Streit zwischen China und Japan

In den Gewässern zwischen dem asiatischen Festland und den japanischen Inseln überschneiden sich die Ansprüche. Unter anderem lässt sich an der Karte auch gut ablesen, dass Chinas im Aufbau befindliche Marine ein Problem mit dem freien Zugang zum offenen Pazifik hat. Bild/gemeinfrei

Der lange Schatten der Geschichte

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Im Ostchinesischen Meer zwischen Japans südlichen Inseln, Korea und dem chinesischen Festland kocht derzeit ein alter Grenzstreit hoch. Die jüngste Eskalationsstufe wurde erreicht, nachdem China am 23. November einseitig seine sogenannte Flugwarnzone ausgedehnt hat, aber natürlich war das nur ein Schritt in einer längeren Entwicklung. Auf den chinesischen Schritt gab es vor allem aus Tokio schrille Reaktionen, aber auch die US-Luftwaffe reagierte mit einem demonstrativen unangemeldeten Durchflug eines Bombers durch diese neue Zone - man stelle sich vor, Chinas neuer Flugzeugträger würde vor der Ostküste der USA, eine halbe Flugstunde von Washington D.C. militärische Manöver abhalten.

Formal liegen dem jüngsten Streit zwei territoriale Konflikte hauptsächlich zwischen Japan und China zugrunde. Allerdings ist auch Südkorea betroffen, da die Ausweitung der Zone, in der Beijing (Peking) von ausländischen Flugzeugen eine Anmeldung erwartet, auch dessen Bewegungsfreiheit einschränkt und sogar Teile der südkoreanischen Ausschließlichen Wirtschaftszone umfassen. Entsprechend hat auch Seoul gegen den chinesischen Schritt protestiert, seine eigene Flugwarnzone ausgedehnt und Flottenmanöver angekündigt.

In den Gewässern zwischen dem asiatischen Festland und den japanischen Inseln überschneiden sich die Ansprüche. Unter anderem lässt sich an der Karte auch gut ablesen, dass Chinas im Aufbau befindliche Marine ein Problem mit dem freien Zugang zum offenen Pazifik hat. Bild/gemeinfrei

Worum geht es im Streit zwischen Japan und China? Erstens sind sich die beiden Länder bei der Abgrenzung ihrer Ausschließlichen Wirtschaftszonen uneinig. Diese AWZ gehören nach internationalem Recht, anders als die 12-Seemeilen-Zone vor den Küsten, nicht zum nationalen Territorium, sind aber den Anrainern zur ausschließlichen wirtschaftlichen Nutzung vorbehalten. Entsprechend genießen sie dort gewisse hoheitliche Rechte. Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten, sie zu definieren: entweder als 200-Meilen-Zone vor der Küste, wie es die UN-Seerechtskonvention (UNCLOS) vorsieht, oder als das flache Küstenmeer. Wie in vielen anderen Küstenmeeren kommt es auch in Ostasien zu zahlreichen Überschneidungen, die aber meist bisher nicht vertraglich geregelt wurden.

Chinas AWZ und überschneidende Ansprüche mit Nachbarstaaten. Bild: CC-BY-SA-3.0

Der andere Konflikt bezieht sich auf eine kleine unbewohnte Inselgruppe vor den Küsten Taiwans, die von den Chinesen Diaoyu und von den Japanern Senkaku genannt werden. In der Volksrepublik, Taiwan und Hongkong haben sie über alle Parteigrenzen hinweg einen hohen symbolischen Wert, da sie die Erinnerung an Japans Kriege gegen China wach halten. In den 1990ern unternahmen zum Beispiel linke, Beijng-kritische Gruppen aus Hongkong wiederholt publikumswirksame Besuche auf den Inseln, um sich dort mit dem japanischen Militär anzulegen. Vorausgegangen war 1990 eine Aktion rechter japanischer Studenten, die auf einem der Felsen einen Leuchtturm errichtet und eine japanische Flagge gehisst hatten.

