Studieren wird noch teurer

Die Finanzkrise macht auch vor dem akademischen Nachwuchs nicht Halt. "Studentenfreundliche" Zinssätze für Studien- und Bildungskredite gehören der Vergangenheit an

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Es soll alles ganz einfach sein. "Sie studieren. Wir finanzieren" - mit diesem eingängigen Slogan verspricht die Kreditanstalt für Wiederaufbau den Studierenden die in vielen Fällen dringend benötigte Entlastung während einer akademischen Ausbildung. Vor allem die Zahler von Studiengebühren, denen in sieben deutschen Bundesländern rund 500 Euro pro Semester abverlangt werden, sollen von niedrigen Zinssätzen, flexiblen Rückzahlungsraten und Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Finanzierungsangeboten wie BAföG oder Bildungskredit profitieren. Maximal 650 Euro für bis zu 14 Semester können in Anspruch genommen werden, und obwohl sich der Gesamtbetrag in diesem Fall auf 54.600 Euro beläuft, verzichtet die Kreditanstalt großzügig auf den Nachweis von Sicherheiten.

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KfW-Förderbank

Vor zwei Jahren betrug der Zinssatz für die Kredite der KfW-Förderbank 5,2 Prozent. Seitdem entschieden sich rund 43.000 Studierende für einen Vertragsabschluss. Sie ließen sich im Monat durchschnittlich 477 Euro auszahlen, kämen nach 10 Semestern also auf einen Schuldenstand von 28.620 Euro plus Zinsen.

Schon ein Jahr später lag der Zinssatz allerdings bei 6,29 Prozent, im Frühjahr 2008 wurden 6,4 Prozent fällig, und in der vergangenen Woche kamen noch einmal 0,6 Prozent hinzu. Wer eine Unterstützung durch die KfW-Förderbank in Anspruch nimmt, zahlt demnach mittlerweile 7 Prozent Zinsen, und ein Ende der eigenwilligen Wertschöpfung ist noch lange nicht in Sicht. Die Kreditanstalt darf den Satz zum April und Oktober eines Jahres weiter erhöhen und sich schrittweise der vertraglich vereinbarten Obergrenze nähern. So könnten die studentischen Kreditnehmer eines Tages mit dem aktuellen Limit von 9,2 Prozent belastet werden.

Die KfW begründete die neuerliche Erhöhung mit der Entwicklung am Kapitalmarkt, was angesichts deutlich abgesenkter Leitzinsen vielerorts für Erstaunen sorgte. Das Kreditinstitut, das durch seine 350 Millionen Euro-Überweisung an die abgeschmierte Investment-Bank Lehman-Brothers nicht ganz unwesentlich zur bizarren Lage des Kapitalmarktes beigetragen hat, richtet die Zinskonditionen für Studienkredite allerdings an der Entwicklung des EURIBOR aus.

Länderübergreifende Zinserhöhungen

Der Anstieg der Zinsen betrifft nicht nur den Studienkredit der KfW-Förderbank, sondern auch andere Finanzprodukte des Hauses, das sich für nahezu alle Bereiche des menschlichen Daseins zuständig fühlt.

Unser Handeln soll den Menschen bei der Verbesserung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Lebensqualität zugute kommen. In der Kopplung von Förderung an ökologische und soziale Standards, an Good Governance und Korruptionsbekämpfung wird unser Bekenntnis zu Humanität konkret. In unserer Arbeit und unserem Umgang miteinander leben wir Humanität vor.

KfW Bankengruppe

Betroffen sind vor allem die Bildungskredite. Das Niedersachsen-Studienbeitragsdarlehen wird inzwischen mit 7 Prozent verzinst. Das Bayerische Studienbeitragsdarlehen (aktuell 6,52 Prozent), das Hamburger Studiendarlehen, das mittlerweile nicht mehr über die KfW finanziert wird, (6,51 Prozent) und das Studiengebührendarlehen - Saarland (6,92 Prozent) wurden im Verlauf der vergangenen 24 Monate deutlich erhöht. Die Zinsen für einen Bildungskredit und ein BAföG-Bankdarlehen haben sind seit 2005, als sie bei rund 3,2 Prozent lagen, auf mittlerweile gut 6,3 Prozent nahezu verdoppelt.

