Spracherziehung: "Klimaerhitzung" statt "Klimawandel"

Mediensplitter (35): ARD-Magazin Monitor entfacht eine Debatte darüber, welche Klima-Begriffe verharmlosend sind. Kritiker sehen eine Ideologisierung. Das Magazin kennt seine eigene Rolle nicht?

Wer sich auf die Instagramm-Seite des ARD-Magazins Monitor verirrt, trifft dort auf eine Reihe von Miniplakaten, die der Opulenz schwieriger Nachrichten mit Vereinfachung begegnen.

Mediennutzer sind auf Zeitersparnis angewiesen, wollen auf einen Blick Übersicht bei schwierigen Fragestellungen, könnte das Motiv hinter den "Erklär-Kacheln" lauten. Eine dieser Kacheln, erschienen vor vier Tagen, ist auf größere Aufmerksamkeit gestoßen. Darin geht es um verharmlosende Klimasprache.

Plakatiert werden "Klimawandel", "Klimaskeptiker", "Erderwärmung" und "Kernenergie". Dafür werden jeweils Alternativbegriffe gesetzt: "Klimakrise", "Klimaleugner", "Erderhitzung" und "Atomenergie".

"Sprache ist mächtig"

"Sprache ist mächtig", heißt es dazu in einer kommentierenden Erklärung zum Schaubild. Unsere Sprache übers Klima sei oft verharmlosend, "sagen viele Sprachwissenschaftler:innen". Daher also ein "kleines Lexikon".

Zum Begriff "Erderwärmung" heißt es dort: "Klingt angenehm und positiv. Tatsächlich heizt sich der Planet auf. Das bedroht Millionen Menschen. Alternativbegriff: Erderhitzung". Auch "Klimaskeptiker" verharmlose, weil Skepsis Nachdenken suggeriere, Abwägung und Eigenständigkeit im Urteil: "Es gibt aber keinen Zweifel an der menschengemachten Klimakrise". Weswegen Monitor den Alternativbegriff "Klimaleugner" vorschlägt.

Was ist nun von diesen Vorschlägen zu halten? Darum geht die Debatte, die dem folgte. Für die Faz war der Fall klar. Ein öffentlich-rechtliches Medium positioniert sich ideologisch.

Mit Begriffen wie "Erhitzung" und "Leugner" setzt "Monitor" ein Framing, das die Temperatur des Debatten-Klimas hoch hält. "Hintergrund liefern, Diskussionen anstoßen, Themen setzen. Unsere Handschrift: seriöse Information, gepaart mit einer sorgfältigen Analyse": So will Restles "Monitor" sein. Und "nie ideologisch". Schon klar.

Michael Hanfeld, FAZ

Gerade einer Einschätzung, die Richtung Sprachaufsicht oder -regelung geht, wollte man bei Monitor aber vorab schon begegnen. Am Rand der Kachel gab es einen Fingerzeig, Achtung:

Bevor jemand Verbote oder "Sprachpolizei" wittert: Natürlich darf in unserer Demokratie jeder jeden Begriff benutzen. Wir halten es aber für sinnvoll, darüber nachzudenken, welcher Begriff es am besten trifft.

Wie lieb, dass der Leserin und dem Leser erklärt wird, dass sie oder er doch "jeden Begriff in unserer Demokratie benutzen" darf und wie verharmlosend schlicht das ist. Das ist eine Verklärung, die übersieht, wie mit Etiketten Positionen abgewertet werden.

Dazu wird die eigene Rolle als distanziert-sachlich verklärt, obwohl man doch eigentlich als Sprachpädagoge unterwegs ist: "Wir halten es aber für sinnvoll, darüber nachzudenken, welcher Begriff es am besten trifft." Und haben auch die richtige Antwort für Sie?

Nein, da habe niemand Sprachregeln aufgestellt, argumentiert ein Vertreter öffentlich-rechtlicher Medien in der Diskussion auf Twitter, jetzt X.

Pädagogik aus Überlegenheits-Position?

Vielleicht hat Monitor nur eine besserwisserische Überlegenheits-Position eingenommen, die dem Magazin als so selbstverständlich erscheint, dass sie gar nicht mehr wahrgenommen wird? Die doch mit Framing in Zusammenhang steht?

Verwiesen wird in der Diskussion auf X auf einen älteren Artikel der SZ, wo Gutsav Seibt im Februar 2019 erklärte wird, welche Sprachposition beim Framing eingenommen wird. Der Titel verrät schon viel: Die Wissenden und die dämmernde Masse. Ein Ausschnitt:

Doch peinlicher noch als die Selbstwidersprüchlichkeiten des Framing-Denkens ist ein anderer Aspekt. Es teilt die Menschen nämlich in unterschiedliche Klassen ein, in die, die das Framen aktiv und bewusst betreiben, sprachliche Vorgaben untersuchen und setzen, und in die anderen, die sich angeblich "ohne dies zu merken" bei ihren Entscheidungen von vorrationalen Frames leiten lassen.

Es soll also Grade des Wissens geben: eine kleine Gruppe von Wissenden, die Sozial- und Gefühlstechnologie betreiben, und eine bestenfalls halbbewusst dämmernde Masse, die davon bestimmt wird. Damit wird Politik zu Propaganda, zur Werbeindustrie oder zum permanenten Wahlkampf, oder sie wird zur Beute der Ängste, der Wut und des Hasses.

Gustav Seibt, SZ

Auch gibt es Skrupel bei einem Sprachwissenschaftler, den der Focus zitiert. Man bewege sich hier auf dem Feld "politischer Semantik", so Sprachwissenschaftler Kersten Sven Roth.

Begriffe wie "Klima-Leugner" könnten durch ihren ausgrenzenden Charakter Diskussionen über wichtige Themen wie den Klimawandel im Keim ersticken. "Insofern würde ich, wenn es um die Bezeichnung von Personen und Gruppen geht, mit denen man nicht einer Meinung ist, immer zur weniger pauschal ausgrenzenden Bezeichnung raten", so Roth.

Focus

Ist Monitor zu radikal?

Monitor reagierte mit einer neuen Kachel auf die Debatte. Darauf zu sehen sind unter der Überschrift "Monitor zu radikal?" zwei Positionen: einmal die der Bild-Zeitung und dann die der AfD – für den schnellen Überblick zum Stand der Diskussion.

Erklärt wird noch einmal: "Schon bei unserem Post haben wir klar gemacht, dass 'es uns nicht um 'Sprachregelungen' oder gar 'Sprachvorschriften' geht'."

Um Belehrungen geht’s Monitor aber schon, auch wenn das die eigene Brille nicht sehen will.

Hoffentlich bleiben die Kulturkanäle der ARD. Der Sprachbetrieb braucht sie. Die politischen Erklärungsmeister machen sich‘s zu einfach.