Zwei der umstrittenen Inseln. Bild: Japanisches Ministerium für [Staats-]Land und Verkehr

Nach chinesischer Lesart hätten die Inseln nach 1945 an China zurückgegeben werden müssen. Stattdessen wurden sie gemeinsam mit den weiter nördlich gelegenen Ryukyu-Inseln mit der Hauptinsel Okinawa zunächst von den USA besetzt und im Mai 1972 an Japan übergeben. Auf Okinawa unterhalten die USA noch heute ihren größten Militärstützpunkt in der Region, der bei der örtlichen Bevölkerung höchst unpopulär ist.

Der Streit um die unbewohnten Felsen war in letzter Zeit von japanischen Behörden angeheizt worden, unter anderem indem im letzten Jahr die Regierung die Inseln von einem japanischen Privatmann aufgekauft hatte, dessen Ansprüche weder von Taipeh noch von Beijing anerkannt werden. Japans Premierminister Shinzo Abe hatte zuletzt im September vor der diesjährigen UN-Generalversammlung die Gelegenheit genutzt, Japans Anspruch auf die Mini-Inseln zu erneuern.

Japanische Kriegs- und Kolonialverbrechen wirken nach

Natürlich haben beide Streitfragen auch ökonomische Aspekte. Unter dem Meeresboden der umstrittenen Gebiete werden Gas- und Öllagerstätten vermutet. Explosiv wird das Ganze aber wegen der politischen Rahmenbedingungen und der jüngeren Geschichte der beiden Länder. In China sind die japanischen Eroberungskriege seit dem Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht vergessen. Japan hatte sich erst Taiwan, Korea und die Stadt Lüshun (Port Arthur) am Gelben Meer und später die Mandschurei einverleibt. Schließlich hat es ab 1937 große Teile des Landes mit Krieg und brutaler Besatzung überzogen, die in dem Massaker von Nanjing gipfelte, bei dem mindestens 200.000 Menschen von den Eroberern ermordet wurden.

Während die Erinnerung an diese Zeit in China durch die Erziehung in den Schulen aber auch durch die Intellektuellen wach gehalten wird, haben die japanischen Eliten auch 68 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch nichts zur Aussöhnung unternommen. Die meisten Politiker der langjährigen Regierungspartei LDP lehnen eine Schuldeingeständnis für die zahlreichen japanischen Kriegs- und Kolonialverbrechen strikt ab, unter denen nicht nur China, sondern auch alle anderen ost- und südostasiatischen Länder zu leiden hatten.

Symptomatisch dafür ist ein Ereignis, über das letzten Monat die in Hongkong erscheinende South China Morning Post berichtete. Die südkoreanische Regierung möchte in der nordostchinesischen Stadt Harbin ein Denkmal für Ahn Jung-guen, einen der Nationalhelden des Landes, errichten lassen. Ahn hatte dort 1909 den vormaligen japanischen Ministerpräsidenten und späteren faktischen Statthalters Japans in Korea, Hirobumi Ito, erschossen, der die vollständige Unterwerfung des Landes eingeleitet hatte.

Doch Ito wird heute in Japan trotz seiner Verantwortung für den ersten japanisch-chinesischen Krieg, der mit brutalen Massakern zum Beispiel in Lüshun einherging, und trotz der späteren Kolonialverbrechen in Korea noch immer verehrt. Entsprechend reagierte die japanische Regierung gereizt auf die chinesisch-koreanischen Denkmal-Pläne. Der japanische Minister und Kabinettssekretär Yoshihide Suga bezeichnete Ahn als Kriminellen. "Für uns Japaner ist Ahn ein Terrorist", sagte er gegenüber der Presse. Suga drohte bei gleicher Gelegenheit der südkoreanischen Präsidentin Park Guen-hye, dass sie so nicht auf Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern hoffen könne.

Der Vorfall macht einerseits deutlich, wie stark die nicht aufgearbeitete Vergangenheit und ihre nie recht gesühnten Verbrechen die Beziehungen zwischen den ostasiatischen Staaten bestimmen. Zumal Japan derzeit eine besonders aggressive Regierung hat, die auf Aufrüstung und Aufhebung des Kriegsverbots der japanischen Verfassung setzt (siehe auch Japan: Nationalisten gestärkt). Andererseits ist er ein Beleg für die Schwierigkeiten, auf die die US-Diplomatie stößt, die gerne Chinas Nachbar zu einer Allianz zusammenfügen würde, um damit die aufstrebende Supermacht von morgen in Schach zu halten.