Stimmen aus Russland: Wagenknecht als "Alternative zur Alternative"

Sahra Wagenknecht beim Medien-Gesprächsforum von Focus Inner Circle 2017 in Berlin. Bild: Benjamin Zibner / CC BY-NC-SA 2.0 Deed

Herrscht in Russland Jubel über die neue Wagenknecht-Partei? Wie wird sie dort eingeschätzt? Telepolis interviewt zwei russische Deutschlandexperten.

Telepolis sprach über die neue Partei von Sahra Wagenknecht und das Echo auf sie in Russland mit Wladislaw Below von der Russischen Akademie der Wissenschaften und Oleg Nikiforow von der Moskauer Zeitung Nesawissimaja Gaseta.

Herr Nikiforow, eine große deutsche Boulevardzeitung schrieb vor Kurzem "Putin-Presse jubelt über Sahra Wagenknecht". Haben Sie solchen Jubel in Moskau gehört?

Oleg Nikiforow: Überhaupt nicht. Das Presseecho auf die Parteigründung war eher gering. Ich selbst habe Artikel darüber geschrieben. Es gab auch andere, etwa von Kommersant. Aber mir schien, als ob einige Kollegen auf das Thema nicht so recht vorbereitet waren. Beim staatlichen Fernsehen herrscht an den Vorgängen in Deutschland auch eher propagandistisches Interesse.

Herr Below, hat sich Putin selbst je über Frau Wagenknecht geäußert?

Wladislaw Below: Ich habe noch nicht gehört, dass Herr Putin etwas über Frau Wagenknecht gesagt hat. Die meisten in Russland kennen Frau Wagenknecht gar nicht. Putin spricht von Schröder, von einem guten Freund, der ihn nicht verraten hat. Einige russische Medien haben in der Tat positiv über das Projekt von Wagenknecht berichtet. Aber das ist nachvollziehbar: Sie steht für eine Entspannungspolitik und ist gegen Sanktionen. Sie ist quasi eine Alternative zur Alternative.

Meinen Sie eine Alternative zu den guten Kontakten Russlands zur Alternative für Deutschland? Ist deren Politik nicht ideologisch näher an der der russischen Regierung?

Wladislaw Below: Ich meine eine neue Alternative zur herrschenden Politik in Deutschland. Auch die Linkspartei ist ja ursprünglich so angetreten. Sie entstand unter anderem aus einer "Wahlalternative für Soziale Gerechtigkeit". Zu Beginn war die Linke eine solche Alternative. Sie hat diese Chance verpasst.

Bei der AfD sehe ich vor allem die Person von Herrn Höcke problematisch. Er ist für mich ein Nazi, wie sein Umfeld, das einen Teil der AfD darstellt. Man hat die Professoren, die die Partei gegründet haben, nicht ernst genommen und sie kam in die Hände von radikaleren Rechten.

Gerade seit 2015, wo sie wegen der Migrationswelle festen Boden unter den Füßen bekommen hat. Ich sehe dabei weniger Alice Weidel oder Tino Chrupalla als Problem, aber sehr wohl Björn Höcke. Er ist jemand, dem man in Russland nicht die Hand reichen will. Weil sie dann vergiftet wäre.

Oleg Nikiforow: Frau Wagenknecht wird wahrscheinlich vor allem der AfD Konkurrenz machen. In dieser gibt es natürlich auch Nationalisten, sie ist eher international eingestellt. Ich war beim Empfang in der russischen Botschaft in Deutschland am 9. Mai. Man konnte Chrupalla dort teilnehmen sehen.

Anlass war der Sieg über den Nationalsozialismus. Von der AfD war nur ein Politiker da, von den Linken mehrere. Wegen der Teilnahme von Chrupalla meinte Alice Weidel sogar, sie könne da nicht hingehen, weil man da ja der eigenen Niederlage gedenke. Aus deutschem Nationalismus ist für Russland noch nie etwas Gutes entstanden und in der AfD gibt es viele Nationalisten. Aber die Leute von der AfD sind in Moskau besser vernetzt, haben die Stadt häufiger besucht, auch im vorigen Jahr.

Wladislaw Below: Ich war selbst im Oktober bei einem Empfang der Deutschen Botschaft in Moskau, eingeladen von Alexander Graf Lambsdorff. Trotz öffentlicher Kritik am deutschen Kurs. Ich war da, man muss den Dialog pflegen.