Sympathy for the Devil

Frauen, Mode und Verzweiflung: "The Devil wears Prada"

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"Was hülfe es dem Weibe, wenn es einen Schrank voller Kleider gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele?" Vielleicht eine ganze Menge. Denn ohne Seele, das zeigt Miranda Priestly, kommt man ganz gut zurecht im Leben, ohne anständige Klamotten ist es schon um einiges schwieriger - erst recht, wenn man nicht so blendend aussieht, wie Meryl Streep und Anne Hathaway, die beiden Stars in David Frankels Bestsellerverfilmung "The Devil wears Prada", einem Schlüsselroman über die Abgründe der Modewelt, der nebenbei eine Menge interessanter Dinge verrät über den modernen Berufsalltag, über die Wahrnehmung von Frauen mit Macht und natürlich über Hollywood.

Papst Benedikt XVI. liebt dunkelrote Prada-Schuhe, so wollten es jedenfalls Agentur-Meldungen wissen, kurz vor Paparazzis Deutschlandbesuch im August. Dass er damit nicht alleine steht, ist ein offenes Geheimnis, und gerade wer wirklich an die Hölle glaubt, wird überzeugt sein, dass man auch dort mit einem gewissen Stilbewußtsein bei der Sache ist.

Miranda Priestly ist in diesem Fall der titelgebende Teufel in wohlangezogener Menschengestalt, sie ist aber auch, wie ihr Name bereits andeutet, eine Hohepriesterin und Päpstin der Mode. Ein Zucken der Mundwinkel, eine hochgezogene Augenbraue entscheiden über Wohl und Wehe ganzer Kollektionen - nicht nur New York, auch Paris und Mailand erzittern vor der Macht der Chefredakteurin des einflussreichen "Runaway"-Magazins.

Priestly ist die Hauptfigur in David Frankels Bestsellerverfilmung "The Devil wears Prada" mit dem zwei Schauspielerinnen unterschiedlicher Generation, Meryl Streep und Anne Hathaway, in diesem Sommer in den USA Triumphe feierten und mit ihren männlichen Kollegen auch mehrere vermeintliche Blockbuster mit links an die Wand spielten, wie zum Beispiel den letzten "Superman". Mögen Hollywoods Studios auch in der Krise sein und offenkundig den Sinn für ihr Publikum ein wenig verloren haben, für Streep, die auch mit dem neuen Robert-Altman-Film "A Prairie Home Companion" überraschend erfolgreich war, und Hathaway, zuletzt in "Brokeback Mountain" zu sehen, läuft es gerade prächtig.

"Sie hält nicht den Finger in den Wind, um Trends zu beurteilen, sie ist der Wind."

Ein wichtiger, aber nicht der einzige Grund für diesen Erfolg ist zunächst einmal der Film selbst. "The Devil wears Prada" hat nämlich alles, was ein Blockbuster heute braucht: eine Mischung aus bekannten und werdenden, alten und jungen Stars, eine erfolgreiche Buchvorlage, viel Celebrity und Klatsch im Umfeld, das Versprechen auf einen voyeuristischen Einblick in das sonst sorgfältig verborgene Innenleben einer unbekannten Welt und einen speziellen Look – so dass das Ausmaß des Publikumszuspruchs eigentlich gar nicht so sehr überraschen sollte.

Die Vorlage für den Film bildet Laureen Weisbergers gleichnamiges, 2003 erschienenes Buch, ein pikanter Schlüsselroman über die New Yorker Modeszene. Jeder weiß, dass die ebenso zynische wie grobe wie eitle Miranda ein reales Vorbild hat: Anna Wintour, auch als "Nuclear Wintour" bekannt, die heute 56-jährige legendenumwobene Chefin der amerikanischen "Vogue" und eine der mächtigsten Figuren der Modebranche, die ganze Designerkarrieren "machte", wie die von John Galliano, oder zerstörte. "Sie hält nicht den Finger in den Wind, um Trends zu beurteilen", hat die "New York Times" einst über Wintour geschrieben, "sie ist der Wind."

