Streng gläubig und stramm rechts

Seite 3: Der christliche Fundamentalismus

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Alles das ist der "Normalfall". Teidelbaum befasst sich in seinem Band "Die christliche Rechte in Deutschland" mit dem Extrem: mit dem Evangelikalismus, dem protestantischen Fundamentalismus, den katholischen Traditionalismus, Kreationismus, dem Thema "Lebensschutz" oder "christlicher Glaube an Karma und Dämonen".

Die Anzahl der Evangelikalen soll in Deutschland etwa 1,3 Millionen betragen. Weltweit werden bis zu550 der mehr als 800 evangelischen ChristInnen den Evangelikalen zugerechnet. Dabei sind Evangelikale aber kein homogener Block; es gibt ganz unterschiedliche Strömungen und Organisationsformen. Für Deutschland schätzt man, dass die Hälfte der Evangelikalen Mitglied der Landeskirchen sind, die andere Hälfte in Freikirchen, unabhängigen Gemeinden und Hauskreisen organisiert sind.

Lucius Teidelbaum: Die christliche Rechte in Deutschland

Die Letztgenannten seien theologisch konservativ, aber "fast ausnahmslos auch in allen gesellschaftspolitischen Fragen konservativ, bzw. reaktionär", so Teidelbaum.

Protestantischer Fundamentalismus zeichnet sich generell dadurch aus, dass seine Anhängerinnen und Anhänger von der "Irrtumslosigkeit der Bibel" und deren Widerspruchslosigkeit ausgehen, so Teidelbaum. Damit wären wir dann beim eingangs erwähnten Kreationismus. Dieser sei ein "anschauliches Beispiel für die Wissenschaftsfeindlichkeit der christlichen Rechten", verbreitet vor allem unter den Evangelikalen.

Zu unterscheiden sind Kurzzeit-Kreationismus bzw. Junge-Erde-Kreationismus und Intelligent-Design-Kreationismus. Ersteres orientiert sich streng an der Bibel und geht aus von einem Alter der Erde von 6000 Jahren. Selbst unter den Evangelikalen dürften überzeugte Kurzzeit-KreationistInnen nur eine Minderheit stellen.

Mehrere Jahrhunderte nach der Aufklärung und nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen über das ungefähre Alter der Erde zu behaupten, diese sei nur 6000 Jahre alt, stellt VertrteterInnen dieser Position ins Abseits. Zumal es mit der 'Intelligent Design'-Position auch den Versuch einer Synthese von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und theologischen Inhalten gibt. Demzufolge war es ein intelligenter Schöpfer, der die Evolution lenkte.

Und man geht von einer separaten Entwicklung der Arten aus, weswegen der Mensch beispielsweise nicht vom Affen abstammen soll.

Lucius Teidelbaum: Die christliche Rechte in Deutschland

Konkret sieht das dann so aus:

Lesen wir einmal die Bibel:
Bibel: 1.Mose 5,3: und Adam lebte 130 Jahre und zeugte ... Seth.
Bibel: 1.Mose 5,6-8: und Seth lebte 105 Jahre und zeugte Enos. Und Seth lebte, nachdem er Enos gezeugt hatte, 807 Jahre.
Bibel: 1.Mose 5,9: Und Enos lebte 90 Jahre und zeugte Kenan ... usw...
Damit sind die ersten 325 Jahre (130+105+90=325) seit Adams Erschaffung anhand von 3 Menschen-Generationen geklärt.
Wobei Adam insgesamt 930 Jahre alt wurde.
Die weiteren Zeiträume werden komplizierter und nebulöser aber am Prinzip ändert sich nichts.
Der in der Bibel beschriebene Stammbaum der Menschen und der Ereigniskalender ergäbe dann eine Zeitspanne von rund 4000 Jahren von Adams Erschaffung bis zu Christi Geburt. Zu diesen 4000 Jahren kommen dann unsere "modernen" 2017 Jahre nach Christi Geburt hinzu. Was in der Summe rund 6000 Jahre ergibt.
Da nun eine erzeugende Kraft alles in 6 Tagen erschuf kann die Erde höchstens 6 Tage älter sein als der Zeitraum von Adams Erschaffung bis heute. Somit ist das Alter der Erde rund 6000 Jahre plus höchstens 6 Tage.
NEIN, kommt mir nun nicht mit "die Bibel sein kein Naturwissenschaftsbuch und dürfe nicht wörtlich genommen werden". Das ist ja genau der Punkt der biblischen Kreationisten:
sie MUSS wörtlich genommen werden. Also ist die Erde rund 6000 Jahre alt.
Und Seth wurde 912 Jahre alt.
Beweis: siehe Bibelstelle oben: Seth erzeugte im Alter von 105 Jahre Enos und lebte dann noch 807 Jahre. Macht insgesamt 105+807=912 Jahre.
Diese biblischen Texte zeigen nun eindrucksvoll, dass die gesamte Evolutionstheorie der modernen Wissenschaft und die Naturwissenschaft selbst falsch sein muss!
Die Wissenschaft muss falsch sein da sie zu anderen Ansichten kommt als die Bibel. Damit funktioniert natürlich auch kein CD-Player mehr. Denn der braucht einen Laser und somit brauchen unsere CD-Player Hersteller wiederum eine halbwegs moderne Quantenphysik. Wir haben kein Telefon und kein LED-Fernseher, keine ISS (internationale Raumstation).
Kein PC. Kein World Wide Web.