Aber auch andere Studienkredite werden mit erheblichen Sätzen verzinst. So fallen für den Dresdner FlexiStudienkredit während des Studiums und während der rückzahlungsfreien Phase effektive Jahreszinsen von 5,89 Prozent an, in der Rückzahlungsphase werden 7,89 Prozent (bei einer Zinsfestschreibung von bis zu 6 Jahren) beziehungsweise 8,89 Prozent (bei einer Zinsfestschreibung von bis zu 10 Jahren) fällig.

Der StudentenKreditRechner der Deutschen Bank zeigt, wie sich 3.000 Euro, die während eines halbes Jahres auf Kreditbasis geliehen werden, für das Kreditinstitut vervielfältigen. Zu Beginn wird ein effektiver Jahreszins von 5,9 Prozent berechnet, für den Zeitraum der Rückzahlung fallen aber 8,9 Prozent an. Der Rückzahlungszeitraum umfasst nun 120 Monate, die monatliche Darlehensrate beträgt 40,40 Euro.

Die Angebote der Kreditinstitute sind mitunter schwer zu differenzieren. Oft steckt hinter der Offerte der Bank von nebenan wieder der Studienkredit der KfW, der als vermeintlich attraktives Finanzprodukt auch von Sparkassen vertrieben wird.

Milliardenspritze zur Stimmungsaufhellung

Während sich die finanzielle Situation der einzelnen Studierenden weiter verschlechtert, bemüht sich die Bundesregierung im Bildungsbereich neue Akzente zu setzen. Gerade weil die Erosion des chronisch unterfinanzierten Systems offenkundig ist, gilt die Wahlkampftauglichkeit des Themas als zweifelsfrei erwiesen, und so kündigt die große Koalition nun wenige Tage vor dem sogenannten Bildungsgipfel milliardenschwere Zusatzinvestitionen an. Bis 2012 sollen etwa sechs Milliarden Euro "in Bildungs- und Aufstiegschancen" investiert werden und sowohl in die Schaffung neuer Studienplätze als auch in Weiterbildungskonzepte und die Benachteiligten- und Begabtenförderung fließen.

Der Deutsche Hochschulverband hält eine solche Summe gerade für ausreichend, um in einigen Flächenländern den Bedarf an baulichen Maßnahmen abzudecken.

In vielen Einrichtungen zieht, bröckelt, tropft oder schimmelt es.

Deutscher Hochschulverband

Von erfolgversprechenden und verlässlichen Investitionen könne derzeit nicht die Rede sein. Tatsächlich sei der Anteil für Bildungsausgaben, der 1995 noch bei 6,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gelegen habe, im Jahr 2006 auf 6,2 Prozent gefallen.

Doch sechs Milliarden sind sechs Milliarden, und Bildungsministerin Annette Schavan möchte die erkleckliche Summe gern in ihrer Leistungsbilanz verbuchen. Für den einzelnen Studenten und die konkreten Probleme von Jungakademikern bringt die Ministerin weniger Interesse auf. Schließlich ist Schavan seit jeher eine vehemente Verfechterin der Studienkredite. Sie erteilte der Kreditanstalt für Wiederaufbau im Februar 2006 den Auftrag, entsprechende Angebote auf den Markt zu bringen.

Die Bundesregierung begrüßt, dass mit diesem Angebot ein wichtiger Schritt zur Erschließung eines funktionierenden Marktes der Bildungsfinanzierung gemacht wird.

Annette Schavan, 9.2.2006

Die Gewährleistung „einer verlässlichen, tragfähigen und im Blick auf die Rückzahlungsbelastung in jedem Einzelfall tragbaren individuellen Finanzierungsmöglichkeit“ sei eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, gab die Ministerin, die sich noch nicht zur aktuellen Zinserhöhung geäußert hat, damals zu Protokoll. Ideelle Unterstützung bekam sie dabei stets vom Bertelsmann nahen Centrum für Hochschulentwicklung, das zwar vor unüberlegten Abschlüssen warnte, aber noch im Mai dieses Jahres festgestellt wissen wollte, dass sich die Kredite mittlerweile „zu einer festen Größe der Studienfinanzierung“ entwickelt hätten.

In den letzten zwei, drei Jahren hat sich ein breites Angebot entwickelt, das durchaus positiv zu bewerten ist. Studienkredite stellen eine gute Ergänzung zu herkömmlichen Finanzierungsmethoden (Jobben, BAföG, Eltern, Stipendium) dar. Ich vermute, dass sich diese Angebote weiter etablieren werden. Sie werden dauerhaft einen wichtigen Part im Finanzierungsmix der Studierenden darstellen.

