Syrien: Terrorismusbekämpfung zwischen Kuhhandel und Blockkonfrontation
Seite 3: Intervention der USA in Syrien/Irak
Der US-Regierung fehlt jegliches außenpolitische Konzept zum Sturz von Assad. Außerdem konnte die US-Führung nicht verhindern, dass sich tausende Dschihadisten aus Europa sich dem IS anschlossen und nun die Sicherheit in ihrem Herkunftsländern bedrohen. Darüber hinaus hat Washington die Bildung des IS mitverschuldet: Durch die Zerstörung des irakischen Regimes im letzten Golfkrieg schuf man ein Machtvakuum, in das der IS eindringen und sich ausbreiten konnte. Unter Führung der USA beteiligt sich nun eine internationale Truppe an den Militäroperationen, um den IS zurückzudrängen. Aber auch hier versagt Barack Obama, weil er einen Einsatz von Bodentruppen strikt ablehnt und ausschließlich Luftoperationen genehmigt. Die reichen aber nicht aus, um den IS ernsthaft zu schädigen, wie jeder Militärhistoriker weiß.
Seit dem 8. August 2014 führt eine internationale Kriegskoalition Luftangriffe gegen IS-Ziele im Nordirak durch, seit dem 23. September 2014 auch gegen Objekte in Syrien. Dabei kommen z. T. dieselben Kampfstaffeln auf beiden "Kriegsschauplätzen" zum Einsatz.
Zu dieser internationalen "Koalition der Willigen" gehören insgesamt 62 Staaten, u. a. die USA, Kanada, das Vereinigte Königreich, Niederlande, Belgien, Frankreich, Dänemark, Jordanien, Saudi-Arabien, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Australien. Einzelne dieser Länder beteiligen sich auch an den Luftangriffen in Syrien. Im ersten Jahr der Operation führte die internationale Luftstreitmacht insgesamt 45.259 Flüge durch, davon führten die USA circa zwei Drittel der Angriffe im Irak und nahezu alle Bombardierungseinsätze in Syrien aus. Angesichts des Scheiterns der internationalen Luftoperationen denken mittlerweile die ersten beteiligten Regierungen über einen Bodeneinsatz nach.
Nicht zuletzt verstärkten mehrere Länder seit Februar 2011 ihre Flottenpräsenz in der Region: USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, etc.. Zwar diente die Verlegung mehrerer US-Flugzeugträger der Luftoffensive, aber ansonsten hatte dieser Flottenaufmarsch nur "symbolische" Bedeutung.
Die Zerstörung Syriens ist nicht allein dem syrischen Tyrannen Bashar al-Assad anzulasten, sondern auch dessen Unterstützung durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin und der außenpolitischen Handlungsschwäche des amerikanischen Präsidenten Barack Obama. Als die syrischen Streitkräfte am 21. August 2013 Nervengas gegen die Zivilbevölkerung bei Damaskus einsetzten und 1.400 Menschen töteten, hatte die syrische Regierung eine vorher von US-Präsident verkündete "Rote Linie" überschritten, dennoch blieb die US-Regierung untätig. Dies führte zu Kontroversen zwischen dem US-Präsidenten und seinem Generalstabschef General Martin Dempsey, dem Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff.
Bis heute hat Barack Obama jeglichen Einsatz von Bodentruppen ausgeschlossen. Erst im August/September 2014, drei Jahre nach Beginn des Bürgerkrieges, begannen die USA mit Luftschlägen der US Air Force und der US Naval Aviation den "Islamischen Staates" in Syrien und im Irak zu attackieren (Operation INHERENT RESOLVE). Der Luftkrieg wird geführt von Generalleutnant Charles Q. Brown, dem Kommandeur der Luftstreitkräfte beim amerikanischen Central Command (CINCAFCENT). Da die ihm unterstellten Luftstreitkräfte durch den Krieg in Afghanistan gebunden sind, wurden ihm zusätzliche Verbände unterstellt. Der erste Angriff erfolgte durch eine Rotte zweier "Boeing" F-18F SUPER HORNETs von der Staffel VFA-15, die auf dem Flugzeugträger CVN-77 USS George H. W. Bush eingeschifft war. Vom 23. September 2014 bis 8. August 2015 flogen die US-Streitkräfte 2.190 Luftangriffe in Syrien.
Seit Juli 2015 darf die US Air Force für ihre Luftangriffe gegen Syrien auch den türkischen Fliegerhorst Incirlik nutzen. Sie stationierte hier am 9. August 2015 sechs "General Dynamics" F-16C FIGHTING FALCON von der 510th Fighter Squadron aus Aviano (Italien). Außerdem verlegte eine Einheit mit (Kampf-)Drohnen nach Incirlik. Die erste Drohne wurde am 4. August 2015 eingesetzt.
