Steuern wir auf den Dritten Weltkrieg zu – oder sind wir sogar schon drin?
Seite 2: Ein planetarisches Desaster?
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Um den globalen Kontext zu verdeutlichen, muss man sich vor Augen halten, dass die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre im Jahr 2022 laut der National Oceanographic and Atmospheric Administration den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen erreichte.
Das Gleiche gilt für die Temperaturen der Ozeane, während der Meeresspiegel im elften Jahr in Folge anstieg! Auch die Hitzewellen auf dem gesamten Planeten waren rekordverdächtig, und das war es dann auch schon mit der Katastrophe.
Doch nichts von alledem wird Bestand haben, denn das Jahr 2023 wird eindeutig einen neuen Hitzerekord aufstellen. Schließlich wissen wir bereits, dass von November 2022 bis Ende Oktober 2023 Monat für Monat ein Hitzerekord aufgestellt wurde, der in den letzten 125.000 Jahren nicht übertroffen worden zu sein scheint.
Es ist fast sicher, dass auch dieses Jahr in Gänze rekordverdächtig sein wird. Und angesichts der Art und Weise, wie wir Menschen immer noch fossile Brennstoffe verbrennen, werden wir nicht weitere 125.000 Jahre warten müssen, bis es wieder geschieht. Die Chancen stehen gut, dass 2024 tatsächlich einen neuen globalen Wärmerekord aufstellen wird.
Sagen Sie mir, ähnelt es nicht einem planetarischen Gaza? Und doch, seltsamerweise, während über den Albtraum im Nahen Osten täglich in dramatischer Weise in den Mainstreammedien berichtet wird, oft von mutigen Reportern wie Leila Molana-Allen von der PBS NewsHour, ist die Verbrennung des Planeten bestenfalls eine sekundäre oder tertiäre oder ... nun, Sie können die möglichen Zahlenwerte einfügen ... Realität.
Die traurige Wahrheit ist, dass es nicht genug Reporter gibt, die ihre Zeit an der vordersten Front der globalen Erwärmung verbringen. Nirgendwo sehe ich die Mitarbeiter von bis zu 40 Regierungsbehörden gegen das Versagen der Klimapolitik protestieren, so wie es so viele von ihnen kürzlich wegen der Politik der Biden-Regierung in Bezug auf Israel und Gaza getan haben.
Wo sind die Reporter?
Während wir uns jede Nacht mit Reportern wie Molana-Allen in den verwüsteten Gazastreifen wagen (ganz zu schweigen von den 41 Journalisten, die im ersten Monat dieses Konflikts ums Leben kamen), tun wir das in unserer überhitzten Welt nur selten. Viel zu wenige Journalisten befassen sich mit den Menschen, die bereits aus ihren Häusern vertrieben wurden, die noch nie dagewesene Hitze, Stürme, Überschwemmungen und Dürre erleben (und sogar daran sterben).
Es gibt auch nicht viele Reporter, die sich direkt "in den Brand" begeben. Ich denke in diesem Fall an die Berichterstattung (oder deren Fehlen) über das Bohren nach oder den Abbau von fossilen Brennstoffen, die Unternehmen, die damit Rekordgewinne – dauerhafte Vermögen – erzielen, während ihre Vorstandsvorsitzenden jedes Jahr unglaubliche Summen einstreichen, selbst wenn die ungezügelte Verbrennung ihrer Produkte weiterhin Kohlenstoff in die Atmosphäre bläst.
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Und wohlgemerkt, die Emissionen aus fossilen Brennstoffen sind immer noch – ein Wort, das wieder einmal nur allzu passend erscheint – höllisch hoch. Ja, die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass diese Emissionen vor 2030, wenn nicht sogar früher, ihren Höhepunkt erreichen werden.
Dennoch werden wir Menschen für eine verdammt lange Zeit Kohle, Erdöl und Erdgas verbrennen, und die Unternehmen, die fossile Brennstoffe herstellen, werden weiterhin ein Vermögen einfahren, während sie unser Leben und das unserer Kinder und Enkelkinder bis in die ferne Zukunft hinein schädigen.
Es steht außer Frage, dass Gaza wirklich eine Hölle auf Erden ist. Während ich diese Zeilen schreibe, hat die Zahl der Todesopfer in diesem kleinen Landstreifen bereits 11.000 überschritten (viele davon sind Kinder). In der Zwischenzeit haben israelische Bomben und Raketen von Krankenhäusern bis hin zu Häusern eine schwindelerregende Menge an belebten (oder nun sterbenden) Räumen in Schutt und Asche verwandelt.
Planet verwandelt sich in Katastrophe
Und das ist in der Tat ein Horror, über den berichtet werden muss (genauso wie über den albtraumhaften ersten Angriff der Hamas auf Israel). Aber während wir zusehen, wie Gaza brennt, sollten wir uns daran erinnern, dass wir auch den ganzen Planeten in eine Katastrophe im Stil von Gaza verwandeln. Es geschieht nur in Zeitlupe.
Der Zweite Weltkrieg endete im September 1945, und seither hat es – trotz endloser Kriege – keine weitere "Welt"-Version eines solchen Krieges gegeben. Der Gazastreifen und die Ukraine sind nach wie vor schrecklich, aber relativ lokal begrenzt, so wie es einst der Korea- und der Vietnam-Konflikt waren.
Aber während es ungeachtet der Schrecken und des angerichteten Schadens keinen weiteren Weltkrieg gegeben hat, gab und gibt es einen Krieg auf der Welt, einen globalen Gaza-Krieg im Zeitlupentempo, der nur noch schlimmer werden wird, wenn wir unsere Energie nicht darauf verwenden, immer schneller von Kohle, Erdgas und Öl auf alternative Energiequellen umzusteigen.
In Wahrheit ist das der Krieg, in dem wir involviert sein sollten, und nicht derjenige, der uns von den schlimmsten Gefahren ablenkt.
Tatsächlich ist es längst an der Zeit, über den Dritten Weltkrieg zu sprechen, auch wenn es sich dieses Mal um einen Krieg gegen den Planeten selbst handelt.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit der Website TomDispatch. Hier finden Sie das englische Original. Übersetzung: David Goeßmann.
Tom Engelhardt ist Gründer und Betreiber der Website TomDispatch.com. Er ist außerdem Mitbegründer des American Empire Project und Autor einer Geschichte des amerikanischen Triumphalismus im Kalten Krieg "The End of Victory Culture". Er ist Stipendiat des Type Media Center. Sein neuestes Buch heißt "A Nation Unmade by War".