Ulrich Müller, Projektleiter bei CHE Consult

Die Ausweitung des BAföG, das nach Einschätzung des Deutschen Studentenwerks ein „Schlüsselinstrument“ sein könnte, um die soziale Durchlässigkeit im Hochschulbereich zu erhöhen und Kindern aus einkommensschwachen und bildungsfernen Familien einen akademischen Abschluss und damit neue Lebens- und Berufsperspektiven zu eröffnen, musste gegen den jahrelangen Widerstand der Ministerin durchgesetzt werden. Dieser hinderte Schavan freilich nicht daran, auch die Erhöhung der Fördersätze und Freibeträge, die zum 1. Oktober 2008 in Kraft trat, auf die eigenen Fahnen zu schreiben.

Mit der Anhebung der BAföG-Sätze und der Freibetragsgrenze zum Wintersemester erleichtern wir die Entscheidung für ein Studium, indem wir deutliche finanzielle und strukturelle Verbesserungen geschaffen haben. Die Förderung nach dem BAföG mit der Kombination aus Zuschuss und zinslosem Darlehen bietet eine solide Studienfinanzierung.

Annette Schavan

Konzepte gesucht

Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) kritisiert in Person seines Vorstandsmitglieds Bianka Hilfrich deshalb sicher nicht zu Unrecht die anhaltende Konzeptlosigkeit, mit der die Bundesregierung die Löcher im Bildungssystem zu stopfen versucht.

Das Vorgehen der Bundesregierung ist nicht aus einem Guss. (…) Die Finanzzusage von Frau Schavan soll vor dem anstehenden Bildungsgipfel am 22. Oktober wohl vor allem für eine positive Stimmung sorgen, auf der anderen Seite müssen Studierende mit hohen Zinssätzen für das Versagen Anderer einspringen.

Bianka Hilfrich

Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, sieht ebenfalls eine Verbindung zwischen der wirtschaftlichen Schieflage der Republik, kleinen Studienkrediten und großer Bildungspolitik. Er befürchtet, dass die aktuelle Finanzkrise „auf dem Rücken der Studierenden“ ausgetragen und der Hochschulabschluss mit der Zeit ein Fall für die Schuldnerberatung wird.

Die Studienkredite sind offenbar ein gutes Geschäft für die KfW-Bank, aber ein immer miserableres und riskanteres für Studierende. Die erheblichen Zinssteigerungen bei den KfW-Studienkrediten vervielfachen die Verschuldungsrisiken für Studierende und Absolventen um mehrere tausend Euro.

Kai Gehring

Auch die FDP bereitet sich für den 22. Oktober auf einen „Gipfel der unverbindlichen Geldverschwendung“ vor. Die liberale Bundestagsabgeordnete Ulrike Flach sieht wenig Sinn darin, Milliardensummen in Projekte zu investieren, "die keine verbindlichen Ziele festschreiben und von den Ländern schon im Vorfeld weichgespült werden". Für DIE LINKE sind sechs Milliarden ohnehin Peanuts. Sie fordert 50 Milliarden Euro, die in ein neues „Zukunftsinvestitionsprogramm für bessere Erziehung, Bildung sowie Infrastruktur“ fließen sollen.

Dass diese Summe aus demselben Niemandsland beschafft werden müsste, aus dem voraussichtlich auch die 400 bis 500 Milliarden kommen, welche die Bundesregierung zur Stabilisierung des Finanzmarkts bereitstellen will, liegt auf der Hand. Trotzdem sehen Experten mit Blick auf die kommenden Jahre, die steigenden Studentenzahlen und die Mängel in den Bereichen Bausubstanz, Ausstattung und Infrastruktur einen deutlich höheren Finanzierungsbedarf als die vermeintlich freigiebige schwarz-rote Koalition.

Damit es nicht zu einer „unverbindlichen Geldverschwendung“ kommt, wäre es allerdings notwendig, den konkreten Bedarf und die jeweilige Dringlichkeit präzise zu ermitteln, von offenkundigen Fehlentwicklungen und der einseitigen Konzentration auf Spitzenleistungen in der Forschung Abstand zu nehmen und das Thema Bildungsgerechtigkeit auf der Agenda weit nach oben zu schieben. Ob dem Gipfeltreffen das alles gelingt, muss abgewartet, darf nach den jüngsten und vielen zurückliegenden Erfahrungen aber schon einmal vorsichtig bezweifelt werden.