Süß und klebrig: Soziale Medien machen so süchtig wie Zucker
Soziale Medien können süchtig machen. Push-Nachrichten und endloses Scrollen sollen Nutzer lange auf Plattformen halten. Droht eine ganze Generation abzustürzen?
Die Europäische Kommission hat die sozialen Medien ins Visier ihrer Untersuchungen genommen. Facebook und Instagram, aber auch TikTok stehen im Verdacht, Kinder und Jugendliche süchtig machen zu können.
Jeder vierte Jugendliche zeigt problematisches Smartphone-Verhalten
Viele Eltern dürfte das nicht überraschen: Ihre Kinder verbringen – gefühlt – jede freie Minute am Smartphone, schauen Videos oder spielen. Das ist von den Betreibern dieser Plattformen nicht ungewollt, denn ihr Geschäftsmodell basiert darauf, dass die Nutzer möglichst lange online sind, Werbung anschauen und konsumieren sowie verwertbare Daten generieren.
Mittlerweile geht man davon aus, dass jedes vierte Kind und jeder vierte Jugendliche eine "problematische" oder "dysfunktionale" Smartphone-Nutzung aufweist. Mit anderen Worten: Ihr Nutzungsverhalten gleicht einer Sucht. Befürchtet wird auch, dass Jugendliche dadurch zunehmend psychische Probleme entwickeln.
Das Centrum für Europäische Politik (cep) hat nun den internationalen Forschungsstand zu diesem Thema untersucht. Ausgewertet wurden rund 40 internationale Studien mit zum Teil widersprüchlichen Ergebnissen.
Soziale Medien können schulische Leistungen beeinträchtigen
Das Ergebnis der cep-Studie: Die Nutzung sozialer Medien hat weniger negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit als häufig angenommen. Bestätigt wurde hingegen, dass sie süchtig machen können: Viele Nutzer haben der Studie zufolge Schwierigkeiten, ihren Medienkonsum zu kontrollieren.
Auch wenn soziale Medien die psychische Gesundheit nur selten beeinträchtigen, können sie den Lebensweg von Kindern und Jugendlichen negativ beeinflussen. "Sehr wahrscheinlich ist, dass eine intensive Nutzung sozialer Medien häufig zu schlechteren schulischen, akademischen oder beruflichen Leistungen führt", so cep-Digitalexperte Matthias Kullas.
Ein Grund dafür sind Probleme mit der Selbstkontrolle. Sie könnten der Analyse zufolge für knapp ein Drittel der Zeit verantwortlich sein, die Menschen in sozialen Medien verbringen. Viele Nutzer wollen demnach weniger Zeit auf den Plattformen verbringen, schaffen es aber nicht.
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Die Gestaltung der Plattformen, etwa durch Push-Benachrichtigungen oder endloses Scrollen, verstärke diese Probleme. "Es ist schwer, sich dem Konsumdrang zu entziehen, vergleichbar mit ungesunden Lebensmitteln wie Zucker", erklärt Kullas.
Experten empfehlen Maßnahmen zur Förderung der Medienkompetenz
Mehr Medienkompetenz könnte dem Problem entgegenwirken, so der cep-Forscher. Warnhinweise, die beispielsweise beim Installieren, Öffnen oder intensiven Nutzen von Social Media erscheinen, könnten seiner Meinung nach die Medienkompetenz erhöhen.
Zudem empfiehlt er, bestimmte Gestaltungselemente einzuschränken. Push-Benachrichtigungen sowie die Möglichkeit, zeitlich unbegrenzt zu scrollen oder zu streamen, sollten standardmäßig deaktiviert werden. "Zu überlegen ist außerdem, suchterzeugende Algorithmen zu verbieten", rät Kullas.
Die EU-Kommission und die nationalen Behörden sollten nach Ansicht des cep die bestehenden Jugendschutzbestimmungen konsequent durchsetzen und die Forschungsergebnisse kontinuierlich beobachten. Neue Erkenntnisse könnten zusätzliche Maßnahmen erforderlich machen.