Autorin Weisberger war ein Jahr lang Wintours rechte Hand, weiß also vermutlich genau, wovon sie berichtet, wenn sie den Alltag bei "Runaway" als Militäroperation in High-Heels beschreibt, wenn sie schildert, wie ihre Ex-Chefin die Welt der Mode regiert, Mitarbeiter schikaniert, Ehemänner und Feinde massakriert. Im wahren Leben - leider nicht im Film - legt sich Wintour auch mit Tierschützern an - gar nicht so einfach im puritanischen Amerika -, druckt deren Anzeigen nicht und trägt echten Pelz (was auch sonst?). Die wiederum warfen mit Tofu, worauf sie konterte, das sei gut für die Haut, und legten ihr im Restaurant einen toten Waschbär auf den Teller - den sie mit ihrer Serviette bedeckte und sich kühl einen Kaffee bestellte.

Von dieser Dame erzählt die Lifestyle-Komödie und bietet - halb Fantasie, halb Satire - nebenbei ein zwar hübsch überzeichnetes, aber eben gar nicht einmal unrealistisches und wunderbar anzuschauendes Portrait der Modewelt: einige große Designer, wie Valentino, haben sogar persönliche Kurzauftritte ùnd ihre sündteuren Klamotten zur Verfügung gestellt. Aber viele Modehäuser sollen sich auch aus Angst vor Wintour geweigert haben.

Meryl Streep spielt ihre Miranda in einem tollen Auftritt als Mischung aus Drachen und Domina. Daraufhin meldeten sich gleich die unvermeidlichen besorgten Repräsentanten der Frauenemanzipation und des Politisch-Korrekten zu Wort und fragten öffentlich, ob es denn nicht doch ein bisschen frauenfeindlich sei, Priestly als eiskalten Engel darzustellen, wo es sich doch nur um den zu seltenen Fall einer erfolgreichen Karrierefrau handle. Bei einem Mann, behauptete man, würde man sagen, er sei eben durchsetzungsfähig. Und warum sollte eine Frau sich auch dafür entschuldigen, dass sie Macht hat und unangenehme Entscheidungen trifft.

Zudem kommt die Figur auch alles andere als ausschließlich unangenehm rüber. Im Gegenteil: Priestly darf im Laufe des Films durchaus menschliche Seiten zeigen, und vieles, was sie von ihren Mitarbeitern verlangt, ist durchaus angemessen, anderes überzeichnet, aber eben ironisch: Einmal fordert sie, dass für ihre Zwillingstöchter "der neue Harry Potter" besorgt werden müsse, "in drei Stunden." Kein Problem oder? Nein, nicht das Buch in der Buchhandlung, sondern das unveröffentlichte Manuskript der Fortsetzung.

Streep, Clinton oder der Teufel in Boxershorts

Meryl Streep trifft die Kritik sowieso nicht, im Gegenteil: Denn sie ist die Stärke des Films, und überhaupt ist Streep selbst eines der wenigen Beispiele für die erfolgreiche Karriere einer Frau über 40. Üblicherweise ist dann spätestens für Schauspielerinnen Schluß mit Top-Rollen - Was machen zum Beispiel Michelle Pfeiffer, Meg Ryan, Ancie McDowell? -, jüngere, frischere oder einfach neuere Gesichter werden bevorzugt, während ein Tom Cruise, George Clooney auch mit über 40 gut im Geschäft sind.

Streep dagegen, inzwischen 57, bekommt immer noch 5 Millionen Dollar Gage pro Film, gibt sich ihr Aussehen betreffend überaus selbstironisch - "Sollte jemals mein Leben verfilmt werden, müsste der Titel wohl 'Der Teufel trägt Boxershorts' heißen" - und macht immer neue Facetten von sich sichtbar. Schon vor "The Devil wears Prada" war sie einmal eine sanft zur Satire überzeichnete Schurkin: in Jonathan Demmes Remake "The Manchurian Candidate", wo sie ihrer Rolle der kühlen, ehrgeizigen US-Senatorin, die für die eigene Macht auch vor Mord nicht zurückschreckt, ein paar Züge von Hillary Clinton verlieh - sehr zum Vergnügen der US-Presse. "Ich liebe Komödien" sagt sie, "nur bekomme ich zu wenig Rollen, in denen ich witzig sein darf." Bald soll sie nun sogar eine US-Präsidentin spielen: in dem für 2007 angekündigten Film "First Man".

