeiten. Sie stehen auf einem etwas anderen Blatt, weil sie zwar das eigentliche Arbeitspensum einschränken, die Abgeordneten aber nicht unbedingt zusätzlich beeinflussen.

Honorare, bezahlte Tätigkeiten und Spenden von Profitlobbys dagegen sehr wohl. Ich habe sehr oft erlebt, wie Kollegen bei Debatten und Abstimmungen voreingenommen waren, wenn ihre Geldgeber – und nicht die Bevölkerung – betroffen waren. Mehr noch, manchmal versuchen sie, die Debatten ihrer Fraktion in genau diesen Bereichen zu steuern und ihre Kollegen zu beeinflussen.

Bisher sind es vor allem die Abgeordneten von Union und FDP, die sich zusätzlich vergüten lassen – mehr als jeder Zweite! Doch die Abgeordneten von SPD und Grünen holen auf. Bei der SPD stieg der Anteil der Nebenverdiener von 26 auf 37 Prozent, bei den Grünen von 15 auf 25 Prozent.

Die Frage, ob das Mandat wirklich noch im Mittelpunkt steht und die Parteilichkeit nicht in Korrumpierbarkeit umschlägt, wird immer drängender. So ist vieles in der Politik durchaus legal, aber sicher nicht legitim. Sogar die Bereicherung von Parlamentariern durch Mauscheleien wurde aufgedeckt, die Täter aber freigesprochen. Das ist nur möglich, weil der Bundestag die Regeln selbst bestimmt.

Neben einer klaren Transparenz auf Heller und Pfennig muss es verbindliche Regeln für alle Abgeordneten geben, gerade, wenn es um Steuergelder geht. Darüber sollte ein unabhängiges Gremium wachen und nicht das Bundestagspräsidium selbst. Ein Wolfgang Kubicki wird sich sicher nicht selbst beschränken oder wirklich kontrollieren. Der ist viel zu sehr damit beschäftigt, zu verhindern, dass der Mindestlohn oder die Bezüge der wirklich Bedürftigen steigen.

Ich möchte mal einen unabhängigen Entscheidungsträger sehen, der sagt, dass diese Nebeneinkünfte nicht angemessen sind und mit den Diäten verrechnet werden müssen. Ich möchte auch das Gesicht des Vizepräsidenten sehen, wenn sich die nächste Diätenerhöhung an den 41 Cent orientiert. Und vor allem möchte ich sehen, dass wir endlich wirklich über gerechte Entlohnung reden und nicht scheinheilig harte Arbeit als Kampfbegriff missbrauchen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.