Allerdings verpuffte die Luftoffensive ohne Wirkung, da der IS die Verluste durch die Rekrutierung neuer Gotteskrieger im In- und Ausland ausgleichen konnte. In einer Studie von Michael Haid von der Informationsstelle Militarisierung heißt es:
Nach einer im Mai 2015 veröffentlichten Schätzung des US-Militärs seien dadurch rund 12.000 als Kämpfer für den IS Verdächtige getötet worden. Nach Angaben der US-Luftwaffe hätten diese Verluste allerdings durch einen stetigen Zulauf an neuen Kämpfern kompensiert werden können. Denn die Stärke der IS-Kämpfer habe derzeit mit circa 20.000 bis 31.500 Kämpfern in etwa den Stand erreicht, wie er zu Beginn der Operation auch betragen habe. (…)
Nach der offiziellen Darstellung scheint sich dieser Krieg nur gegen Kombattanten zu wenden. An dieser Stelle kann das Projekt "Airwars" etwas Licht ins Dunkel bringen. Nach Informationen dieses Projekts kamen seit Beginn der Luftangriffe in bislang erst 53 untersuchten Fällen mindestens 489 bis maximal 1.247 Zivilisten um das Leben, darunter 100 Kinder, und es hätte 111 bis 184 Tote unter verbündeten Kämpfern durch sog. "Friendly Fire" gegeben.
Michael Haid
Aber nicht nur die Luftoffensive ist gescheitert: Darüber hinaus sind im Irak rund 3.500 US-Militärberater im Einsatz, um das irakische Heer bzw. sunnitische Stammeskrieger militärisch auszubilden - ohne durchschlagenden Erfolg. Gleiches wiederholt sich auf dem syrischen "Kriegsschauplatz".
Da die US-Regierung keine eigenen Bodentruppen nach Syrien entsenden wollte, begann das Pentagon - wie im Irak - ein gleichartiges Programm zur Ausbildung einheimischer, syrischer Bodentruppen durchzuführen. Seit Ende 2012 bildete man eine Rebellentruppe in der Daraa-Provinz aus, die von Jordanien aus operierte und mit Panzerabwehrwaffen M-60 und Panzerabwehrwaffen M-79 OSA aus kroatischen Beständen ausgerüstet war. Die Truppe wurde von der US-Regierung erst aufgebaut und dann fallengelassen, wie das Institute of Modern Russia Inc. (IMR) in New York berichtete:
By the end of 2012 large parts of the Syrian Army had defected to the rebels who had established strongholds across northern Syria and had taken control of large parts of Syria’s second largest city, Aleppo. The regime had gone many months without even a hint of a victory on the battlefield. It became clear to many that there were very few things keeping the Assad regime afloat: air power supplied and maintained by Russia, tanks supplied by Russia, high ground defended by military bases and Russian-made artillery, and oil and money supplied by Moscow and Tehran. To counter this, in the last few months of 2012 the United States began an effort to train and arm moderate Syrian rebels in Daraa province. Within months those insurgents, armed with Croatian anti-tank weapons, were winning battles and capturing large amounts of territory between the Jordanian border and the Syria’s capital city. The Obama administration had two modest objectives. First, force Assad to the negotiating table by weakening his firepower and technological advantages — and drain support from his key allies Russia and Iran. Second, because U.S. ally Jordan was absorbing an unsustainable amount of Syrian refugees, while also fending off attempts by radical Islamists in the Hashemite kingdom to migrate into Syria to join the rebellion, allowing the moderate rebels breathing space in Daraa would create a de facto buffer zone between Syria and Jordan.
However, as the rebels began to make significant gains around Damascus they began to complain about a lack of arms and ammunition. Clearly Washington, afraid that the rebels might actually sack Damascus or become too powerful to want to negotiate, cut the supply of weapons. What followed was months of stalemate around the capital.
IMR
Danach war eine Syrian Support Group (SSG) bis August 2014 für die logistische Unterstützung der Freien Syrischen Armee (FSA) zuständig.
Im Jahr 2014 unternahm die Central Intelligence Agency (CIA) einen neuen Anlauf und unterstützte zeitweise die Bewegung Harakat Hazzm in Nordsyrien u.a. mit Panzerabwehrraketen BGM-71 TOW. Allerdings musste die Gruppierung im Dezember 2014 erhebliche Verluste hinnehmen, so wurde ein Teil ihres Materials von der Jabhat al-Nusra erobert. Von diesen Verluste konnte sich die Gruppierung nicht mehr erholen. Sie gab ihre "Selbstständigkeit" auf; die Reste der Gruppe schlossen sich im März 2015 der Jabhat al-Shamiyya im Raum Aleppo an.