Ein bisschen ernster muss man die Kritik an dieser Frauenfigur aber nehmen, allerdings aus anderen Gründen. Der US-Medienwissenschaftler Paul Levinson hat eine andere Theorie: "Nichts in Hollywood ist Zufall. Im Gegenteil, jede Kleinigkeit ist geplant. Dazu gehört das passende Aussehen einer Schauspielerin für eine Rolle. Obwohl ich es nicht beweisen kann, glaube ich, dass Meryl Streep - neben ihren ungewöhnlichen Fähigkeiten als Schauspielerin - die Rolle bekommen hat, weil sie in ihrer äußerlichen Erscheinung Hillary Clinton sehr ähnelt."

Geht es also in dem Film darum, einen bestimmten Frauentyp - älter, attraktiv, erfolgreich - ins schlechte Licht zu rücken? Zu zeigen, dass beruflicher Erfolg mit emotionaler Vereisung, Einsamkeit gepaart ist, dazu führt, dass man keine Familie haben kann? Man kann das Szenario jedenfalls leicht aus der Geschäftswelt auf das Szenario einer Präsidentschaftskandidatur Hillary Clintons übertragen.

Streep jedenfalls nimmt ihre Figur in Schutz: "Für mich ist es ein Film über eine Frau an der Spitze einer Firma, eine missverstandene Frau unter enormem Erfolgsdruck, die für nette Spielchen keine Zeit hat. Sie spielt andere Spielchen, nämlich solche, die sie in ihren Geschäften weiterbringen. Sie hat nur wenig Zeit für die angenehmen Seiten des Lebens, aber das hat sie sich so ausgesucht." Nur haben die meisten Leute immer noch ein Problem mit solchen Frauen. Konservative schätzen Macht und Selbstbewusstsein nicht, Linke nicht die dahinterstehende neoliberale Ideologie vom Boss mit Verantwortung, vor allem gegenüber den Aktienbesitzern und des "hohe Ansprüche an sich selbst und genauso an ihre Mitarbeiter", - die natürlich wesentlich schlechter bezahlt werden.

Die zweite Frauenfigur ist Weisbergers alter ego Andy Sachs, die mit Elite-Abschluss aber ohne Job und Ahnung von der Modewelt bei "Runaway" anheuert. Gespielt von Anne Hathaway, macht sie Karriere und wird von der intellektuellen Einser-Studentin zum Fashion-Victim. Nur am Schluss traut sich der Film nicht, an einer weitaus sympathischeren Figur die Verführungskraft der Berufskarriere noch einmal durchzudeklinieren. Stattdessen muss sie als Beleg dafür herhalten, dass man ohne Charakterdeformationen in der der hohlen Modeszene nicht überleben kann und aussteigen muss.

Wenn man dem Film eines wirklich vorwerfen muss, dann eher, dass er nicht weit genug geht: Der Film hätte weitaus böser und entlarvender sein müssen, wollte er seinem Gegenstand gerecht werden. Ein Film wie Robert Altmans "Prêt-à-Porter" (1994) zeigt, dass das nicht unbedingt bedeutet, umgekehrt einer puritanischen Moral anheimzufallen, die die böse Modewelt zwingend verdammt. An Altman kommt der "The Devil wears Prada" so gut wie nie heran. Ihm fehlt alle Analyse des Wandels der Mode, die heute vom Distinktionsmerkmal zwischen den Klassen zum Erkennungszeichen der Neureichen oder Fast-Armen geworden ist. Altes Geld zieht sich traditionell schlecht an und die anderen, die früher Chanel oder Ungaro oder Prada gekauft hätten, und es sich auch heute leisten könnten, tragen Jeans und T-Shirt. Mehrwert bringt ihnen die Mode schon lange nicht mehr.