Taliban-Hoffnung auf Abschiebe-Deal: Was würde mit Betroffenen passieren?
Das Angebot aus Kabul steht. Die Islamisten erhoffen sich Legitimation. Würden sie abgeschobene Straftäter ehren? Ein Kommentar.
In Deutschland wie auch in Österreich werden die Stimmen für Abschiebungen nach Afghanistan lauter, nachdem ein aus dem Land stammender 25-jähriger Mann einen Anschlag in Mannheim verübt hat. Bei der Messerattacke wurden sechs Personen verletzt – darunter der 29-jährige Polizist, der wenig später im Krankenhaus starb.
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat daraufhin einen härteren Kurs in Sachen Abschiebungen angekündigt. Auch in Österreich begrüßt Philip Kucher von der SPÖ ein härteres Vorgehen, auch bei Abschiebungen nach Afghanistan wie auch nach Syrien.
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Dieses Vorgehen der SPÖ erinnert stark an den Kurs der ÖVP im Zuge der Nationalratswahlen vor sieben Jahren, als diese ihr politisches Erscheinungsbild der rechtsextremen FPÖ anpasste, um Stimmenanteile zu gewinnen. Die Strategie ging damals für die ÖVP unter Sebastian Kurz auf, jedoch ist zu bezweifeln, ob dies auch der SPÖ und der SPD gelingen wird.
Flüchtlingskonvention: Keine Abschiebung bei Lebensgefahr
Selbstverständlich sind Straftäter, egal welcher Herkunft, zu verurteilen und zu bestrafen. Das weitere Vorgehen muss jedoch im Rahmen des Völkerrechts vollzogen werden. Die Genfer Flüchtlingskonvention, die (man muss es wohl an dieser Stelle erwähnen) sowohl von Deutschland als auch von Österreich unterzeichnet wurde, widerspricht jedoch dem neu gesetzten Vorhaben der Sozialdemokratie:
Der Eckpfeiler der Flüchtlingskonvention von 1951 ist der in Artikel 33 verankerte Grundsatz der Nichtzurückweisung. Diesem Grundsatz zufolge darf ein Flüchtling nicht in ein Land zurückgeschickt werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit ernsthaft bedroht sind.
Abschiebungen setzen Kontakte zum Regime voraus
Abgesehen von zahlreichen Berichten über Gräueltaten auch unter dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ist die Taliban-Regierung in Afghanistan bisher von keinem Land der Welt anerkannt worden.
Für Abschiebungen in beide Staaten müssten jedoch Abkommen mit ihnen ausgehandelt werden. Der österreichische Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hat sich bereits für die Notwendigkeit "entsprechender Kontakte" ausgesprochen, um Abschiebungen durchführen zu können.
Taliban und Islamischer Staat: Verfeindete Brüder im Geiste
Beide Regime haben erst einmal kein Interesse daran, Straftäter aufzunehmen, denn beide haben weiterhin mit der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) beziehungsweise deren Zellen zu kämpfen, die auch in Rivalität zu den Taliban stehen.
Genau jener Angreifer von Mannheim wurde aber wohl durch Videos des IS radikalisiert, was den Gedanken nahelegt, dass ihm bei einer Abschiebung nach Afghanistan kein rosiger Empfang von Seiten der Taliban bevorstehen würde, wie etwa die deutsche Grünen-Politikerin Irene Mihalic erst vor Kurzem im Bundestag erst vor Kurzem behauptete.
Mit Gewissheit kann man dies jedoch nicht sagen, da auch Taliban-Autoritäten in Afghanistan der Kontext des Terrorangriffs in Mannheim bekannt sein dürfte, und dieser richtete sich in erster Linie gegen den Anti-Islam-Aktivisten Michael Stürzenberger.
Bewertung des Angriffs von Mannheim durch Taliban ungewiss
Der Angriff als solcher könnte also von Seiten der Taliban als ein wohlwollender Akt bewertet werden, da auch sie sich als fromme Vertreter des Islam begreifen, während eine Zugehörigkeit zum IS definitiv auf Abneigung stößt.
Wie also das Regime mit abgeschobenen Straftätern umgehen würde, ist stark vom Einzelfall abhängig und bleibt sogleich eine hypothetische Frage, da es keine rechtliche Grundlage dafür gibt, nach Afghanistan abzuschieben, wenn man sich an Völkerrecht und Grundgesetz halten möchte.
Der Wunsch der Taliban nach Anerkennung
Dennoch drückte auch das Taliban-Regime kurz nach der Rede von Scholz in einem Schreiben auf seiner offiziellen Website seine Hoffnung auf eine diplomatische Zusammenarbeit mit der Bundesregierung aus.
Der Gedanke dieser Zusammenarbeit kommt natürlich mit dem Wunsch einer offiziellen Anerkennung der Taliban-Regierung einher. Eine Regierung, die unter anderem Frauen und Mädchen den Bildungsweg verwehrt und Amnesty International zufolge auch öffentliche Hinrichtungen durchführt.
Fokus auf Abschiebe-Parolen: Fischen am rechten Rand
In diesem Zusammenhang bekommt der Satz des ehemaligen deutschen Bundesministers für Verteidigung, Peter Struck, der im Jahr 2002 behauptete, dass Deutschlands Sicherheit auch im Hindukusch verteidigt werde, eine unerwartete Wendung, die aber damals wie heute nichts mit einer "wertebasierten Außenpolitik" à la Annalena Baerbock zu tun hat.
Der Diskurs um die Abschiebungen zeigt eines ganz deutlich: Die Sozialdemokratie und andere Parteien, die sich nicht als "rechts" verstehen wollen, stehen vor einer offensichtlichen Krise, was sich dadurch sichtbar wird, dass man sowohl in Deutschland als auch in Österreich vor dem Erstarken rechtsradikaler Parteien (wie der FPÖ und der AfD) warnt, während man sich zugleich eben jene Parolen aneignet, mit denen die rechten Parteien auf Stimmenfang gehen.