Geokasper

Das klingt amüsant, ist es aber weniger, wenn wir uns vor Augen führen, dass z. B. der "Verband Evangelischer Bekenntnisschulen e.V." (VEBS), der immerhin "46 freie Schulen - von Grundschulen bis Gymnasien -, die staatlich bezuschusst werden und sich vor allem in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg finden" (Die Welt) unterhält, 2013 ankündigte, die Schöpfungsgeschichte gleichberechtigt mit der Evolutionstheorie in den Lehrplan aufnehmen zu wollen.

Sie bemühen sich um eine "ganzheitliche Orientierung der Unterrichtsinhalte am Deutungsrahmen der Bibel". Daraus folgt soziales Engagement, das oft gelobt wird. Doch folgt daraus auch, die Naturwissenschaften nicht für die einzige sachgerechte Form des Umgangs mit den Befunden der Biologie oder Physik zu halten.

Vielmehr scheint der VEBS auch eine andere Möglichkeit für die Entwicklung sinnvoller Hypothesen zur Entstehung von Universum und Leben zu sehen: die Bibel. In jener Stellungnahme - empfohlen "zur Orientierung und Auseinandersetzung in den Fachkollegien in Religion und Naturwissenschaften" - heißt es:

"Übernatürliche Schöpfung ist Ausgangspunkt für die Deutung naturwissenschaftlicher Daten. Die wissenschaftlichen Daten, die durch Schöpfung gedeutet werden, sind dieselben wie die Daten, die durch Evolution gedeutet werden. Die naturwissenschaftliche experimentelle Forschung unterscheidet sich methodisch nicht von Forschung im Rahmen der Evolutionsanschauung."

Demnach wäre eine Betrachtung empirischer Befunde im Licht der Bibel ("Evolutionsanschauung") methodisch gleichrangig mit der Naturwissenschaft.

Die Welt

Das ist höchst bedenklich, selbst wenn der VEBS der "Intelligent Design"-Position, dem "Versuch einer Synthese von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und theologischen Inhalten" folgt. Diese sähe in der Praxis dann ungefähr so aus:

Der Schöpfungsbericht der Bibel beginnt ganz einfach:
"Im Anfang erschuf Gott die Himmel und die Erde" (1. Mose 1:1).
Bibelgelehrte stimmen darin überein, dass die in diesem Vers beschriebene Handlung getrennt zu sehen ist von den Schöpfungstagen, die ab Vers 3 beschrieben werden.
Daraus folgt ein wichtiger Schluss:
Gemäß den einleitenden Worten der Bibel existierte das Universum mitsamt der Erde schon unbestimmte Zeit, bevor die Schöpfungstage begannen.
Geologen schätzen das Alter der Erde auf etwa 4 Milliarden Jahre; das Universum könnte nach Berechnungen von Astronomen sogar 15 Milliarden Jahre alt sein. Widersprechen diese Erkenntnisse — oder ihre potenziellen Modifikationen — der Aussage in 1. Mose 1:1?
Nein. Die Bibel gibt nicht an, wie alt "die Himmel und die Erde" sind. Die Wissenschaft entkräftet den Text der Bibel nicht.

geistigenahrung.org

Aufgrund von Protesten wurde die entsprechende Erklärung zurückgezogen. Doch Zweifel bleiben angebracht, denn wer garantiert, dass den Kindern diese krude Weltsicht nicht trotzdem nahgebracht wird?