Im Jahr 2015 startete man ein weiteres US-Projekt in der Türkei, das den Aufbau einer Söldnertruppe von 5.000 bis 15.000 Kämpfern anstrebte. Obwohl dafür vom US-Kongress 500 Millionen Dollar bewilligt worden waren, scheint das Projekt "Division 30" oder "New Syrian Forces" (NSF) kläglich gescheitert zu sein: Gerade mal 54 Syrer haben die Militärausbildung "erfolgreich" absolviert. Als im Juli 2015 ein erstes Kommando nach Syrien einsickerte, wurde die Truppe in Gefechten gegen die Jabhat al-Nusra aufgerieben. Nur wenige US-Kämpfer sind übrig geblieben, wie der Kommandeur des CENTCOM-Kommandos, General Lloyd J. Austin III, vor dem Verteidigungsausschuss des US-Senats eingestehen musste: "Es ist eine kleine Anzahl. Wir reden von vier oder fünf." Hinzu kommen weitere 100 bis 120 Rekruten, die sich noch in der Ausbildung befinden (US-Programm zur Ausbildung von syrischen Kämpfern gescheitert). In diesem Zusammenhang wurde auch bekannt, dass das US-Verteidigungsministerium Berichte über seine vermeintlichen Erfolge gegen den IS geschönt hat (Geheimdienstberichte über Inherent Resolve verschönt?).
Angesichts dieser misslichen Lage fordern mehrere Mitarbeiter innerhalb der US-Regierung die militärische Unterstützung der kurdischen Yekîneyên Parastina Gel (YPK), die in den letzten Monaten erfolgreich gegen den IS vorging. Aber die YPK ist der bewaffnete Arm der Partiya Yekîtiya Demokrat (PYD), die wiederum eng mit der marxistisch-leninistischen Partiya Karkerên Kurdistan (PKK) verbunden ist. Für einen amerikanischen Präsidenten ist es eine politisch waghalsige Sache, eine kommunistische Gruppierung militärisch aufzurüsten. Außerdem werden diese kurdischen Kräfte neuerdings wieder vom NATO-Bündnispartner Türkei angegriffen.
Der ehemalige CIA-Chef General a. D. David Petraeus kam gar auf die Idee, die US-Regierung solle zukünftig die Jabhat al-Nusra (JaN), die zum al-Qaida-Netzwerk gehört und im Norden Syriens operiert, in ihrem Kampf gegen den IS militärisch zu unterstützen. Dass es sich dabei nicht nur um militaristische Hirngespinste handelt, zeigte kürzlich ein Vorfall Mitte September in Nordsyrien: US-Söldner übergaben sechs Lkw mit Waffen und Munition an die al-Nusra-Front (Vom Pentagon ausgebildete syrische Kämpfer übergeben ihre Waffen an al-Nusra). Es handelte sich angeblich um eine Art "Wegezoll", damit die rund 70 US-Kämpfer aus der Türkei in ihr Operationsgebiet gelangen konnten.
Aber in den von der US-Regierung angestrebten terroristischen Bündnispartnern dienen auch Terroristen aus Deutschland. Es kann daher nicht im Interesse der deutschen Bundesregierung sein, dass die US-Regierung diese deutschen Terroristen militärisch ausbildet und diese dann Anschläge in der Bundesrepublik verüben. Folgende Personen aus der Bundesrepublik waren oder sind Mitglieder oder Unterstützer der Jabhat al-Nusra: Ahmad Amih, Mizar Tamoor Baig, Ibrahim Belkaid, Mohammed Belkaid, Andrea B., Gökhan Celic, Ufuk C., Bernhard Falk bzw. Bernhard Uzun, Emrah F., Soufiane K., Ibrahim Munir, Majdi J. und ein gewisser "Abu Ahmad al-Almani". In diesem Zusammenhang sei auch daran erinnert, dass die US-Regierung im Frühjahr 2015 damit drohte, NSA-Aufklärungsdaten über geplante Anschläge in der BRD für sich zu behalten, um so die Kritik deutscher Parlamentarier an der US-Spionage gegen Deutschland und ihr Beharren auf nationale Souveränität abzustrafen.
Nicht zuletzt beteiligt sich die US Army seit 2013 mit ihren Flugabwehrraketen MIM-104 PATRIOT PAC-3 an der Operation ACTIVE FENCE zur Verstärkung des türkischen Luftverteidigungssystem gegen Luftangriffe aus Syrien. Der Einsatz in Gaziantep endet voraussichtlich im Oktober 2015. Als strategische Reserve stationierte die US Army im Frühjahr 2013 Einheiten der 1st Armored Division in Jordanien.
Die US-Intervention in Syrien stößt auch in Russland auf erheblichen Protest. So forderte Außenminister Sergej Lawrow nach seinem Treffen mit dem amerikanischen Außenminister John Kerry in Doha am 3. August 2015, ein Ende der ausländischen Einmischung in den syrischen Bürgerkrieg, wobei er die russische Intervention in Syrien geflissentlich übersah.